Ausgabe

Als der Krieg zur Normalität wurde

Alexander Verdnik

Mit dem deutschen Angriff auf Polen begannen auch für viele Lavanttaler lange und entbehrliche Einsätze an den Fronten des Zweiten Weltkrieges. Um den Kontakt zu ihren Männern aufrechtzuerhalten und sie bei Stimmung zu halten, schufen die Wolfsberger die Zeitschrift Der Heimatgruss.
 

Inhalt

Mehr als ein Gruss
Der Untertitel Mitteilungen der Kreisleitung Wolfsberg an die Soldaten bringt auf den Punkt, um was es sich bei dem Blatt handelte. Neben der Bezirks-, damals Kreishauptstadt, erhielten alle Lavanttaler Gemeinden die Möglichkeit, den Soldaten Neuigkeiten aus der Heimat mitzuteilen. Der Heimatgruss erschien von Juni 1940 bis November 1944 und ging postalisch an die Soldaten im Felde. Mit Ausnahme der Monate Juni und August 1940, in denen die Zeitschrift in zwei Ausgaben erschien, handelte es sich um eine Monatszeitschrift. Beschränkten sich die ersten Ausgaben noch auf eine Anzahl von vier Seiten, so steigerte sich die Seitenanzahl in Folge sukzessive, sodass die späteren Ausgaben über 12 bis 14 Seiten verfügten. Als die „totalen Kriegsmassnahmen“ auch das Papier rationierten, verringerte sich auch die Seitenzahl der Soldatenzeitschrift.  Über eine einheitliche Seitenanzahl verfügte der Heimatgruss eben so wenig wie über ein immer gleichbleibendes Layout. Im Juni 1941 wechselten die Herausgeber von Fraktur (mit Ausnahme der Überschriften) auf Druckschrift. Diese Entscheidung lag einer reichsweit wirksamen Änderungsbestimmung Hitlers zu Grunde, welche der Druckschrift gegenüber der Kurrent- und der Frakturschrift den Vorzug einräumen sollten.

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Die zum Krieg Verführten...
 

Neben Nachrichten aus den Ortsgruppen finden sich in dem Soldatenblatt die Ankündigungen von Geburten, Sterbefällen, Vermählungen, abgedruckte Briefe, Beiträge von Externen sowie Grussbotschaften und Berichte der Soldaten an die Heimat. Die Fronterlebnisse und Berichte verschiedenster Art, die in der Heimatgruss-Redaktion eingegangen waren, sollten ursprünglich den kommenden Generationen „Zeugnis ablegen, vom siegreichsten Entscheidungskampf, den das deutsche Volk unter der Führung des grössten Feldherrn aller Zeiten, Adolf Hitler, tapfer und beispielgebend ohnegleichen, geführt hat“. 

In den Wirren der letzten Kriegsmonate gingen die gesammelten Aufzeichnungen jedoch verloren oder wurden vorsätzlich vernichtet. Einige blieben der Nachwelt – konserviert in der Wolfsberger Soldatenzeitschrift – erhalten. Der Historiker Florian Traussnig stiess bereits vor zwei Jahrzehnten im Dachgeschoss des Hauses Johann Offner-Strasse 8 auf Akten der ehemaligen NSDAP-Kreisleitung Wolfsberg. Darunter fanden sich auch einige wenige Feldpostbriefe, die – unter alten Ziegeln und Schutt begraben – erhalten geblieben waren. Als Stimmungsbarometer funktionierte der Heimatgruss nur so lange, wie die deutsche Wehrmacht erfolgreich war. Nachdem sich der Kriegsverlauf zu Gunsten der Alliierten gewendet hatte, kolportierte auch die Wolfsberger Soldatenzeitung – gleich wie alle anderen Medien im „Dritten Reich“ – die Lügenpropaganda der NS-Führung.   

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...in Uniform...
 

Alltagsgeschichten
Dass der Heimatgruss neben dem Informationsaustausch auch der Aufheiterung, der oft lange Zeit an der Front stehenden Soldaten dienen sollte, stellen die humoristischen Texte des Blattes unter Beweis. Besonders die Berichterstatterin aus Lading, die unter dem Pseudonym s’Dindli und ausnahmslos im Lavanttaler Dialekt schrieb, war stets darum bemüht, ihre Texte, wo es angesichts des Krieges möglich war, in ein humoristisches Gewand zu 
packen. So konnten die Soldaten darin über Liebesgeschichten und Dorfstreitereien genauso lesen wie über die Obsternte und die oft stark rationierte Lebensmittelausgabe. Dort wurden kriegsbedingt Gasthäuser geschlossen, woanders musste ein Geschäft dichtmachen. Spätestens ab 1941 wurden Sammelaktionen aller Art fixer Bestandteil des Alltags. Hitler war davon überzeugt gewesen, dass er Sowjetrussland binnen kurzer Zeit überrennen werde können, daher war an die Soldaten keine Winterbekleidung ausgeteilt worden. Dies stellte ein massives Problem dar und die Lavanttalerinnen mobilisierten daher alle Kräfte, um ihren Männern wärmende Kleider an die Front schicken zu können. Wie selbstverständlich gingen die Berichte in der Soldatenzeitschrift aber auch mit der Ideologie der Nationalsozialisten schwanger. Hier wurden „Arbeitsscheue“, dort „Minderwertige“ an den Pranger gestellt. Daneben strotzen die Zeilen von der vermeintlichen Überlegenheit der Deutschen gegenüber den „Feindvölkern“. Unterm Strich blieb der Heimatgruss in seiner Intention das, was alle nationalsozialistischen Medien waren: ein Propagandainstrument zur Aufrechterhaltung der Stimmung an der Front. Diese war ab 1943 aufgrund des tatsächlichen Kriegsverlaufes in den Keller gesunken. Ohne Rücksicht wurde eine  weitere Generation dem unsinnigen „Opfertod für Führer und Vaterland“ preisgegeben.        

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… und auf ihrem letzten Gang.

Bis zum letzten Mann 
Gegen Kriegsende hin zeigte sich, wie verbittert die Lavanttaler am Sieg der Heimat, der durch den Einsatz der sogenannten V-Waffen (Vergeltungswaffen) errungen werden sollte, festhalten wollten. Obwohl sich die Niederlage bereits abzuzeichnen begann, heizten die Lavanttaler Berichterstatter die Soldaten im Felde mit Durchhalteparolen bis zum letzten Mann an. Diese Unbesonnenheit und Realitätsferne kostete gerade in einer Zeit, als der Krieg nicht nur Militärexperten als verloren galt, noch unzählige Menschen das Leben; unter den Opfern auch viele Lavanttaler. Sogar der sinnlose Einsatz von 16- bis 60jährigen im „Deutschen Volkssturm“, dem allerletzten Aufgebot, erschien den Berichterstattern des Heimatgrusses als gerechtfertigt.                  


Alle Fotos Privatbesitz Alexander Verdnik