Ausgabe

100 und zwei Jahre alt Peter Demetz s.A.

Stephan Templ

Eine Jahrhundertfigur nannte die Frankfurter Allgemeine Zeitung  Peter Demetz, als er im102. Lebensjahr diesen April starb. 

Inhalt

1922 in Prag als Sohn eines aus Südtirol stammenden Theatermannes und einer jüdisch-tschechischen Mutter geboren, überlebte Peter Demetz als „Mischling” ein Zwangsarbeitslager ausserhalb der Hauptstadt und dissertierte über Franz Kafka an der Karlsuniversität, bevor er 1949 durch den Böhmerwald der kommunistischen Tschechoslowakei entkam. 

 

Für eine literaturwissenschaftliche Karriere im Westen war gesorgt: Dank der Theatertätigkeit seines Vaters verkehrte er in Kreisen der letzten Repräsentanten der Prager deutschen wie auch in jenen der modernen tschechischen Literatur – Demetz war absolut zweisprachig. Nach anfänglichen eigenen lyrischen Werken (tschechisch und deutsch) promovierte Demetz ein zweites Mal, diesmal an der amerikanischen Yale Universität, wo er dann für lange Zeit den Lehrstuhl für vergleichende Literaturwissenschaft innehaben sollte. Einem europäischen Publikum wurde Demetz vor allem als Teilnehmer am Literarischen Quartett von Marcel Reich-Ranicki bekannt, in den 1990er Jahren war er zudem Juryvorsitzender des Ingeborg-Bachmann-Preises.


Nach dem Fall des Eisernen Vorhanges konnte er nach vierzig Jahren wieder ins heimatliche Prag reisen, das ihn auch nicht mehr loslassen sollte. Unzählige Studien, meist interdisziplinäre, verfasste er zum deutsch-tschechisch-jüdischen Verhältnis im 19. und 20. Jahrhundert und erinnerte an die schwierigen Anfangszeiten der „Assimilation”, dargestellt etwa am Beispiel des Dichters und Arztes Siegfried Kapper. Geboren im Prager Vorort Smichov und nach Absolvierung deutschsprachiger Schulen publizierte er auf Tschechisch – um sich dann von der „Literaturelite” eines Karel Havlicek anhören zu können, dass Engländer oder Spanier vielleicht Tschechen werden könnten, keinesfalls aber Juden, denn nur weil sie „zufällig bei uns wohnen und gelegentlich unsere Sprache verstehen und sprechen”, befähige sie das nicht, Tschechen zu werden.

Demetz kehrte in seine „Heimat” nicht zurück; er blieb in den U.S.A., von wo aus er die wohl bedeutendste neuere Geschichte Prags schrieb, Prague In Black And Gold – eines seiner Hauptwerke. Nach dem Hildesheimer Guy Stern, den Wienern Egon Schwarz, Peter Heller und Heinz Politzer sowie dem Prager Josef Peter Stern war Demetz der letzte Emigrant unter jenen Germanisten, die an englischsprachigen Hochschulen unterrichteten.