Ausgabe

Zum 100. Geburtstag Robert Frank s.A. (1924–2019)

Michael Bittner

Nicht alle werden 175 Jahre alt wie Abraham – Robert Frank wurde immerhin 95 Jahre. Aber das Werk, welches er hinterlassen hat, wird noch viele Jahrzehnte lang präsent sein, solange sich die Grafik- und Videoformate der Computer nicht so grundlegend ändern, dass man unsere ganze digitale Welt nicht mehr sehen wird können. Frank ist ein Stück Popkultur in der Nische „Fotografie“ – wie Andy Warhol in der Bildenden Kunst oder die Rolling Stones in der Popmusik.

Inhalt

Robert Frank, in Frankfurt geboren (!), deutscher Vater, schweizerische Mutter, erst 1945 Schweizer Staatsbürger geworden, war gelernter Fotograf und nebenbei Filmemacher. 1947 wanderte er in die U.S.A. aus, wo er das Glück hatte, dass er bei Harper's Bazaar als Fotograf arbeiten konnte. Sein Vorbild war damals Henri Cartier-Bresson, dessen Leica-Fotografie er später aber geringschätzte: zu wenig Konzentration auf den richtigen Augenblick, zu oberflächlich, konstatierte er. Einer der wichtigsten Fotografen der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts sei Frank gewesen, sagt man heute.[1]

 

In den U.S.A. arbeitete er für mehrere Magazine wie Life, Fortune oder Vogue, für deren Aufträge er Reisen unternahm, die ihn in ferne Länder führten. Frank lernte dabei prominente Fotografen kennen, wie Walker Evans oder den berühmten Edward Steichen; mit Letzterem stellte er später Ausstellungen für das Museum of Modern Art in New York zusammen.[2]

 

Fotografie, zumindest jene in Schwarz-Weiss, galt damals schon als Kunst und Frank fühlte sich offenbar als Künstler, obwohl er noch das „Handwerk“ gelernt hatte, gegen den Willen seiner Eltern. Für sein Buchprojekt The Americans von 1958 schoss er 28.000 Aufnahmen, von denen er 83 auswählte. Die Idee war nicht neu, die Roosevelt-Administration hatte schon ab 1935 Fotografen wie Walker Evans[3] durch die U.S.A. geschickt, um zu dokumentieren, wie miserabel es den Amerikanern in der Wirtschaftskrise ging, doch Frank ging aus eigenem Antrieb auf Tour. Das Ergebnis, in einem französischen Verlag erschienen, ist ein zeitloses Kunstwerk[4] und doch ein Zeitdokument.[5]

 

Das Vorwort zu diesem Werk verfasste Jack Kerouac, Poet der frühen Hippie-Bewegung, deren Welt hauptsächlich auf Drogen gebaut war. Frank schloss sich der Szene an und arbeitete seither im Milieu der Beat-Generation, vor allem für die Rolling Stones, für die sein erstes pornografisches Filmchen entstand.[6] Weitere, weniger anstössige Streifen folgten.[7] Ab 1972 fotografierte Frank dann wieder. Allerdings blieb er dem Stil der Fünfziger Jahre verhaftet, seine Schwarz-Weiss-Aufnahmen wirkten schon damals altmodisch, neue Strömungen, wie sie William Eggleston oder Steven Shore inaugurierten, blieben ihm fremd.

 

Da hatte er sein halbes Leben noch vor sich, grosse Werke entstanden aber nicht mehr, zeitweise lebte er in Nova Scotia (ähnlich wie Oswald Wiener), dann wieder in New York. In den 2000er Jahren wurde Frank mit seiner „snapshot aesthetic“ wiederentdeckt[8], es gab viele Ausstellungen (in der Albertina 2018[9]) und Preise, auch in seiner Nicht-Heimat, der Schweiz. Im Alter wurde er zu einem Denkmal für das frühe Pop-Zeitalter, sein Name war verbunden mit wichtigen Persönlichkeiten von damals wie Kerouac oder Alan Ginsberg.

 

 Das Judentum spielte in seinem Werk kaum eine Rolle[10], weder Israel noch die jüdische Kultur, noch die Religion, noch die Shoah, der er durch den Aufenthalt seiner Familie in der Schweiz entkommen war. Vielleicht der jüdische Hang zur Ironie? Was ein gutes Foto ausmache, fragt man ihn im Film Don't Blink:

Es müsse scharf sein, dass man alles gut erkennen könne, und die Menschen sollten freundlich in die Kamera lächeln.[11]

 

Sein Leben endete am 9. September 2019 in Inverness, Kanada[12].

 

Sein Andenken sei im Leben der zukünftigen Welt.[13]

 

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https://www.britannica.com/biography/Robert-Frank#/media/1/217191/242113

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https://iphf.org/wp-content/uploads/2016/08/Robert-Frank-660x861.jpg

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Fair use, https://en.wikipedia.org/w/index.php?curid=1075548

 

[3]    James Agee, Walker Evans: Preisen will ich die grossen Männer. Drei Pächterfamilien. Aus dem Amerikanischen übertragen und         durchgesehen von Karin Graf. Die Andere Bibliothek, Berlin 2013

[4]experimental American classic like „Moby Dick“ or „Citizen Kane“ https://www.nytimes.com/2015/07/05/magazine/robert-franks-america.html?_r=0 abgerufen 06.05.2024

[8]Eine grosse Auswahl erschien beim deutschen Verlag Steidl, https://steidl.de/Kuenstler/Robert-Frank-0326354149.html  abgerufen 05.02.2024 vgl. Ausstellung in der Tate Gallery London 2015 https://www.theguardian.com/artanddesign/2004/oct/24/photography abgerufen 06.02.2024

[10]Ausnahme vielleicht der Buchtitel „Löwe von Juda“ aus Genesis 49, 9 https://steidl.de/Books/Leon-of-Juda-1126454950.html, könnte sich aber auf Haile Selassie beziehen, abgerufen 06.02.2024

[13]talmud.de