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Am 4. Dezember 1970 fand die Premiere von Vittorio De Sicas Verfilmung von Giorgio Bassanis Roman Die Gärten der Finzi-Contini statt. Er beschäftigt sich, ähnlich wie Filme Viscontis und Bertoluccis Ende der 1960er Jahre, mit dem Faschismus.
Die literarische Vorlage für den Film lieferte Giorgio Bassanis Roman Die Gärten der Finzi-Contini, der 1962 erschien und bereits ein Jahr später ins Deutsche übersetzt wurde. Der Film handelt – ebenso wie der Roman – von der unerfüllten Liebe des Ich-Erzählers Giorgio (Lino Capolicchio) zu einem Mädchen aus gutem Hause: MicÒll (Dominique Sanda) lebt mit ihrer Familie in einer Villa mit Tennisplatz inmitten weitläufiger Gartenanlagen am Corso Ercole I d’Este. Ort der Handlung ist Ferrara mit seiner jahrhundertealten jüdischen Gemeinde, die im Zuge der Annäherung des faschistischen Italiens an Hitlerdeutschland zunehmend bedroht und 1943 schliesslich zerstört wurde. Die Familie Finzi-Contini des Films/Romans wird deportiert, ihre Gärten verfallen.
Buch und Film thematisieren die Tatsache, dass die Verfolgung und Ermordung der italienischen Juden unter tatkräftiger Mithilfe des faschistischen Staates geschahen. Dabei waren nicht wenige italienische Juden anfangs selbst Anhänger Mussolinis gewesen.
„Die wahre Tragödie der Ferrareser Juden und eines sehr grossen Teils der italienischen Juden überhaupt bestand darin, dass sie [...] sich zuerst mit dem Faschismus einliessen und dann, ohne eigentlich zu wissen, warum, spurlos in den nazistischen Vernichtungslagern verschwanden“, schrieb Giorgio Bassani in seinen Erinnerungen.1
Giorgio Bassani stammte aus einer wohlhabenden jüdischen Familie und sein Vater war ein ausgebildeter Arzt, der als Mohel (Beschneider, hebr.) praktizierte. Bis zu seiner Inhaftierung 1943 war Bassani als Italienisch- und Lateinlehrer in Ferrara tätig. Nach der Entlassung aus der Haft verliess er seine Heimatstadt und lebte in Rom, wo er bis zu seinem Tod am 13. April 2000 im Alter von 84 Jahren als Schriftsteller und Publizist tätig war.
Giorgio Bassani lässt seinen Roman mit einem Besuch der etruskischen Nekropole von Cerveteri beginnen:
„Hatte man die Schwelle des Friedhofs überschritten, wo ein jeder von ihnen sein zweites Haus besass, in dem er schon das Lager bereitet hatte, auf dem er bald neben den Vätern ruhen würde, konnte die Ewigkeit nicht länger eine Illusion bleiben [...]“.2
Da der Garten des Films fiktiv ist, stellte sich der israelische Künstler Dani Karavan im Jahre 2013 der Herausforderung, und in einer kleinen Werkschau präsentierte er die Installation Il giardino che non c‘è (Der Garten, den es nicht gibt).3 In seinem Buch Erinnerung des Herzens (1991) schrieb Giorgio Bassani:
„Die Vergangenheit ist nicht tot. Aber sie entfernt sich in jedem Augenblick. Es ist also möglich, die Vergangenheit zurückzuholen. Aber man muss, wenn man sie wirklich zurückgewinnen will, eine Art Korridor durchlaufen, der jeden Augenblick länger wird. Und unten, ganz am Ende, an dem fernen, im hellen Sonnenlicht liegenden Punkt, dort, wo die schwarzen Wände des Korridors fast zusammenlaufen, dort steht das Leben, so lebendig und pochenden Herzens wie damals, als es sich ereignet hatte […]. Es ist im Leben nun einmal so, dass, wer begreifen will, wie es um diese Welt bestellt ist, mindestens einmal sterben muss.“4
1 Dorothee Baer-Bogenschütz: Die neuen Gärten der Finzi-Contini. In Ferrara entsteht das Museum des italienischen Judentums MEIS, Jüdische Allgemeine, 28. Oktober 2013; https://www.juedische-allgemeine.de/kultur/die-neuen-gaerten-der-finzi-contini/ (aufgerufen:30.06.21)
2 Thomas Steinfeld: Ferrara. Eine Installation für die Finzi-Contini. 1. Februar 2019. In: https://www.sueddeutsche.de/kultur/ferrara-eine-installation-fuer-die-finzi-contini-1.4312489
3 https://meis.museum/en/il_giardino_che_non_c_e_la_mostra_di_dani_karavan_dal_31_ottobre_al_meis-2/
4 Gustav Seibt: Bassani, Giorgio. Erinnerungen des Herzens. Rezension, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 4. März 1991, S. 32