Die Mitte des 19. Jahrhunderts erbaute Synagoge von Kobersdorf ist die einzige Gemeindesynagoge der Schewa Kehilot, der berühmten „sieben heiligen Gemeinden" des Burgenlands, die bis heute erhalten blieb. Nach dem Ende des Nationalsozialismus konnte sich im Burgenland keine jüdische Gemeinde mehr bilden, und so war die Synagoge jahrzehntelang dem Verfall preisgegeben. 1995 wurde sie vom Verein zur Erhaltung und kulturellen Nutzung der Synagoge Kobersdorf gekauft, um sie als Denkmal für die ausgelöschten jüdischen Gemeinden zu erhalten und schrittweise baulich zu sanieren.
Kantor Shmuel Taube zu Besuch in der Synagoge Baumaßnahmen
Die für die Rettung der Bausubstanz wichtigsten Maßnahmen konnten bereits bewältigt werden: Die Sanierung des Dachstuhls und Neueindeckung des Synagogendachs sowie die weitgehende Behebung der statischen Schäden des Gebäudes. Im vergangenen Jahr wurden wieder eine Reihe wichtiger Restaurierungs- bzw. Erhaltungsarbeiten durchgeführt.
Mit finanzieller Unterstützung des Bundesdenkmalamts gelang es, die Instandsetzung eines der großen Rundbogenfenster der Synagoge in Angriff zu nehmen und auch die Restaurierung der Holzteile abzuschließen. Ausgewählt wurde das Fenster an der Süd-West-Seite über dem Männereingang. Dieses an der Wetterseite gelegene Fenster wies besonders starke Schäden auf und war daher auch eine besondere Herausforderung für eine Restaurierung, bei der Wert auf die Erhaltung der Originalsubstanz gelegt wird. Der Fensterrahmen wurde, um Schäden beim Ausbau zu vermeiden, in situ restauriert, die beiden noch vorhandenen Fensterflügel, die teilweise zerlegt und wieder zusammengebaut werden mussten, wurden in der Werkstätte instandgesetzt. Die vier fehlenden Flügel wurden nach dem Muster noch vorhandener Flügel an einem anderen Fenster neu angefertigt. Durch ein kongeniales Zusammenwirken von Restaurator, Kunsttischler und Bauherrn gelang es, die Instandsetzung der Holzteile des Fensters ohne jeden Verlust der noch vorhandenen Originalteile durchzuführen. Derzeit wird an einem Konzept für den Anstrich und die Verglasung gearbeitet.
Bruno Ganz bei einer seiner Lesungen in der Synagoge Kobersdorf
Eine weitere, ganz besonders wichtige Erhaltungsmaßnahme war die Rettung der Giebelornamentik- quasi in letzter Minute. Die Giebellinie der Straßenfassade der Synagoge ist durch einen Fries mit wappenförmigen Schmuckelementen betont. Diese Wappen waren ursprünglich alle in Terrakotta ausgebildet. In einer frühen Restaurierungsphase, die wir noch nicht datieren können, aber auf etwa 1900-1910 ansetzen, wurden einige der - damals offenbar bereits abgefallenen - Terrakotta - Wappen durch gleichgestaltete Putzornamente ersetzt.
Diese Ornamentik des Ostgiebels ist noch vollständig erhalten, war aber bereits, wie Untersuchungen ergaben, hochgradig gefährdet. Bei vielen der Terrakotten war die darunterliegende Putzschicht bereits vom Mauerwerk gelöst, die in Putz ausgebildeten Wappenelemente lagen hohl, ebenso wie große Teile des Bogenfrieses.
Wir entschlossen uns daher, Restauratoren mit der Sicherung und Konsolidierung des Giebelfrieses zu beauftragen. Die Arbeiten wurden im August vergangenen Jahres durchgeführt. Zusätzlich konnten auch große Teile des Originalputzes im Giebelfeld hinterfüllt und gesichert werden. Es gelang uns damit, die stark gefährdete Giebelornamentik der Straßenfront vollständig zu erhalten.
Innenansicht der Synagoge Kobersdorf
In die Kategorie „teure Kleinigkeiten" fallen eine Reihe weiterer Baumaßnahmen, die im vergangenen Jahr durchgeführt wurden, wie z. B. die Wiederherstellung der Ziegelabdeckung der vorderen Türmchen, Sicherung von Teilen des originalen Außenputzes, und die Konservierung des Giebelelements durch einen Steinkonservator.
Besuch von Kantor Shmuel Taube
Die Synagoge Kobersdorf erhält sehr häufig Besuch von vertriebenen Juden und Schoa-Überlebenden. Vergangenes Jahr hatten wir z. B. die Freude, den Sohn des letzten Kantors der jüdischen Gemeinde von Lackenbach in der Synagoge begrüßen zu dürfen.
