Ra’anana ist eine Stadt in Zentralisrael, rund 20 Kilometer nördlich von Tel Aviv entfernt, mit etwas über 80.000 Einwohnern.
Ra’anana wurde 1922 vor allem von Einwanderern aus den U.S.A. gegründet und hat – wie mehrere israelische Städte gleichen Ausmasses – seit über dreissig Jahren ein eigenes philharmonisches Orchester, das sich bescheiden „Symphonette“ nennt. Von Interesse ist, dass dessen langähriger musikalischer Leiter Omer M. Wellber seit Ende 2023 auch das Amt des Musikdirektors der Volksoper Wien bekleidet.
Operette und „Leopoldstadt“
Aber dies ist nicht die einzige Parallelität dieser zwei Musikhäuser. Neben häufigen Konzerten mit Werken von Mozart und Haydn widmete die Symphonette Ra’anana ihr letztes Neujahrskonzert ausschliesslich der österreichischen Operette!
Unter der Leitung von David Sebba, derzeit Gastdirigent des Hauses, waren nach der Ouvertüre der Fledermaus die bekanntesten Arien und Duette dieses „Markenzeichen“ Wiens zu hören, kennerhaft vorgetragen von Solisten der Tel Aviver Oper. Nach Strauss folgte dann Lehár mit den einmaligen Melodien seiner Lustigen Witwe. Aber auch „Gross-Österreich“ wurde nicht vernachlässigt mit den wundervollen Pusztaklängen aus Kálmáns Csárdásfürstin und seiner Gräfin Mariza, wobei das Duett “Komm mit nach Varasdin“ diesmal auf Hebräisch zu hören war – im Gegensatz zu all den anderen Einsätzen in einem hervorragenden Deutsch.
Neujahrskonzert in der Ra’anana Symphonette. Foto: Daniel Boggio, mit freundlicher Genehmigung: Ra’anana Symphonette.
Im gleichen Monat – und noch bis zum Ende der Saison – kann man auf der Bühne des 1928 aus Moskau nach Tel Aviv verlegten ersten israelischen Theaters Habima Tom Stoppards gross angelegte „Familienchronik“ Josefstadt geniessen. Der 1937 als Tomáš Straussler in der Tschechoslowakei geborene britische Dramatiker musste mit seinen jüdischen Eltern 1939 über Singapur nach England flüchten; die Grosseltern und andere Verwandte fielen der Shoah zum Opfer.
Stoppards Stück spielt in Wien und hat seinen Titel vom dortigen jüdischen Viertel. Die Geschichte beginnt in den letzten Tagen des Jahres 1899 und folgt einer Grossfamilie, den Merzes, tief in das dunkle Herz des 20. Jahrhunderts. Vom Salon dieser Familie aus erleben wir ihre Momente des Glücks, der Liebe und der Enttäuschung, während sie den Ersten Weltkrieg, die politischen Umwälzungen und schliesslich den Zweiten Weltkrieg durchlebt, der die meisten Zweige ihres Stammbaums grausam durchtrennt.
Tom Stoppard, Josefstadt, im Theater Habima. Foto: Raday Rubinstein, mit freundlicher Genehmigung: Habima.
Das mit einer Besetzung von neunundzwanzig Schauspielern als „Superproduktion“ bezeichnete, insgesamt 120 Minuten andauernde Stück kann man durchaus als ein „jüdisches-österreichisches Familien-Fotoalbum“ bezeichnen, weitreichend und voller tragischer Schönheit. Es ist das erste Mal, dass Stoppard, im Alter von 83 Jahren, mit Josefstadt seine persönliche Familiengeschichte erforscht hat, und das Ergebnis ist ein herzzerreissendes Drama.
…und das Österreichische Hospiz in Jerusalem…
Neujahrskonzert und Superproduktion mögen vergänglich sein, aber dieses „Markenzeichen“ ist es nicht: Das Österreichische Hospiz in der Altstadt von Jerusalem!
1854 als kirchliche Stiftung durch den damaligen Erzbischof von Wien gegründet mit Kaiser Franz Joseph als weiterem Gründervater, kann man das Österreichische Hospiz an der Via Dolorosa durchaus als eine gastliche Oase im Chaos der Altstadt von Jerusalem bezeichnen: „Klein Österreich“ mit Kaffee und Apfelstrudel, serviert mit dem Charme der Donaumonarchie.
Das Österreichische Hospiz in Jerusalem. Foto: www.hudelist.com
„Wir pflegen Traditionen. Auf uns ist Verlass. Auch im 21. Jahrhundert. Die Geschichte unseres Hauses spiegelt die Geschichte der Region und auch die Konflikte des Nahen Ostens wider…“ – so heute Hon.Prof. MMag.
Markus Stephan Bugnyar, der Rektor dieses historischen Etablissements.
Tatsächlich hat das Hospiz eine bewegte Vergangenheit. Schon seine Gründung verursachte heftige Debatten unter den diversen katholischen Sektionen in Jerusalem, so dass es schlussendlich unter staatliche Obhut gestellt wurde. Die guten Beziehungen zwischen der Habsburgermonarchie und dem Osmanischen Reich führte zu einer Glanzzeit des Hospizes mit einer nicht endenden Welle von Pilgern und Touristen. Dies kam leider mit dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges zum Stillstand, als das Hospiz dann zum Treffpunkt für deutsche und österreichische Offiziere wurde.
Nach der Eroberung Jerusalems durch die Briten wurde das Hospiz zu einem anglikanischen Waisenhaus für christlich-syrische Kinder. Mit dem Zerfall der Donaumonarchie blieben seine Besitzverhältnisse lange Jahre im Unklaren. Beim Ausbruch des Zweiten Weltkrieges kam das Hospiz wieder an die Briten und diente dann als Internierungslager für österreichische, deutsche und italienische Priester sowie Ordensleute. Nach dem israelischen Unabhängigkeitskrieg wurde es den Jordaniern zugesprochen und zu einem Krankenhaus mit österreichischen Ordensschwestern umfunktioniert.
Mit Israels Sieg über Jordanien 1967 kam das Hospiz unter israelische Kontrolle. Nach langen Debatten wurde das dortige Spital 1985 geschlossen und das Anwesen an die Wiener Erzdiözese zurückgegeben. Nach Umbau und Renovierung wurde es schliesslich wieder zu einem Pilgergästehaus.
In seinen modern ausgestatteten Zimmern stehen nun für Besucher Jerusalems aus allen Ländern insgesamt 124 Betten bereit, um eine bequeme Unterkunft direkt im Zentrum der Altstadt zu bieten. Hinzu steht, nicht nur für dort Wohnende, sondern auch für Tagesgäste, das Café Triest zur Verfügung, mit dem Charme der Wiener Kaffeehauskultur. Hier kann man seinen Besuch der Altstadt unterbrechen und bei Wiener Melange und Apfelstrudel neuen Elan schöpfen; sei es im Kaiserstüberl oder im Garten – der grösste frei zugängliche in der Altstadt Jerusalems. Schnitzel und Sachertorte gibt es natürlich auch, serviert von den lokalen Mitarbeitern oder jungen Freiwilligen aus Österreich, die dort ihren Zivildienst absolvieren können.
Trotz des Gaza-Krieges und den Attacken aus dem Südlibanon geht das Leben in Israel weiter – und Kultur sowie Freundschaft aus Österreich sind dort immer willkommen!