Rajmund Kolbe (Pater Maximilian Maria) wurde am 7. Jänner 1894 im polnischen Zduńska Wola bei Łódź geboren, das damals zum Generalgouvernement Warschau im Russischen Zarenreich gehörte. Rajmund war der Sohn des deutschstämmigen Textilarbeiters Juliusz Kolbe und der Hebamme Maria Kolbe geb. Dąbrowska. Rajmund wurde polnisch-patriotisch und in strenger christlicher Frömmigkeit erzogen, von den Volksmissionspredigten der Franziskaner-Minoriten war der 13-Jährige derart beeindruckt, dass er 1907 in das Seminar der Franziskaner-Konventualen in Lemberg (heute Ľviv, Ukraine) eintrat. 1910 begann er sein Noviziat und nahm den Ordensnamen „Maximilian“ an. 1912 begann er in Krakau philosophische Studien und wurde nach Rom gesandt, wo er 1912-1919 Philosophie und Theologie studierte und promovierte. 1914 feierte Maximilian unter Hinzufügung des Namens „Maria“ die ewige Profess und erhielt 1918 in Rom die Priesterweihe. Sein Vater Juliusz verstarb während des Ersten Weltkrieges.
Holzstatue des Heiligen Maximilian Maria Kolbe in Wiślica. Foto: Jakub Hałun. Quelle: Wikimedia Commons, gemeinfrei, link: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/6/68/Wislica_Kolbe_20070825_1048.jpg , abgerufen a 12.08.2021.
Ritter der unbefleckten Jungfrau im Kampf gegen die G‘ttlosigkeit
In Rom sah sich der junge Ordensmann erstmals mit kirchenfeindlichen Bestrebungen konfrontiert. So gründete er 1917 die Militia Immaculatae (Rycerz Niepokalanej, Ritter der unbefleckten Jungfrau), eine marianische Vereinigung, deren Mitglieder sich zu einem kompromisslos christlichen Leben verpflichteten. Als Kolbe 1919 nach sieben Jahren Rom in das mittlerweile unabhängige Polen zurückkehrte, wurde er zunächst als Dozent an das Priesterseminar der Franziskaner in Krakau berufen, wo er bald an Lungentuberkulose schwer erkrankte. Nach seiner Genesung brachte er 1922 in Krakau die Erstausgabe seiner Monatsschrift Rycerz Niepokalanej heraus, 1935 übernahm er auch die Redaktion des katholischen Boulevardblattes Mały Dziennik (dt. Kleines Tagblatt). 1922 verlegte er seine Aktivitäten in das Franziskanerkloster Grodno (Weissrussland), wo ein Tagesheim für lernschwache Jugendliche gegründet wurde. Die Mitgliederzahl seiner „Miliz“ stieg im ersten Jahr auf über 1.500. Ab 1927 entstand in Teresin (40 Kilometer westlich von Warschau) binnen weniger Jahre Niepokalanów, die „Stadt der unbefleckten Jungfrau“ – mit einem Kloster, einem Pressezentrum, einem Missionsseminar, Unterkünften für Konferenzen und geistliche Einkehrtage. 1930 brach Kolbe mit vier Ordensbrüdern nach Japan auf, wo er in Nagasaki eine japanische Ausgabe des Rycerz ins Leben rief, dessen Auflage sich schon nach einem Jahr auf 25.000 Exemplare belief und bald zur grössten katholischen Zeitschrift des Landes heranwuchs. Zudem eröffnete er dort das erste Priesterseminar auf japanischem Boden. Nach rastloser Tätigkeit in mehreren asiatischen Ländern kehrte Kolbe 1936 nach Polen zurück und widmete die folgenden Jahre dem Ausbau seiner Marienstadt Niepokalanów: sie erhielt eine Radiostation, einen Bahnhof und einen Flugplatz. Der Einmarsch der Deutschen Wehrmacht in Polen bereitete dem ein jähes Ende. Niepokalanów wurde am 13. September 1939 besetzt, Kolbe zusammen mit vierzig Ordensbrüdern am 19. September 1939 verhaftet, am 8. Dezember 1939 allerdings wieder auf freien Fuss gesetzt. Im Dezember 1939 fanden im Kloster Niepokalanów 1.500 jüdische Flüchtlinge aus der Region Pommerellen und dem Warthegau Aufnahme. Nicht zuletzt deshalb wurde Kolbe am 17. Februar 1941 von der Gestapo erneut verhaftet und nach schweren Misshandlungen am 28. Mai 1941 ins KZ Auschwitz deportiert. Der Häftling Nummer 16670 war zahlreichen Quälereien ausgesetzt und durch die wieder aufflackernde Lungentuberkulose geschwächt.
