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Der Weg der Familie Hofmannsthal führte aus den prekären Verhältnissen der böhmischen Juden Maria Theresias über die k.k. Seidenfabrikation des beginnenden Industriezeitalters bis zur Faillite im Börsenkrach 1873. Hugo von Hofmannsthal, Urenkel des Dynastiegründers Isak Löw Hofmann von Hofmannsthal, schwang sich aus dem Zwiespalt der jüdischen und der christlichen Konfession auf den Parnass des österreichischen Kulturbetriebs. Wahrgenommen wird er seither als Autor des jährlich vor dem Salzburger Dom gegebenen Festspiel-„Jedermann“, was den Blick auf die komplexe Persönlichkeit des Autors verstellt.
Das Theatermuseum in Wien widmet eine gelungene Jubiläumsausstellung Hugo von Hofmannsthal (1874–1929) und seinen Rauminszenierungen – privat wie beruflich, in Theater, Oper und Film. Frappante Ähnlichkeiten zwischen seiner Wohnung in der Stallburggasse 2 und der Bühnenausstattung von Der Schwierige werden hier eindrucksvoll vorgeführt.
Die Zweizimmerwohnung wurde nach dem Tod des Vaters als pied à terre in der Stadt angeschafft, im Bräunerhof, einem Wohnblock im Secessions-Stil von 1910, der heute noch, nebst Antiquitätenläden, das ikonische Café beherbergt. Die Innenausstattung besorgte für Hofmannsthal der vielfältig talentierte Architekt Oskar Strnad (1879–1935), der in der Folge auch Theater-1, später Opernproduktionen in Salzburg2 für ihn und Max Reinhardt (1873–1943 New York) gestaltete. Die Wohnung, bequemer gelegen als das Schlössl in Rodaun, diente dem Empfang von Besuchern wie der Teilnahme am gesellschaftlichen Leben Wiens.
Porträt August Emil Hofmann Edler von Hofmannsthal in jungen Jahren, unbekannter Künstler, Freies Deutsches Hochstift/Frankfurter Goethe-Museum © Leihgabe aus dem Von Hofmannsthal Estate, Foto: David Hall.
Interessanter noch als die theatervorhangartigen Draperien aus grauer Moiréseide an den Wänden des Empfangsraumes sind die dort präsentierten Gegenstände. Vor allem jene Stücke, die aus dem väterlichen Erbe herrührten, erlauben einen ungewohnten Blick auf das Selbstverständnis des Autors und seine Vorstellung, was er dort einer handverlesenen Öffentlichkeit von sich zeigen wollte. Einander gegenüber hängte er zwei Familienportraits: das eine, über dem von Strnad entworfenen, kunstvollen Schreib-/Büchermöbel, stellt seinen Grossvater August (1815–1881) dar, während jenem gegenüber, im Rücken des Schreibenden, der Stammvater der Dynastie, Isak Löw (1759–1849) ordnend den Raum überblickt. Zwischen dem Waisenkind, Seidenindustrie-Pionier und Gründungsvater der Israelitischen Kultusgemeinde Wien und dem weltoffenen, aufklärungsbewegten Fabrikantensohn samt katholischem Ehebündnis steht der Dichter. Mit Gertrude Schlesinger (1880–1959 Oxford) hat er in Intellektuellenzirkel, zugleich in die Industriellenfamilie Kuffner und quasi zurück ins Judentum eingeheiratet.3 Während er als Bühnenautor gerade mit Kardinalthemen des Katholizismus reüssierte, schuf er in seiner elaborierten Korrespondenz eine neu-
trale, präzise Zeitchronik voll sprachlicher Brillanz.
Plan für Hofmannsthals Salon in der Stallburggasse 2, Entwurf: Oskar Strnad, 1916, Freies Deutsches Hochstift/Frankfurter Goethe-Museum, Nachlass Hofmannsthal, mit freundlicher Genehmigung: Theatermuseum Wien.
