„Er war von seiner Arbeit besessen und das zog mich in seinen Bann.“
(Barbara Staudinger)
Am 15. Februar 2024 verstarb völlig unerwartet der Direktor des Jüdischen Museums München. Bernhard Purin wurde am 6. Oktober 1963 zu Bregenz in Vorarlberg als Sohn des Architekten Hans Purin (1933–2010) und Enkel des Malers Hans Purin (1898–1989) geboren. Nach dem Studium der Empirischen Kulturwissenschaften und der Neuen Geschichte in Tübingen arbeitete er von 1990–1991 als Projektleiter am Aufbau des Jüdischen Museums Hohenems. Schon in der Gründungsphase des Museums erwies er sich als streitbarer Mitarbeiter, der dem oft naiven Umgang mit Objekten der materiellen jüdischen Überlieferung mit wissenschaftlicher Sachkenntnis begegnete und auf kritischer Objektrecherche bestand. Er legte auch den Grundstein für die Entwicklung einer genealogischen Recherchedatenbank des Museums. 1992-1995 war Bernhard Purin als Kurator am wieder eröffneten Jüdischen Museum Wien tätig, wo er eine der ersten Ausstellungen zur Raubkunstproblematik kuratierte und das von ihm initiierte Wiener Jahrbuch für jüdische Geschichte, Kultur & Museumswesen hauptverantwortlich herausgab.
1995 wurde er zum Leiter des Jüdischen Museums Franken in Fürth und Schnaittach berufen. Dort löste er mit seiner ironisch-satirischen Darstellung des Judentums einige für die Museumsdiskussion nachhaltige Kontroversen aus. Die von Kultusgemeinden, Lokalhistorikern und Politikern geführten Auseinandersetzungen, bei denen sogar seine Abberufung gefordert wurde, konnte Purin mit Unterstützung der Fachwelt, der Trägerschaft des Museums und mit Zuspruch des interessierten Publikums durchstehen. 2002 folgte seine Berufung als Gründungsdirektor des Jüdischen Museums München, das 2007 auf Grundlage seines Konzepts eröffnet wurde und dessen Leitung er bis zuletzt innehatte. Unter Bernhard Purins Ägide war München über all die Jahre ein Ort innovativer Ausstellungsinhalte und begehrter Projektpartner. Purin war auch an der Entwicklung des 2017 eröffneten Münchner Erinnerungsortes für die Opfer des Olympia-Attentats von 1972 führend beteiligt. Er war weltweit als Experte für Judaica geschätzt, in ständigem Austausch mit Sammlerinnen und Sammlern. Er wirkte in mehreren nationalen und internationalen Fachgremien und verfasste zahlreiche einschlägige Publikationen.
Nun ist Bernhard Purin auf der Höhe seiner Wissens- und Schaffenskraft im Alter von erst 60 Jahren verstorben – ein schmerzlicher Verlust für die jüdische Museumslandschaft. Seine innovativen Impulse sind jedoch geblieben. Museen und Ausstellungsaktivitäten bleiben weiterhin beeinflusst von seinem kritischen Geist, seiner Kreativität, dem Talent zum Netzwerken und seiner Fähigkeit zur Satire. Er setzte gewissermassen neue Massstäbe. Sein ironisch-satirischer Zugang bei der Umsetzung von Ausstellungskonzepten hat inzwischen Schule gemacht, nicht zuletzt auch hier bei uns in Wien.
Nachlese
https://www.jm-hohenems.at/zum-unerwarteten-ableben-unseres-kollegen-und-freundes-bernhard-purin
https://blog.juedisches-museum-muenchen.de/nachruf-bernhard-purin/
https://www.jmw.at/news/nachruf_an_bernhard_purin_06_oktober_1963_-_februar_2024
https://de.wikipedia.org/wiki/Bernhard_Purin
Bernhard Purin. Foto: Daniel Schvarcz. Jüdisches Museum Hohenems, mit freundlicher Genehmigung.