Shmuel Taube, geboren 1914, überlebte wie durch ein Wunder mehrere Konzentrationslager des Nazi-Regimes. Nach der Befreiung machte er als Kantor und lyrischer Tenor eine Karriere, die ihn durch alle Teile der Welt führte. Heute lebt Kantor Taube in Israel. Im Juni 2005 kam er mit seiner Familie auf Einladung des Orpheus Trust zu Besuch nach Österreich. Als er den Wunsch äußerte, die Stätten seiner Jugend wiederzusehen, waren wir gerne bereit, diesen Besuchstag im Burgenland zu organisieren.
Die erste Station war Mattersburg, wo Kantor Taube sechs Jahre lang die Jeschiwa besucht hatte. Das Gebäude existiert nicht mehr, ebensowenig die Synagoge, die 1940 gesprengt wurde.
Auch in Lackenbach fand Shmuel Taube die Synagoge, an der sein Vater Israel als Kantor gewirkt hatte, nicht mehr vor. Sie wurde 1942 gesprengt. Das ehemalige Wohnhaus der Familie Taube existiert ebenfalls nicht mehr. Dennoch fand sich Shmuel Taube sofort im ehemaligen jüdischen Viertel zurecht und erinnerte sich an viele Einzelheiten seiner Jugend in Lackenbach. Der offizielle Empfang, den der Bürgermeister der Marktgemeinde Lackenbach, Ing. Heinrich Dorner, den Gästen aus Israel gab, verlief – bei koscherem Wein und Gebäck – in sehr herzlicher Atmosphäre.
Als Abschluss der Burgenland-Reise besuchte Shmuel Taube die Synagoge von Kobersdorf. Auch in Kobersdorf wurde Taube vom Bürgermeister des Ortes, Manfred Fuchs, begrüßt. Dann betrat der große Kantor die Synagoge. Er freute sich, wenigstens eine der Gemeindesynagogen der ehemaligen Schewa Kehilot noch vorzufinden. Wir informierten Shmuel Taube über die Zielsetzungen des Projekts, die Synagoge als Denkmal für die ausgelöschten jüdischen Gemeinden des Burgenlands zu erhalten. Zum Abschluss des Synagogenbesuchs sang Kantor Taube zum Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus das Totengebet El male rachamim.
Die Giebelornamentik konnte im letzten Moment gerettet werden Kultur im Tempel
Mit der Veranstaltungsreihe Kultur im Tempel wurde ein speziell auf die Synagoge abgestimmtes Kulturprogramm entwickelt. Es berücksichtigt die beschränkenden Rahmenbedingungen, die sich aus der Widmung und dem Mahnmalcharakter des Gebäudes ergeben, und jüdische Kultur und Geschichte prägen inhaltlich das Profil des Programms.
Als die Veranstaltungsreihe 2004 ins Leben gerufen wurde, war die Aufregung darüber groß, dass es uns gelungen war, Bruno Ganz, den Träger des Iffland-Rings, für die Eröffnungsveranstaltung zu gewinnen. Der große Schauspieler kam, las, war von der Synagoge fasziniert und sagte auch für 2005 sein Kommen zu.
2004 hatte Bruno Ganz das Programm Kultur im Tempel mit einer Lesung aus Joseph Roths Hiob eröffnet, 2005 las er aus dem Roman Nachts unter der steinernen Brücke von Leo Perutz. Der Roman spielt in der alten Prager Judenstadt zur Zeit Kaiser Rudolfs II. und des Hohen Rabbi Löw. Perutz verwebt darin auf geniale Weise historische Fakten, Volkssagen und jüdische Legenden zu einem faszinierenden Bild des Lebens im alten Prager Ghetto.
Synagoge Kobersdorf, hohlliegendes Giebelornament, Foto N. Magnus
Und auch heuer war Bruno Ganz wieder in der Synagoge und brachte am 10. September Stefan Zweigs Novelle Buchmendel zum Vortrag, in der das tragische Schicksal eines kleinen jüdischen Buchtrödlers in Wien zur Zeit des Ersten Weltkriegs erzählt wird. Musikalisch begleitet wurde die Lesung mit Musik von Carl Goldmark (1830-1915), einem Komponisten, der aus den Schewa Kehilot kam: Sein Vater war Kantor in Deutschkreutz.
Das Programm Kultur im Tempel war von Anfang an äußerst erfolgreich. Ein jüdisches Kulturprogramm mit sorgfältig ausgewählten Inhalten und hochkarätigen Künstlern als Interpreten stößt offensichtlich auf großes Interesse. Dieser Erfolg bestärkt uns in unseren Bemühungen, mit dem Programm Kultur im Tempel jüdischer Kultur in der Synagoge wieder eine Heimat zu geben.
Spendenkonto für die Erhaltung der Synagoge:
BAWAG (BLZ 14000), Kto Nr. 03910665226