Martyrium in Auschwitz und Heiligsprechung
Ende Juli 1941 liess der Schutzhaftlagerführer Karl Fritzsch (1902–1945) Kolbes Block 14 auf dem Appellplatz antreten, um zehn Todeskandidaten zu selektieren, die anstelle eines Lagerflüchtlings qualvoll verhungern sollten. Als Fritzsch den polnischen Familienvater Franciszek Gajowniczek (1901–1995) auswählte, bot sich der Franziskanerpater Maximilian Kolbe an dessen Stelle an. Daraufhin verurteilte Fritzsch zehn Häftlinge inklusive Pater Maximilian zum Hungertod. Am 31. Juli 1941 wurden die zehn Todeskandidaten in den sogenannten Hungerbunker gesperrt. Von dort, so berichteten Mithäftlinge, waren in den folgenden Tagen keine Schreie zu hören, nur Gebete und geistliche Lieder. Am 14. August waren noch vier der zehn Häftlinge am Leben, unter ihnen auch Pater Maximilian. Fritzsch liess die vier mit Phenolspritzen töten, ihre Leichen im Krematorium verbrennen.
Über alle Religionsgrenzen hinweg beeindruckt an Pater Maximilian Kolbe der konsequente Einsatz für seine Ideale bis zur Hingabe des eigenen Lebens. Selbst Kritiker der katholischen Kirche bringen dem Märtyrer von Auschwitz Hochachtung entgegen. So widmete ihm Rolf Hochhuth (1931–2020) sein Schauspiel Der Stellvertreter. Mit Papst Johannes Paul II. vertiefte sich das Narrativ, Auschwitz sei durch Kolbe zum Sinnbild des Leidens des gläubigen, jedoch ewig benachteiligten polnischen Volkes geworden. Kolbe gilt längst als Nationalheld, als populäres Symbol des polnischen Volkskatholizismus, aber auch der deutsch-polnischen Verständigung. Am 17. Oktober 1971 hatte Kolbes Seligsprechung durch Papst Paul VI. stattgefunden, am 10. Oktober 1982 erfolgte seine Heiligsprechung durch Papst Johannes Paul II. Zahlreiche Gläubige aus Deutschland und Polen waren zugegen, unter ihnen Franciszek Gajowniczek, der gerettete Todeskandidat von Auschwitz.
Antisemitismus
Was unseren anerkennenden Blick auf den polnischen Heiligen zu trüben scheint, ist der besonders in Polen tradierte kirchliche Antisemitismus. Angesichts der Bedeutung des Heiligen für die polnische Nation, für Deutschland und Europa ist darauf hinzuweisen, dass Kolbe als Chefredakteur für die antisemitischen Inhalte seiner beiden Periodika verantwortlich war. In mehreren Beiträgen des Monatsmagazins Rycerz Niepokalanej wurden Juden als „Krebsgeschwür Polens“ bezeichnet, Kolbe selbst warf den Juden in einem Artikel vor, sie strebten „die Weltherrschaft“ an. Das Magazin befürwortete deshalb die Auswanderung der Juden aus Polen. Noch häufiger erschienen Beiträge antisemitischen Inhalts im Boulevardblatt Mały Dziennik. In fast jeder Ausgabe fanden sich Artikel, die vor einer „Verschwörung von Juden, Kommunisten und Freimaurern“ warnten. Der Antisemitismus der Niepokalanówer Presse war auch ökonomisch motiviert: Kolbe und seine Mitstreiter waren von einer wirtschaftlichen Rivalität zwischen Katholiken und Juden in Polen überzeugt. Man bezeichnete die Juden als „Schädlinge“, rief zum Boykott jüdischer Geschäfte auf und verharmloste zugleich den Antisemitismus im nationalsozialistischen Deutschland. Dabei folgte man weitgehend dem polnischen Mainstream der Zwischenkriegszeit. Die Aufnahme von jüdischen Flüchtlingen in Niepokalanów im Dezember 1939 verdeutlicht indes, dass angesichts konkreter Bedrohungen der Antisemitismus nicht das Handeln bestimmte. Die in katholischen Verlagen publizierten Biographien und Legenden über Pater Kolbe verschweigen dessen antisemitische publizistische Tätigkeit. Auch in Stellungnahmen der katholischen Kirche Polens zu Kolbes Leben und Werk findet sich kaum ein kritisches Wort über dessen antisemitische Tendenzen. Polens politische Rechte hingegen bedient sich freimütig an Kolbes Schriften antiliberalen und antisemitischen Inhalts. Doch selbst wenn uns Kolbes religiöser Eifer heute unangenehm berühren, sein Nationalismus, seine unreflektierte Judenfeindlichkeit abstossend auf uns wirken mag: sein Leben und sein Martyrium geben ein unauslöschliches, überzeugendes Beispiel für Nächstenliebe und Menschlichkeit.
