Ausgabe

Stefan Zweig (1881 – 1942) Eine kleine Mischpochologie zum 140. Geburtstag

Stephan Templ

Die Zweigs sind ein weitverzweigtes Geschlecht aus dem mährischen Prossnitz (tschech. Prostějov)
 

Inhalt

Bereits im 17. Jahrhundert lebte in Prossnitz Stefans Urahn Moses Petrowitz (1680 – 1740), der sich später Zweig nannte. Nach der Proklamation der bürgerlichen Gleichstellung im Jahre 1867 zog ein Teil der Zweigs ins benachbarte Olmütz (tschech. Olomouc) – der Dramatiker Max Zweig (1892 – 1992 Jerusalem) und der Dirigent Fritz Zweig (1893 – 1984 Los Angeles) waren hier geboren. Stefans Vater, Moritz Zweig (1845 – 1926), zog es nach Wien, als er zum Industriellen aufstieg. Er hatte eine kleine Weberei im nordböhmischen Reichenberg (tschech. Liberec) gekauft und zu einer der führenden in der Monarchie gemacht. Moritz starb 1926 in Wien und wurde am Wiener Zentralfriedhof im Grab seiner Eltern beerdigt (Alte jüdische Abteilung bei Tor I, Gruppe 6, Reihe 1, Grab Nummer 11). Stefans älterer Bruder Alfred (Wien 1879 – 1977 New York) übernahm die Grossweberei.
Stefan Zweigs Mutter war als Ida Brettauer 1854 im italienischen Ancona zur Welt gekommen, wo ihr in Hohenems geborener Vater Samuel Ludwig Brettauer (1813 – 1881 Wien) ein Warenhaus leitete. Die Familie Brettauer nannte sich nach ihrem Herkunftsort, dem Baden-Württhembergischen Bretten bei Karlsruhe, wo sie noch Lämle hiess. Zirka 1770 waren die Brettauers nach Hohenems in Vorarlberg gezogen, neunzig Jahre später übersiedelte die Familie nach Wien und wohnte an der Adresse Innere Stadt, Führichgasse 6. Ida Zweig starb am 23. August 1938 im nationalsozialistischen Wien. Ihre beiden Söhne Alfred und Stefan waren bereits geflüchtet. 
Friderike Burgers (1882 Wien – 1971 Stamford, Connecticut) Familie väterlicherseits lässt sich auf das oberungarische Stomfa (dt. Stampfen), das heutige slowakische Stupava zurückführen. Ihre Mutter Therese née Feigl (1844 – 1923) stammte aus dem südböhmischen Dorf Myslkovice ganz in der Nähe des Städtchens Tučapy, woher auch die Vorfahren von Friderikes erstem Mann kamen, Felix Edler von Winternitz (1877 – 1950). 1906 heirateten sie, beide waren „stehend (als Erwachsene) getauft“ worden. 1912 lernte Friderike Winternitz dann Stefan Zweig kennen, den sie 1920 heiratete. Sie blieb der Trauung fern und wurde durch den Schriftsteller Felix Braun (1885 – 1973) vertreten; der Standesbeamte wünschte Stefan Zweig und Felix Braun viel Nachwuchs. 1917 fand Friderike das Salzburger Paschinger Schlössl für Stefan Zweig, der es auch erwerben sollte und bis 1934, bis zu einer Hausdurchsuchung durch die Austrofaschisten, bewohnte. Stefan ging nach London, wo er seine zweite Frau, Charlotte Altmann, kennenlernte. Geboren war sie 1908 in Kattowitz (heute Katowice in Polen) und flüchtete vor den Nationalsozialisten nach London, wo sie als Sekretärin für Stefan Zweig arbeitete. Mütterlicherseits kamen Charlottes Vorfahren aus dem Westen Deutschlands, was eine Parallele zu den Brettauers, den Vorfahren von Zweigs Mutter darstellt. Das Umfeld der Zweigs stammte aus (fast) allen Teilen der Monarchie: vom äussersten Westen, Hohenems, über Böhmen, Mähren und Schlesien bis nach Oberungarn. 

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Stefan Zweig (stehend) und sein Bruder Alfred in Wien, ca. 1900. Foto: Kunst Salon Pictzner, Quelle: Wikimedia commons, gemeinfrei, link: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Stefan_Zweig_1900.jpg , abgerufen am 10.08.2021