Evelyn Adunka
David Frankfurter: Ich tötete einen Nazi.
Erzählt und bearbeitet von Schalom Ben-Chorin, hg. von Sabina Bossert und Janis Lutz, mit einem Nachwort von Micha Brumlik.
Wiesbaden: S. Matrix Verlag (Imprint von Verlagshaus Römerweg) 2022.
Mit zahlreichen Illustrationen. 319 Seiten, Euro 22,70.-
ISBN 978-3-7374-1202-5
https://lesezeit.buchkatalog.at/ich-toetete-einen-nazi-9783737412025
Der aus Kroatien stammende Medizinstudent David Frankfurter erschoss im Februar 1936 den Leiter der Schweizer Landesgruppe der NSDAP Wilhelm Gustloff. Er wurde zu 18 Jahren Gefängnis verurteilt, aber 1945 freigelassen und emigrierte nach Israel, wo er heiratete und zwei Kinder bekam. Er arbeitete als Erzieher und Beamter im Verteidigungsministerium und starb 1982.
Seine Erinnerungen erschienen 1948 und 1984 in hebräischer Sprache. Nun wurden sie erstmals von der Schweizer Historikerin Sabina Bossert, die 2019 eine Studie über David Frankfurter veröffentlichte, und Janis Lutz, Kurator einer Ausstellung über Rache im Frankfurter jüdischen Museum, auf Deutsch herausgegeben. Bossert beschreibt in ihrer Einleitung die Entstehungsgeschichten der Übersetzung und die gescheiterten Versuche, das Buch auf Deutsch oder Jiddisch zu veröffentlichen. Nur ein englischsprachiger Auszug in der Übersetzung von Ralph Manheim erschien in der amerikanischen Zeitschrift Commentary.
Micha Brumlik beschreibt im Nachwort die Rezeption von Frankfurters Geschichte in der nationalsozialistischen Literatur, in der Novelle Im Krebsgang von Günter Grass und in der Verfilmung von Rudolf Lissy.
Frankfurter wuchs in Daruvar in Jugoslawien auf, wo sein Vater Moritz, „der in mich die Liebe zum Judentum und zum jüdischen Volk gepflanzt“ hat, Rabbiner war. Sein Onkel Arnold Frankfurter war Rabbiner in Wien. David Frankfurter studierte in Leipzig und Frankfurt, fühlte sich aber fremd in Deutschland. Er kritisierte die Prunksynagogen: „Der Antizionismus der Frankfurter Hochorthodoxie und ihr überhebliches Herabblicken auf das Ostjudentum stießen mich geradezu ab.“
Er beschreibt sein Nachdenken über den rätselhaften Nationalsozialismus und wie er zu seiner eigenen Entscheidung kam: „Gegen Gewalt gibt es nur: Gewalt. Das war meine klare, einfache und doch so einzelgängerische Erkenntnis in jenen Tagen.“
Frankfurter schildert auch seine Lektüren, zum Beispiel Max Brods Buch Heidentum Christentum Judentum, die Hilfe durch den zionistischen Rechtsanwalt Veit Wyler, Besuche von Rabbinern und eine beeindruckende Begegnung mit Emil Ludwig.
Der berühmte Schriftsteller und Biograf Emil Ludwig hatte 1936 in Amsterdam das Buch Mord in Davos, das 2010 mit Beiträgen von Peter O. Chotjewitz und Helmut Kreuzer neu aufgelegt wurde, publiziert. Armin Fuhrer, der 2012 ebenfalls eine Studie über Frankfurter publizierte, hat 2021 auch eine erste umfangreiche Biografie über Emil Ludwig vorgelegt.