Ausgabe

Das Burgenland als Vorreiter in der Gedenkkultur

Michael Bittner

Früher gab es den Witz – „Was tun wir, wenn die Welt untergeht? – Wir fahren ins Burgenland, die sind 20 Jahre hinten nach.“ Dieser ist obsolet geworden, denn das östliche Bundesland ist in seinen Bemühungen, eine allgemein akzeptierte Gedenkkultur aufzubauen, schon sehr weit gekommen. Um den Termin des Tages der jüdischen Kultur am 3. September 2023 gab es ein dichtes Programm vom Norden (Kittsee) bis zum Süden des Landes.

Inhalt

Mein Interesse galt der Studienfahrt zu den Synagogen in Eisenstadt (ung. Kismarton, kroat. Željezno), Kobersdorf (ung. Kabold, kroat. Kobrštof) und Kőszeg (dt. Güns, kroat. Kiseg), organisiert von der Burgenländischen Forschungsgesellschaft. Die Privatsynagoge, die der Hoffaktor Samson Wertheimer um 1700 in seinem Repräsentationsgebäude in Eisenstadt einrichtete, hat die NS-Zeit auf wundersame Weise überlebt. Heute präsentiert sie sich in dem Zustand, wie die Weinhändlerdynastie Wolf sie im 19. Jahrhundert eingerichtet hatte, historistisch und mit der Frauenschul hinter Holzgittern. Es ist die einzige geweihte und funktionsfähige Synagoge des Bundeslandes, in dem es zwar keine Juden, aber mit Schlomo Hofmeister doch einen Landesrabbiner gibt. Diese Synagoge kann zu den Öffnungszeiten des Österreichischen Jüdischen Museums in Eisenstadt jederzeit besichtigt werden.[1]

 

Die ehemalige Synagoge von Kobersdorf[2] ist nur noch eine leere Hülle, die für Gedenkveranstaltungen genützt wird. Nach langen Jahren des Verfalls und der Untätigkeit der Betreiber ist sie – nach einem Machtwort des Landeshauptmanns – in kurzer Zeit vollständig renoviert worden. Diese Erneuerung ist verdienstvoll, doch ist sie recht geschmäcklerisch geworden. Statt weiss gekalkter Wände gibt es eine beige Schöner-Wohnen-Farbe, statt Messing-Lustern, die mit der Zeit schwarz werden, hängen Nachbauten aus goldfarbig angestrichenem Aluminium (aus China?) von der Decke und erzeugen im Verein mit blitzblauen Säulenelementen und einem aufgemalten Vorhang einen falschen Eindruck. Eine Dorfsynagoge von ehedem sah nicht aus wie ein Boudoir aus einem Hochglanzmagazin, es roch nach Kalk, altem Holz, Korrosion, Kerzen, Petroleum, und der Raum war von herber, vergänglicher Schönheit. Nachdem das Land die nebenstehenden Gebäude aufgekauft hat und plant, diese zu „restaurieren“, wird man auch nicht mehr die Armut des Dorflebens spüren können, die heute noch an den verfallenen Gebäuden der ehemals jüdischen Greisslerei zu erahnen ist. Wieder ein Stück Geschichte verfälscht? Der Topos vom „reichen Juden“, weitergeschrieben?

 

Doch dies ist nichts gegen die ehemalige Synagoge von Güns (ung. Köszeg), einer Stiftung des Lackenbacher Tycoons Fülöp von Schey.[3] Vor einigen Jahren noch eine zerfallende Ruine, ist sie jetzt, frisch gestrichen, im Orban-Stil wiedererstanden. Beige-braun mit dunkelbraunem Rahmen um die Gesetzestafeln, sieht sie so gar nicht mehr nach 19. Jahrhundert aus. Leider ist die Gründung einer Kultusgemeinde gescheitert: da man nur neuneinhalb Männer zusammengebracht habe (der halbe war kein ganzer Jude), wurde die Synagoge nicht geweiht und ist so nur ein Raum für Veranstaltungen geworden, kein Bethaus mehr. Für die Touristen ein Ort zum Staunen, aber auch der Information durch das kleine Museum über die jüdische Gemeinde in einem Zimmer der ehemaligen Schammes-Wohnung.

 

Jüdisches Leben gibt es im Burgenland nicht mehr, aber wir haben mit Dr. Shlomo Hofmeister einen Landesrabbiner – einen Luxus, den man in Sopron, wo an manchen Festtagen die Synagoge das Publikum nicht fassen kann, nicht hat (so geschehen 2023 zu Sukkot). Vielleicht bekommt der Rebbe einmal – er ist ja noch jung – eine Gemeinde?

 

 

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Synagoge in Eisenstadt, Innenansicht.

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Wertheimerhaus in Eisenstadt.

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Synagoge in Kobersdorf, Innenansicht.

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Synagoge in Kőszeg, Aussenansicht.

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Synagoge in Kőszeg, Blick in die Kuppel.

 

Alle Abbildungen: Ingrid Bittner, mit freundlicher Genehmigung.

 


[1] Anm. d. Red.: vgl. dazu auch den Beitrag von Esther Heiss: Die Zukunft des Österreichischen Jüdischen Museums in Eisenstadt. In: DAVID, 36. Jg., Heft 140, April 2024/Pessach 5784, S. 66f. Link: https://davidkultur.at/artikel/die-zukunft-des-oesterreichischen-juedischen-museums-in-eisenstadt

[2] Anm. d. Red.: vgl. dazu auch die Beiträge von Naama Magnus: Neues von der Synagoge in Kobersdorf. In: DAVID, 18. Jg., Heft 71, Dezember 2006/Chanukka 5767, S. 8f. Link: https://davidkultur.at/artikel/neues-von-der-synagoge-kobersdorf sowie Naama Magnus: 150 Jahre Synagoge in Kobersdorf; In: DAVID, 22. Jg., Heft 84, April 2010/Pessach 5770, S. 70ff., link: https://davidkultur.at/artikel/150-jahre-synagoge-kobersdorf

[3] Anm. d. Red.: vgl. dazu auch die Beiträge von Tina Walzer: Die Synagoge von Kőszeg. In: DAVID, 22. Jg., Heft 86, September 2010/Rosch Haschana 5771, S. 2 und 10f. Link: https://davidkultur.at/die-synagoge-von-koszeg