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Das Traktormuseum von Ein Vered Mitten in Israel schrauben 64 Senioren an Schlepper-Oldtimern

Rudolf Stumberger

Ein Vered ist ein kleiner Ort mit rund 1.500 Einwohnern, 35 Kilometer nördlich der israelischen Grossstadt Tel Aviv.

Inhalt

Zwar weiss das Navi, dass es in Ein Vered ein Traktormuseum gibt, aber wirklich hinfinden tut es nicht. Also Stopp am örtlichen Supermarkt und (auf Englisch) nachgefragt. Und tatsächlich, eine ältere Dame gibt Auskunft: „Also, die Strasse links hinunter, dann am Kreisverkehr rechts und dann gerade aus.“ Gesagt, getan, und schliesslich finden wir uns auf einer Staubpiste wieder, vor uns ein geschlossener Schranken. Und irgendwo dahinter ist schon ein Traktor zu sehen, rechts reifen Orangen auf einer Plantage in der Sonne.

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Als ich das langgezogene Gebäude betrete – eine ehemalige Hühnerfarm –, stosse ich auf Abraham Nantel. Er ist einer der Chefs des Vereins, der hier an die 200 alte Traktoren ausgestellt hat. Er bietet mir zunächst einen Becher kühlen Wassers an, was bei einer Temperatur von 35 Grad gerne genommen wird. „Schau Dich einfach einmal um, dann reden wir“, empfiehlt der 70-Jährige. Genau das mache ich.

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Die Schlepper-Sammlung, die hier ausgestellt ist, kann man auch als eine Art Geschichte des Landes Israel ansehen. Da ist gleich am Anfang des Rundgangs ein roter Massey Harris Pony aus Canada zu sehen, Baujahr 1948. Der Pony war für die riesigen amerikanischen Felder etwas zu klein und wurde vor allem in Europa verkauft. Und 1948 ist das Jahr, in dem der Staat Israel gegründet wurde. Die weitere Geschichte dieses Landes ist quasi untrennbar mit den Traktoren verbunden, mit deren Hilfe das Land fruchtbar gemacht wurde. Und die Schleppersammlung zeigt auch die Beziehung des Staates Israel zu anderen Ländern.

Zum Beispiel zu Deutschland.

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Durch das Luxemburger Abkommen flossen ab 1953 an die drei Milliarden D-Mark als Entschädigung für die Verbrechen der Nationalsozialisten an Israel – teilweise in Form von Industrieprodukten. So finden sich im Museum von Ein Vered auch etliche Schlepper deutscher Herkunft. Da ist zum Beispiel ein Lanz Bulldog von 1937. Er stammt wohl noch von deutschstämmigen Siedlern in Palästina, die nach Ausbruch des Zweiten Weltkrieges von den Engländern nach Australien deportiert wurden. Gefunden wurde der Traktor laut Beschreibung des Museums 1948 in einer verlassenen Garage auf einem Bauernhof.  Auch ein hellblau lackierter MAN Ackerdiesel von 1953 findet sich in der Sammlung.  

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Ansonsten sind hier im Museum von Ein Vered Traktoren aus allen möglichen Ländern zu bewundern.  Aus den U.S.A. etwa ein John Deer B von 1947, das meistgebaute Traktormodell dieses Herstellers. Aus Italien findet sich ein verbeulter Fiat 415 mit dem Baujahr 1962 und ein Frutteto von 1956. Aus England wiederum stammt die Bristol-Raupe von 1938. In Schweden hergestellt wurde der rote Volvo C22f, ein Kleintraktor von 1949. Aus Frankreich kam ein Energic 525, Modell 1954. Auch eher seltene Stücke sind vertreten. So ein polnisches Ursus C 45 -Ungetüm von 1951, ein lizenzloser Lanz-Nachbau. Und auch ein UTB 650 aus rumänischer Produktion ist vertreten, der Schlepper wurde ab den 1960er Jahren produziert.

Zu guter Letzt sind auch ein paar Traktoren aus israelischer Produktion zu sehen. Zum Beispiel ein Zaatut 9 von 1951 oder sein Nachfolger, der Zaatut 10.  Seine Grösse entspricht dem Namen: Knirps. Ansonsten ist wenig über diese Marke zu erfahren.

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Nach dem Rundgang dann das Gespräch mit Abraham Nantel. Der Rechtsanwalt im Ruhestand sitzt im klimatisierten Büro und erzählt: 64 Mitglieder habe der Verein, die meisten sind über 70 Jahre alt. Man ist stolz darauf, dass die rund 200 Schlepper in der Sammlung fast alle betriebsbereit ist. Drei bis vier Tage in der Woche basteln und schrauben die Senioren an den Oldtimern herum und bringen sie in Schuss. Der Zweck des Museums? „Die junge Generation soll anhand der Sammlung die Geschichte des Landes erfahren“, sagt Abraham Nantel. Und er erwähnt noch, dass das Museum über eine der grössten Sammlung an Traktor-Katalogen und Gebrauchsanleitungen verfügt: „Das findest Du alles nicht im Internet.“

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Beim Abschied sehe ich mir noch einmal einen kleinen Traktor an, der mir schon vorher aufgefallen ist. Laut der Informationstafel stammt er aus deutscher Produktion, wurde 1947 gebaut und trägt den – für diese Jahreszahl doch etwas eigenartigen – Namen „Panzer“. Es ist offensichtlich ein Gartentraktor. Und hier hat Abraham Nantel recht: Gar nichts finde ich darüber im Internet.      

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Informationen

Lev Hasharon Museum for Annals of the Tractor and Agricultural Mechanization

Ein Vered, Israel

Öffnungszeiten: täglich ausser Mittwoch, 8.30 Uhr bis 13.00 Uhr

https://www.tractor.org.il

 

Alle Abbildungen: R. Stumberger, mit freundlicher Genehmigung.