Ausgabe

Käthe Sasso (1926–2024) s. A.

Christoph Tepperberg

Inhalt

Am 14. April 2024 verstarb die Widerstandskämpferin, KZ-Überlebende und Zeitzeugin Käthe Sasso, im Alter von 98 Jahren in Wien. Sie war eine der letzten Überlebenden aus der Zeit des österreichischen Widerstandes gegen den Nationalsozialismus.

 

Käthe Sasso geb. Smudits wurde am 18. oder 28. März 1926 in Wien in eine sozialdemokratische Familie hineingeboren. Sie wuchs zweisprachig deutsch/kroatisch bei ihrer Großmutter Majka in Nebersdorf im Burgenland und später in Wien auf. Ihre Eltern Agnes und Johann waren beide politisch im kommunistischen Widerstand engagiert, sowohl gegen den Ständestaat als auch gegen das NS-Regime. Nachdem der Vater zur Deutschen Wehrmacht eingezogen und die Mutter im Juli 1941 nach schwerer Krankheit verstorben war, beteiligte sich das junge Mädchen in der Widerstandsgruppe »Gustav Adolf Neustadl«. Die Gruppe unterstützte Witwen hingerichteter Widerstandskämpfer mit Lebensmitteln, förderte das Hören ausländischer Radiosender und verteilte Flugblätter gegen den Nationalsozialismus. Auch Käthe sammelte Geld für die Familien Inhaftierter und beteiligte sich an der Herstellung von kommunistischem Propagandamaterial.

 

Die Gruppe wurde von einem Spitzel an die Gestapo verraten, die erst 16-jährige Käthe gemeinsam mit den anderen Mitgliedern am 21. August 1942 verhaftet. Es folgte ihre Inhaftierung: zuerst im Haus der Gestapo am Morzinplatz, dann im Polizeigefangenhaus »Elisabethpromenade« (heute Rossauer Lände 7-9) und in der Schiffamtsgasse. Von dort wurde sie im Jänner 1943 in das Gefängnis des Wiener Landesgerichts überstellt und schloss dort Freundschaften mit später hingerichteten Frauen. Auch mehrere Mitglieder der Gruppe »Gustav Adolf Neustadl« wurden hier wegen Hochverrats zum Tode verurteilt und hingerichtet. Sie selbst entkam dem Todesurteil, wurde am 21. April 1944 vom Oberlandesgericht Wien zu achtzehn Monaten Jugendgefängnis verurteilt. Nach einem Zwischenaufenthalt im Jugenderziehungslager Oberlanzendorf (Niederösterreich) wurde sie 1944 zunächst nach Berlin und am 11. September 1944 ins Frauen-KZ Ravensbrück (Brandenburg) überstellt. Am 28. April 1945 musste sie einen Evakuierungsmarsch Richtung KZ Bergen-Belsen (Niedersachsen) antreten. Dabei gelang ihr die Flucht und mit Unterstützung sowjetischer Truppen die Rückkehr nach Wien. Eine Gedenkwebsite berichtet: »In der ersten Nacht des Todesmarsches, nahe Wustrow, gelingt [ihr] gemeinsam mit ihrer Freundin Mizzi Bosch die Flucht aus der Gruppe und anschließend die Rückkehr nach Wien.«

 

Bald nach ihrer Rückkehr heiratete sie den Widerstandskämpfer Josef Sasso (19201995), der aus dem KZ Buchenwald (Thüringen) zurückgekehrt war. Die beiden bekamen drei Kinder und übersiedelten nach Winzendorf (Niederösterreich). Die von Käthe im Wiener Landesgericht unmittelbar miterlebte Unmenschlichkeit der NS-Justiz prägten ihr späteres Engagement. Schon in ersten Aufzeichnungen nach 1945 beschrieb sie eindrücklich ihre Erlebnisse und die Schicksale ihrer hingerichteten Mithäftlinge. Ab den 1990er Jahren wirkte sie als Zeitzeugin an den Schulen. Am 5. Mai 2008 und am 27. Jänner 2013 sprach sie im Rahmen von Gedenkkundgebungen auf dem Wiener Heldenplatz, 2013 im Rahmen des Holocaust-Gedenkens der Netzwerkplattform »Jetzt Zeichen setzen!« Auf ihre Mitinitiative wurde 2013 anlässlich des 75. Jahrestages des »Anschlusses« 1938 an der Begräbnisstätte der in Wien hingerichteten Widerstandskämpfer/innen auf dem Wiener Zentralfriedhof eine „Nationale Gedenkstätte“ errichtet. Am 12. Oktober 2011 wurde ihr das »Goldene Verdienstzeichen der Republik Österreich«  verliehen. 2016 erhielt sie für ihren Einsatz für das Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus, Frieden und Demokratie den Berufstitel »Professorin«, 2023 von der Sozialdemokratischen Bildungsorganisationen Österreichs (SPÖ Bildung) den Marie-Jahoda-Preis für herausragende wissenschaftliche Erkenntnisse. Am 12. März 2024 schließlich erhielt sie den Simon Wiesenthal-Preis für zivilgesellschaftliches Engagement gegen Antisemitismus und für Aufklärung über den Holocaust, den sie leider nicht mehr selbst entgegennehmen konnte.

 

Das Ableben von Käthe Sasso wird vom Mauthausen Komitee, dem KZ-Verband und mehreren österreichischen Politikern betrauert. Sie war eine nimmermüde Mahnerin, eine bewundernswerte starke Frau und Zeitzeugin, die viele junge Menschen beeindruckt hat.

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Nachlese (Auswahl)

Austria-Forum; Austria Presseagentur Originaltext-Service GmbH (APA-OTS); Burgenland.at; Denkmal Wien; Der Spiegel; Der Standard; Die Presse; Die Zeit; Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW); Erinnern: Nationalsozialismus und Holocaust (OEAD); Jüdische Allgemeine; Kleine Zeitung; Kronenzeitung; Kurier; KZ-Verband Wien; Mauthausen Komitee; MSN Österreich; Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus; Niederösterreichische Nachrichten (nÖn); ORF Burgenland; Peter Wagner; Rosa Luxemburg Stiftung; Salzburger Nachrichten; Volksstimme; Welt; Wikipedia.