Literatur- und Quellenhinweise (Auswahl):
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Christian Pletzing: Maximilian Kolbe. Was darf ein Heiliger? In: Hans-Henning Hahn, Robert Traba (Hrsg.): Deutsch-Polnische Erinnerungsorte, Bd. 2: Geteilt/Gemeinsam. Paderborn 2014, S. 339-350 (http://www.maximilian-kolbe-stiftung.de/de/aktivitaeten/index.shtml?navanchor=1010006).
Gianfranco Grieco: Maximilian Kolbe. Sein Leben. Echter Verlag, Würzburg: 2002.
Edmund Piszcz, R. Maximilian Kolbe. In: Peter Manns (Hrsg.), Die Heiligen. Alle Biographien zum Regionalkalender für das deutsche Sprachgebiet, Matthias-Grünewald, 4. Aufl. 1979, S. 581-584.
Maximilian Maria Kolbe (1894–1941). In: Ökumenisches Heiligenlexikon (https://www.heiligenlexikon.de/BiographienM/Maximilian_Kolbe.htm).
Maximilian Maria Kolbe (1894–1941). In: Wikipedia (https://de.wikipedia.org/wiki/Maximilian_Kolbe).
Maksymilian Maria Kolbe (1894–1941). In: Wikipedia Wolna encyklopedia (https://pl.wikipedia.org/wiki/Maksymilian_Maria_Kolbe#Wyniesienie_na_o%C5%82tarze).
Matthias Bertsch: Vor 125 Jahren geboren: Maximilian Kolbe. Der Märtyrer von Auschwitz. In: deutschlandfunkkultur.de, 07.01.2019 (https://www.deutschlandfunkkultur.de/vor-125-jahren-geboren-maximilian-kolbe-der-maertyrer-von.932.de.html?dram:article_id=437618).
Pater Maximilian Kolbe vor 125 Jahren geboren. Märtyrer für die deutsch-polnische Versöhnung. In: domradio.de, 07.01.2019 (https://www.domradio.de/themen/kirche-und-politik/2019-01-07/pater-maximilian-kolbe-vor-125-jahren-geboren).
Zmarł o. Maksymilian Kolbe (https://muzhp.pl/pl/e/1991/zmarl-o-maksymilian-kolbe)
Heiliger Maximilian Kolbe. In: St. Maximilian. Katholische Kirchengemeinde Köln-Porz (https://st-maximilian-kolbe.de/heiliger-maximilian-kolbe/).
77 lat temu Niemcy aresztowali o. Maksymiliana Kolbego. Publikacja: 16.02.2018, aktualizacja: 07.01.2019, (https://dzieje.pl/aktualnosci/77-lat-temu-niemcy-aresztowali-o-maksymiliana-kolbego).
Peter Hertel: Tod im Hungerbunker. In: Deutschlandfunk, 10.10.2007 (https://www.deutschlandfunk.de/tod-im-hungerbunker.871.de.html?dram:article_id=126023.
Maximilian Kolbe: Nächstenliebe bis in den Tod. In: katholisch.de (https://www.katholisch.de/artikel/72-nachstenliebe-bis-in-den-tod).
Andreas Faessler: Gedenken an einen Schutzherrn der Journalisten. In: Luzerner Zeitung, 14.08.2020 (https://www.luzernerzeitung.ch/leben/ein-schutzherr-der-journalisten-ld.1246760).
Gabriele Lesser: Katholischer Antisemitismus in Auschwitz. In: haGalil. Jüdisches Leben online, Warschau, 14.8.1998 (https://www.hagalil.com/archiv/98/08/polen.htm).
Arkadiusz Andrzej Stempin: Maximilian Kolbe. Ein Heiliger Gegen Die Juden? In: Kirchliche Zeitgeschichte 15/1 (2002), pp. 218-237; Abstract: (www.jstor.org/stable/43751629).
Apostolat der Maria Immaculata (https://m-i.info/de/apostolat/).
Maximilian-Kolbe-Stiftung (http://www.maximilian-kolbe-stiftung.de/).