Ausgabe

Der deutsche Physiker Heinrich Hertz

Walter Blasi

Heinrich Hertz – eigentlich Heinrich Rudolf – wurde am 22. Februar 1857 in Hamburg geboren. Sein Vater Gustav Ferdinand Hertz (ursprünglich David Gustav Hertz) stammte aus einer angesehenen jüdischen, hanseatischen Familie, der zum evangelisch-lutherischen Christentum konvertierte. Der Vater (Dr. jur.) war Rechtsanwalt, seit 1877 Richter und von 1887 bis 1904 Senator und Chef der Justizverwaltung in Hamburg. Die Mutter Anna Elisabeth geborene Pfefferkorn war die Tochter eines Garnisonsarztes in Frankfurt am Main. Heinrich Hertz hatte vier Geschwister, die Brüder Gustav Theodor, Rudolf und Otto sowie die Schwester Melanie. Heinrich war nicht der einzige berühmte Physiker aus der Familie Hertz. Sein Bruder Gustav Theodor war der Vater des Nobel-Preisträgers Gustav Ludwig Hertz und Grossvater des Atomphysikers und Informationswissenschafters Hardwig Jungelaussen.

Inhalt

Heinrich Hertz fiel bereits während seiner Schulzeit durch eine aussergewöhnliche mathematische und technisch-handwerkliche Begabung auf. Auch Sprachen lagen ihm. Seine Schulzeit schloss er schliesslich mit dem Abitur (Matura) am Johanneum in Hamburg ab. Hertz besuchte sonntags die Gewerbeschule, um handwerkliche Fähigkeiten zu erwerben. Als einer seiner dortigen Lehrer, ein Drechslermeister, nach Jahren hörte, er sei Professor geworden, soll er geantwortet haben: „Ach wie schade, was wäre das für ein tüchtiger Drechsler geworden.“ Nur in einem Fach – der Musik – versagte Hertz völlig. Schliesslich ging er für ein Jahr als Praktikant nach Frankfurt. Als nächstes begann er 1876 am Polytechnikum Dresden ein Bauingenieur-Studium, wandte sich aber bald fast ausschliesslich der Mathematik und den exakten Naturwissenschaften zu. Das Studium in Dresden brach er nach dem ersten Semester ab, weil ihn dort lediglich die Mathematikvorlesungen begeistern konnten. 1876/77 leistete er seine Militärdienstpflicht beim Eisenbahnregiment in Berlin ab und setzte im Wintersemester 1877/78 am Polytechnikum München sein Studium der exakten Naturwissenschaften (Mathematik und Physik) fort. 1878 wechselte er an die Berliner Friedrich-Wilhelms-Universität. Dort lehrte Hermann von Helmholtz, der mit seiner Schule das Gebiet der Elektrodynamik – noch Jahrzehnte nach den Arbeiten des Physikers James Clerk Maxwell „eine unwegsame Wüste“ – zu klären versuchte. Den Maxwellschen Gleichungen, kompliziert und eine keineswegs widerspruchsfreie Theorie bildend, standen die älteren Hypothesen von Weber, Neumann und anderen gegenüber. Bereits im ersten Semester an der Berliner Universität erwarb Hertz für eine Preisarbeit zu diesem Thema eine Goldmedaille der Hochschule. 1880, im Alter von 23 Jahren, promovierte er magna cum laude mit der theoretischen Arbeit „Über die Induktion in rotierenden Kugeln“. Hertz blieb schliesslich zwei Jahre als Forschungs- und Vorlesungsassistent bei Helmholtz in Berlin. Dort arbeitete er über Probleme der Elektrodynamik, der Mechanik und der Meteorologie.

 

Anschliessend habilitierte sich Hertz in Kiel in theoretischer Physik zum Thema „Versuche über die Glimmentladung“ und war dort von 1883 bis 1885 tätig. 1885 (eine andere Quelle spricht von 1886) wurde er als ordentlicher Professor für Physik an die Technische Hochschule Karlsruhe berufen. Dort heiratete er 1886 Elisabeth Doll, die Tochter eines Kollegen. Aus dieser Ehe gingen die beiden Töchter Johanna und Mathilde hervor, die unverheiratet und ohne Nachkommen blieben.

