404: Not Found Kafkas Fernweh Zum 100. Todestag David - Jüdische Kulturzeitschrift

Ausgabe

Kafkas Fernweh Zum 100. Todestag

Stephan Templ

 „Prag lässt nicht los. Dieses Mütterchen hat Krallen“ ist ein wohlbekannter Ausspruch 

Franz Kafkas. Abgesehen von ein paar Reisen und seinem kurzem Aufenthalt in Berlin hat er den innersten Bezirk Prags fast nie verlassen: 

das Haus „­Minuta“, Volksschule und Gymnasium, die verschiedenen Geschäftslokale des Vaters, die Universität, die Wohnungen in der Zeltnergasse und Niklasstrasse, das Oppelthaus, die Unfall-Versicherungs­anstalt – all diese Orte liegen kaum
mehr als hundert Meter von einander
entfernt. 

Inhalt

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Franz Kafka vor dem Oppelt-Haus in Prag, ca. 1922. Foto: unbekannt, Klaus Wagenbach Archiv, Berlin. Quelle: Wikimedia commons, gemeinfrei: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Photograph_of_Franz_Kafka_1.jpg?uselang=de

Franz Kafka (1883–1924) träumte jedoch von der Ferne. Franz, frisch promoviert, schrieb seinem Freund Max Brod:
     „Die Hoffnung, selbst auf den Sesseln sehr entfernter Länder einmal zu sitzen, aus den Bureaufenstern Zuckerrohrfelder oder mohammedanische Friedhöfe zu sehen“. 

 

Ein kleines Bändchen, vom Germanisten Anthony Northey mit dem Titel Kafkas Mischpoche 1988 bei Klaus Wagenbach erschienen, geht diesem Fernweh Kafkas nach und zeigt auf, wie sehr sich Kafka mit der Neuen Welt, genauso wie mit Afrika und China auseinandersetzte. Für den Roman Amerika oder die Erzählungen Beim Bau der Chinesischen Mauer, den Bericht für die Akademie oder Die kaiserliche Botschaft, bis hin zum Fragment der Kaldabahn dienten ihm authentische Berichte seiner Verwandten als Vorlage: Sein Cousin Otto Kafka riss als 16-Jähriger so wie die Romanfigur Karl Rossmann in Amerika nach New York aus und arbeitete sich als self-made man hinauf. Er war sehr erfolgreich, ganz im Gegensatz zu Kafkas Romanhelden. 

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Alfred Löwy und Franz Kafka, ca. 1905/06. Foto: unbekannt. Quelle: https://pepeperezarco.blogspot.com/2017/10/un-hombre-del-ferrocarril-y-3.html

Alfred Löwy wiederum, der Bruder von Franz Kafkas Mutter, machte eine steile Karriere als Manager, er brachte es zum Direktor einer spanischen Eisenbahngesellschaft. Sein Weg führte über Pariser Bankierskreise dorthin, berichtet wird auch über ein Treffen mit dem späteren Präsidenten Theodore Roosevelt

 

 

Der andere Bruder der Mutter, Josef Löwy, war waghalsig; er war in den Bau des Panamakanals genauso eingebunden wie beim Bau der Bahn in Belgisch-Kongo oder einer Eisenbahnlinie durch China. All ihre Berichte flossen in das Werk Kafkas ein. 

 

Es war Northeys Verdienst, den Schriftsteller aus den Krallen Prags zu befreien, die Darstellung widerlegend, dass er seine Inspiration stets aus dem Prager „Ghetto“ bezogen habe. Freilich offenbarte sich Kafka bei seinen vielen Dienstreisen als Referent der Arbeiter-Unfallversicherung für Arbeitsschutzmassnahmen in die grossen nordböhmischen Fabriksanlagen sein eigentliches Grundthema: die Entfremdung des Menschen im technischen Zeitalter. 

 

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Franz Kafka im Alter von 16 Jahren, 1899. Foto: unbekannt, Klaus Wagenbach Archiv, Berlin. Quelle: Wikimedia commons, gemeinfrei:
https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Kafka-as-pupil2.jpg?uselang=de

Nachlese

Anthony Northey, Kafkas Mischpoche.

Berlin Klaus Wagenbach Verlag 1988.

96 Seiten, Euro 11,00.-

ISBN 978-3-8031-5106-3

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