Ausgabe

Ich habe nie aufgehört, von meiner Schwester, Von Vater und Mutter zu träumen Zum 5. Todestag von Moshe Jahoda, s. a.

Monika Kaczek

Inhalt

Am 30. November 2021 hätte der in Wien geborene Diplomat Moshe Jahoda seinen 95. Geburtstag gefeiert. Im Jahre 1939 gelang dem 13-Jährigen die Flucht mit einem Kindertransport in einen Kibbuz ins damalige Palästina, wo er bis zu seinem Tod lebte.

Moshe Hans Jahoda wurde am 30. November 1926 in der Geibelgasse 13 (XV. Wiener Gemeindebezirk) als Sohn von Hermine und Robert Jahoda geboren, die eine Druckerei in der Schottenfeldgasse (VII. Wiener Gemeindebezirk) betrieben. Die Gegend, in der er aufwuchs – den Turnertempel, die Herklotzgasse, die Storchenschul 1 – bezeichnete Moshe Jahoda als Dreieck meiner Kindheit. In seinem Heimatbezirk erlebte er das Novemberpogrom 1938 hautnah: 
„Am Tag nach der Kristallnacht bin ich fast neben unserem Tempel in der Turnergasse gestanden und hab gesehen, alles verbrennt. (…) Keiner von den Erwachsenen, die vorbeigegangen sind, hat mich gefragt: ,Du kleiner Junge, warum weinst du da?‘ Ich hätte es ihnen gern erklärt, aber keiner hat gefragt.“ 2

 

1939 konnte Moshe Jahoda als 13-Jähriger mit einem Kindertransport nach Palästina fliehen. Seine Eltern und seine jüngere Schwester Gertrude (geboren 1931) blieben in Wien. Sie mussten ihre Wohnung verlassen und in den IX. Bezirk übersiedeln. Alle drei wurden am 24. September 1942 ins Ghetto Theresienstadt transportiert. Am 23. Jänner 1943 wurden Mutter, Vater und Tochter ins Konzentrationslager 
Auschwitz deportiert, wo sie ermordet wurden.
In Palästina wurde Moshe Jahoda von der Kinder- und Jugend-Alijah betreut, zunächst in Jerusalem und dann im Kibbuz En Gev, der südlich der Golanhöhen lag, wo Jahoda bis 1948 blieb. Noch vor der Staatsgründung Israels diente er als Offizier der Untergrundarmee Haganah und nahm an weiteren Kriegen teil. Ab 1953 folgte eine zivile Karriere, unter anderem als Vizegeneraldirektor im Landwirtschaftsministerium, als Botschaftsrat, sowie als Generaldirektor der Wohlfahrtsorganisation Mishan. 1990 wurde Jahoda zum ersten Direktor des American Joint (A.J.D.C.) in Ungarn bestellt und später übernahm er zusätzlich die A.J.D.C.-Leitung in Bulgarien und in der Slowakei. Im Herbst 1997 wurde er zum Associate Executive Vice President der Claims Conference in New York bestellt, dessen Wiener Büro er ab Februar 1999 leitete. Er war Kuratoriumsmitglied des Österreichischen Zukunftsfonds, sowie Ehrenkurator des Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus. In seinem Heimatbezirk Rudolfsheim-Fünfhaus war er massgeblich an der Errichtung eines Mahnmals für den niedergebrannten Turnertempel beteiligt und gab für das Projekt Herklotzgasse 213 ausführliche Interviews: 
„Ich habe nie aufgehört, von meiner Schwester, Vater und Mutter zu träumen. Eines Tages, nach Kriegsende, habe ich einen Brief aus der Herklotzgasse 13 bekommen, von einer lieben Nachbarin, Frau Hauser. Die hat mir geschrieben: Hansi, habe keine Illusionen, wenn deine Eltern und Gerti am Leben wären, hätten sie sich sofort mit mir verbunden. Sie sind nicht mehr am Leben.“4

Moshe Jahoda starb am 19. Oktober 2016 in Israel. Er hinterlässt drei Kinder und sieben Enkel. 

1 https://hkg21.arbeitplus.at/raeume/ (aufgerufen: 01.07.2021)
2 Anne-Catherine Simon: Moshe Jahoda: „Träume fast jede Nacht von den Eltern“, Die Presse, 30. November 2012;
https://www.diepresse.com/1319001/moshe-jahoda-traume-fast-jede-nacht-von-den-eltern (aufgerufen: 01.07.2021)
3 https://hkg21.arbeitplus.at/
4 Petra Stuiber: Anschluss-Erinnerungen: „Ich habe kein Verzeihen in meiner Seele“, Der Standard, 17. März 2013