 

In Karlsruhe gelangen ihm grundlegende Entdeckungen über elektromagnetische Wellen. Maxwell hatte schon vor Hertz die Existenz elektromagnetischer Wellen vorhergesagt, konnte sie jedoch nicht nachweisen. Hertz führte 1886 in einem Hörsaal der Technischen Hochschule Karlsruhe mehrere Wochen lang Experimente durch, bei denen er als Sender eine Kugel-Funkenstrecke in einem schwingenden elektromagnetischen Dipol benutzte. Als Empfänger diente ein geschlitzter Drahtring, in dem sich immer dann Funken beobachten liessen, wenn auch am Sender ein Überschlag stattfand. Damit konnte am 11. November (eine andere Quelle nennt den 13. November) 1886 erstmals die Ausbreitung einer elektromagnetischen Welle im Versuch beobachtet werden. Mit dieser Entdeckung war die Basis für die drahtlose Kommunikation, wie Rundfunk, drahtlose Telegrafie und später dann Mobiltelefon und WLAN, geschaffen.

 

Am 13. Dezember 1888 wurde Hertz‘ Entdeckung an der Königlich Preussischen Akademie in Berlin vorgestellt. Der Titel der Abhandlung lautete „Über Strahlen elektrischer Kraft“. Wenn Hertz nun ein glänzendes Ergebnis geliefert hatte, so war zuvor nicht jedes seiner Experimente von Erfolg gekrönt gewesen. Man kann sagen, Hertz war sehr ehrgeizig. Wenn dieser Ehrgeiz nicht befriedigt wurde, konnte er ungehalten, ungeduldig und gereizt werden. Solche Stimmungsphasen lassen sich oft aus seinen Tagebuchnotizen herauslesen.

 

Die Entdeckung der elektromagnetischen Wellen und der Beweis, dass sich diese wie Licht verhalten und ausbreiten, brachte Hertz weltweit grosse Anerkennung unter den Wissenschaftern. Die Gesellschaften und Akademien der Wissenschaften Italiens, Frankreichs und Österreich-Ungarns verliehen ihm hohe Auszeichnungen. Die preussische Regierung ehrte ihn mit dem Kronen-Orden. Hertz selbst sah die Bedeutung seiner Entdeckung im Beweis der Maxwellschen Theorie.

 

Nach vier Jahren in Karlsruhe zog Hertz nach Bonn, nachdem er Berufungen nach Berlin, Giessen und Amerika abgelehnt hatte. Vor allem der Lehrer Helmholtz hätte seinen Schüler wieder gerne in Berlin gehabt. 1889 übernahm Hertz die Leitung des Physikalischen Instituts an der Universität in Bonn. Im Vordergrund seiner Bonner Tätigkeit standen theoretische Interessen. Er widmete sich zunächst dem System der Maxwellschen Gleichungen und arbeitete später an seinem letzten Buch zur theoretischen Begründung der Mechanik.

 

1892 war bei Hertz nach einem schweren Migräneanfall eine Wegener-Granulomatose diagnostiziert worden. 1894 verstarb der grosse Wissenschafter im Alter von erst 36 Jahren daran in Bonn. Begraben wurde er auf dem Friedhof Ohlsdorf in Hamburg. Ihm zu Ehren wurde die internationale Einheit für die Frequenz als „Hertz“ (abgekürzt „Hz“) bezeichnet (eine Schwingung pro Sekunde = 1 Hz).

 

In der nationalsozialistischen Ära ging man auf Distanz zu dem erfolgreichen, im rassistischen Jargon des Nationalsozialismus als „Halbjude“ bezeichneten Wissenschafters. Sogar sein Porträt wurde wegen seiner jüdischen Abstammung aus dem Hamburger Rathaus entfernt und nach ihm benannte Institutionen und Strassen meistens umbenannt. Weiters gab es auch Überlegungen, die nach ihm benannte Einheit „Hertz“ unter Beibehaltung der Abkürzung „Hz“ in „Helmholtz“ umzubenennen. Seine Witwe und die beiden Töchter flohen 1935 aus Deutschland ins Exil nach England.

 

Nachlese

https://de.wikipedia.org/wiki/Heinrich_Hertz

https://www.lernhelfer.de/schuelerlexikon/physik-abitur/artikel

https://www.deutschlandfunk.de/heinrich-hertz-ehrgeizig-ungeduldig-gereizt

https://www.vdi-nachrichten.com/technik/technikgeschichte

https://www.deutsche-biographie.de/sfz70132.html

https://www.darc.de/der-club/distrikte/r/ortsverbaende/75/

https://www.uni-kiel.de/grosse-forscher/index.php?nid=hertz