Viel ist geschrieben worden über Hofmannsthals schwieriges Verhältnis zum Judentum angesichts des massiv zunehmenden Antisemitismus, während er als katholischer Autor konsequent seine Karriere verfolgte. Sein Handlungsspielraum war in der Hinsicht gering.4 Es ist kein Zufall, dass 1942, nachdem Gerty von Hofmannsthal vor der NS-Verfolgung hatte fliehen müssen, die regimetreue Blut- und Boden-Dichterin Maria Grengg das Rodauner Schlössl bezog – ebenso wie den Stadtsalon übrigens.
In der Intimität des Bräunerhofs hatte der Star-Autor Hofmannsthal, anders als sonst den zur Schau gestellten christlichen Habitus, den jüdischen Aspekt seiner Identität als Rückhalt für Schaffen und Werk zelebriert.
Nachlese
Ulrich Weinzierl:
Hofmannsthal.
Skizzen zu seinem Bild.
Wien Zsolnay Verlag 2005.
Hardcover, 320 Seiten, Euro 22,10.-
ISBN 978-3-552-05340-3
Elsbeth Dangel-Pelloquin/Alexander Honold:
Hugo von Hofmannsthal. Grenzenlose Verwandlung.
Biographie.
Frankfurt am Main S. Fischer Verlag 2024.
Hardcover, 928 Seiten, Euro 58,00.-
ISBN 978-3-10-397553-6
Ausstellung Theatermuseum:
Staging Hofmannsthal – Hofmannsthal inszenieren. 31. Jänner bis 19. August 2024. https://www.theatermuseum.at/vor-dem-vorhang/ausstellungen/staging-hofmannsthal/
Anmerkungen
1 Der Schwierige, Theater in der Josefstadt, Regie: Max Reinhardt, 1924.
2 Richard Strauss, Ariadne auf Naxos (Libretto: Hugo von Hofmannsthal, Regie: Max Reinhardt), Salzburger Festspiele, 1926.
3 Gertrude von Hofmannsthals Mutter Fanny Schlesinger (1851–1932) war eine geborene Kuffner, die Schwägerin ihres Ehemannes war die erste weibliche Abgeordnete im österreichischen Nationalrat, Therese Schlesinger geb. Eckstein (1863–1940 Blois); vgl. Stephan Templ, Der „Berghof“ des Komponisten Ignaz Brüll. In: DAVID 131, Chanukka 5782/Dezember 2021, S. 34f.
4 Isak Löw Hofmann von Hofmannsthal und seine Frau Therese geb. Schefteles (1773–1850) wurden an prominenter Stelle in der religiös-konservativen Gräbergruppe 5, Reihe 4, Grab 1 auf dem jüdischen Friedhof Währing in Wien bestattet; vgl. dazu Tina Walzer, Jung, aktiv, traditionsbewusst – Die Architekten der IKG Wien. In: WINA Nr. 4 Jg. 4 (2014), Ijar 5774/Mai 2014, S. 36f., link: https://www.wina-magazin.at/jung-aktiv-traditionsbewusst-architekten-ikg-wien/. Ihre Gräber wurden während der NS-Zeit auf Veranlassung der IKG Wien zum Zentralfriedhof Tor IV, in das Notgrab 14a-14-13 umgebettet, um die Gebeine vor „rassekundlichen Untersuchungen“ der anthropologischen Abteilung des Naturhistorischen Museums Wien in Sicherheit zu bringen. Ihr Grabmonument im klassizistischen Stil wurde dabei zerstört; vgl. Tina Walzer, Der jüdische Friedhof Währing in Wien. Historische Entwicklung, Zerstörungen der NS-Zeit, Status quo. Wien Böhlau Verlag 2011, S. 61ff. sowie S.140. Nachkommen des Familienclans im Verein JEA – Jüdisches Erbe Austria haben das Grabdenkmal durch den Restaurator Mag. Klaus Wedenig 2018 anhand historischer Bilddokumente und Archivalien rekonstruieren lassen.