1923 wurde eine ganze Reihe von Künstlern geboren, darunter Loriot, Franco Zeffirelli, Maria Callas. Mustafa Kemal Atatürk rief die Republik Türkei aus. Der gescheiterte Hitler-Putsch in Bayern hatte ein bundesweites Verbot der NSDAP zur Folge. Das Grab Tutanchamuns in Ägypten wurde geöffnet. Die erste Bauhausausstellung fand in Weimar statt. Mit dem Medizin-Nobelpreis wurde die Entwicklung des Penicillins belohnt.
Max Jakob Pressler wurde 1923 in Magdeburg als Sohn eines jüdischen Herrenausstatters geboren und bekam schon früh Klavier- und Violinunterricht. Mit dem Schuleintritt stellte der Vater den kleinen Max vor die Wahl, eines der beiden Instrumente weiterzuverfolgen – und dieser entschied sich für das Klavier. Fortan erhielt er Unterricht bei dem Organisten Eduard Kitzel (1880-1944), der ihn auch nach 1933 weiter unterrichtete, obwohl es für Kitzel nicht gefahrlos war, einen jüdischen Buben zu unterweisen. Nach den Novemberpogromen und der Zerstörung des elterlichen Geschäfts 1938 floh die Familie über Triest nach Palästina.
Max, später Menahem, erhielt in der Folge Unterricht bei Eliahu Rudiakov und Leo Kestenberg, einem Busoni-Schüler. Ein erster Wettbewerbserfolg ermöglichte Menahem einen Auftritt mit Orchester, 1946 gewann er nach einigen Unterrichtsstunden bei Paul Loyonnet (der Debussy noch persönlich gekannt hatte und vom selben Lehrer wie Maurice Ravel unterrichtet worden war) in San Francisco den Claude-Debussy-Wettbewerb, gab sein Debut in der New Yorker Carnegie Hall, spielte unter berühmten Dirigenten wie Eugene Ormandy, George Szell und Leopold Stokowski und startete eine internationale Solistenkarriere, die er zielstrebig die nächsten zehn Jahre vorantrieb. Der Komponist Franz Waxman führte Pressler in die Künstlerszene der prominenten europäischen Migranten ein, darunter Alma Mahler, Thomas Mann, Jascha Heifetz und Igor Strawinsky. Bruno Walter lud den jungen Pianisten ein, mit ihm zu arbeiten und Pressler war zeitlebens für die Ratschläge, besonders Chopin und Schumann betreffend, sehr dankbar.
1955 nahm Pressler mit Daniel Guilet und Bernard Greenhouse Mozarts Klaviertrios für die Deutsche Grammophon Gesellschaft auf. Durch den ungeheuren Erfolg dieser Aufnahmen war das Beaux Arts Trio geboren. Innerhalb der folgenden Jahrzehnte sollte sich die Besetzung von Violine und Cello mehrmals ändern, geschuldet grösstenteils dem fortschreitenden Alter der Musiker; Pressler blieb 53 Jahre lang die Konstante und das Ensemble nahm Dutzende Schallplatten auf. Pressler war zudem sechzig Jahre lang hochgeschätzter Professor an der Indiana University Bloomington.
Als 2008 das Beaux Arts Trio seine Auflösung bekannt gab, rechnete wohl niemand in der Musikbranche damit, dass der nunmehr 85-jährige Menahem Pressler seine Solistenkarriere wieder aufnehmen würde. Aber er sollte uns alle eines Besseren belehren und knüpfte nahtlos an seine beeindruckende „erste“ Karriere zwischen 1946 und 1955 an. Im Januar 2014 war er gar der älteste Debütant bei den Berliner Philharmonikern und veröffentlichte bis knapp vor seinem Tod im Mai 2023 ausgezeichnete CDs mit einer beeindruckenden Repertoirebandbreite.
Nachlese
menahempressler.org
„French Touch“, CD booklet
„Dieses Verlangen nach Schönheit“, Edition Körber Stiftung, 2016
Menahem Pressler. Foto: Ole Spata, picture alliance – dpa. Mit freundlicher Genehmigung: B. Moser.