Ausgabe

Sportives jüdisches Zürich 100 Jahre Hakoah Zürich

Fabian Brändle

Der FC Hakoah Zürich wurde im Juni 1921 gegründet.  

Inhalt

Neben Fussball wurde Leichtathletik betrieben, später auch Tennis. Der schmucke Vereinsplatz befand sich erhöht über Zürich auf dem Milchbuck. Bereits im Jahre 1922 erfolgte die offizielle Aufnahme in den Schweizerischen Fussballverband, und 1926 errang das Team mit dem ersten Platz in der Ostschweizer Serie einen der bedeutendsten Erfolge der Vereinsgeschichte. Ansonsten tummelt man sich seit jeher eher in unteren Ligen und Gefilden der schweizerischen Meisterschaft, denn der Ehrgeiz und wohl auch die finanziellen Mittel fehlen, um sich im starken Stadtzürcher Fussball Meriten zu verdienen. Der FC Hakoah sah sich durchaus in Kontinuität der so genannten Makkabi-Bewegung, die im Gefolge Max Nordaus das „Muskeljudentum“ propagiert hatte. Diese Fakten hat der Zürcher Historiker und Geschichtsprofessor Christian Koller herausgearbeitet.

Im Jahre 1971 feierte der Verein sein 50-Jahr-Jubiläum mit einem Spiel des renommierten Stadtclubs und amtierenden Meisters FC Zürich gegen die Nationalmannschaft Israels. Generell fiebert man seitens der Hakoah-Spieler mit dem „Arbeiterverein“ FC Zürich mit. Die betuchteren Grasshoppers (GC) sind dort eher verhasst, denn ihnen wird, zu Recht oder zu Unrecht, latenter Antisemitismus vorgeworfen, obwohl der Nobelverein „ennet der Gleise“ bereits Israelis wie Avraham Tikva oder Avi Rikan in seinen Reihen wusste.

Pünktlich zum hundertjährigen Jubiläum des Vereins wurde ein Frauenteam lanciert; endlich, möchte man gleich anfügen. Der Frauenfussball blüht mittlerweile allgemein auch in der Schweiz auf, ohne richtig zu boomen wie in den U.S.A. oder in Grossbritannien. Die besten Spielerinnen wechseln als Professionals ins Ausland, der einheimische Fussball jedoch besteht nach wie vor mehrheitlich aus Amateurinnen. Mit dem „Kids-Camp“ soll auch der eigene Nachwuchs besser gefördert werden. Kinder sollten zudem einen Ort finden, wo sie in Ruhe spielen können und sich nicht rassistischer Angriffe erwehren müssen.

Insgesamt war Hakoah Zürich so etwas wie der kleine Bruder des ungleich erfolgreicheren, bereits im Jahre 1919 gegründeten FC Hakoah Wien, des massgeblichen Vertreters des „calcio danubiano“ („Donaufussball“, mit Ungarn, Österreich, der Tschechoslowakei und Italien), der zum ersten österreichischen Profimeister avancierte. Zum Wiener Verein bestanden denn auch schon früh direkte Kontakte in Form eines Freundschaftsspiels, hergestellt vom rührigen und initiativen Zürcher Präsidenten Rosenstark, der sich später dem Politischen Zionismus zuwenden sollte. Nicht immer aber waren die Kontakte des FC Hakoah Zürich zu anderen jüdischen Sportvereinen ungetrübt. Manchmal agierte man einfach zu eigensinnig.

Wie Hakoah Wien war indessen auch der FC Hakoah Zürich ein „Identitätsort“, um den habilitierten Basler Historiker Erik Petry zu zitieren. Gingen Freunde gemeinsam als Aktive hin, so spielte man bald auch regelmässig in den Reihen der „Hakoahner“. „Man rutschte halt so rein“, erinnert sich anlässlich eines „oral-history“-Projekts ein jüngerer Fussballer namens Raphael Okmian. Der ehemalige Präsident des Clubs, Ronny Bachenheimer, meinte im Jahre 2003 in einem Interview, der FC Hakoah Zürich habe gesellschaftlich gesehen eine integrierende Aufgabe und sollte Orthodoxe, Liberale, Zionisten, Säkulare, Linke und Rechte im Sportsgeist vereinen. Bereits als Kinder beziehungsweise Junioren sollte man einander näher zu kommen, zu respektieren und zu schätzen lernen.

Die jüdischen Gemeinden Zürichs waren sich nämlich damals wie heute sehr uneins. Die um 1900 eingewanderten „Ostjuden“ stiessen bei den Etablierten auf wenig Gegenliebe und wurden von den jüdischen Eliten sogar diskriminiert. Noch heute müssen sich Aktive des FC Hakoah Zürich leider antisemitische Beleidigungen gefallen lassen. Die Nachweise dafür sind allerdings dürftig, so dass man den Zürcher (Sport-)Historiker PD Dr. Michael Jucker durchaus kritisieren kann. Das „Schtetl an der Sihl“ (so die Zürcher Historikerin Dr. Karin Huber) galt als gesellschaftliche Unart.

Der FC Hakoah Zürich stand indessen sämtlichen jüdischen Gruppierungen (und auch nichtjüdischen Schweizern) offen. Sogar Atheisten hatten Zutritt, und solche gab es damals im „Roten Zürich“ recht viele. Nicht nur sportliche Aktivitäten sollten den Zusammenhalt innerhalb der jüdischen Diaspora Zürichs fördern. Der FC Hakoah veranstaltete auch Bankette oder Vereinsbälle, die gleichzeitig als Heiratsmärkte dienten, waren doch die Heiratskreise der schweizerischen Juden ansonsten eher eingeschränkt.

Bereits in der Frühphase war Hakoah Zürich also ein wichtiger Teil einer speziellen migrantischen community. Dies war allerdings kein Sonderfall, auch nicht für die Stadt Zürich, wo sich beispielsweise bereits einige Jahre früher Juventus Zurigo (YF) für die ebenso diskriminierten katholischen Italienerinnen und Italiener formiert hatte. Die Fussballer des FC Hakoah Zürich standen dabei durchaus in Konkurrenz zu den Turnerinnen und Turnern. Doch war bereits damals, in den 1920erJahren, Fussball viel populärer bei den Zuschauerinnen und Zuschauern als der militärisch angehauchte und von Kraftmeierei lebende Turnsport. Die Popularität des runden Balls sollte ab 1930 (Weltmeisterschaften, Mitropa-Cup) noch zunehmen. Radio-Livereportagen mit Reporter Hans Suter machten das Ballspiel zusätzlich attraktiv.

Mit dem Aufkommen des Austrofaschismus im Jahre 1934 verstärkte sich die jüdische Emigration in die einigermassen friedliche Schweiz. Unter den zahlreichen Migrantinnen und Migranten befanden sich grosse Sportlernamen wie Isidor „Dori“ Kürschner, der in der Schweiz sehr erfolgreich als Trainer wirkte. Solche fussballerischen Topshots zu verpflichten, konnte und wollte sich der FC Hakoah Zürich nicht leisten, erhielt aber doch Verstärkung durch einige begabte österreichische und ungarische Spieler. Später, ab 1933 und verstärkt ab 1938 („Reichskristallnacht“), traten neue, deutsche Juden zum ausländischen Kontingent hinzu. Wem indessen die Einreise verweigert wurde, den erwartete in der Regel ein schlimmes Schicksal.