Die Diplomarbeit zur virtuellen Rekonstruktion der zerstörten dritten Synagoge von Murska Sobota ist Teil eines von Bob Martens und Herbert Peter betreuten Projektes an der Technischen Universität Wien. Nicht mehr existente Gebäude – grösstenteils Synagogen – sollen virtuell wieder erlebbar gemacht werden.
Die dritte Synagoge von Murksa Sobota wurde im eklektizistischen Stil des Späthistorismus erbaut und hatte eine Grundrissgrösse von etwa 23,60 Metern mal 13,60 Metern. Gemäss den vorhandenen Grundrissplänen verfügte das G’tteshaus über 258 Sitzplätze, davon 150 für Männer im Erdgeschoss und weitere 108 auf der den Frauen vorbehaltenen Galerie.
Die Synagoge war freistehend und nach Richtung Osten orientiert. Ihr Haupteingang befand sich an der Westseite. An der Nord- und Südseite gab es weitere Eingänge, die direkt in den Hauptraum führten. Rechts und links des Haupteinganges lag jeweils ein Stiegenhaus. Über diese gelangte man zur Frauengalerie und weiter zur Orgel oberhalb des Thoraschreins. An der Fassade lassen sich die Treppenhäuser durch die etwas schmäler ausgeführten Doppelflügeltüren an der Westseite sowie auch an den Rundfenstern erkennen. Die Frauengalerie war U-förmig über dem Hauptraum angeordnet.
Ansicht Nordwest mit Rabbinerhaus.
Im Gegensatz zu anderen Synagogenbauten des Architekten Lipót (dt. Leopold) Baumhorn wurde jener in Murska Sobota wesentlich einfacher ausgeführt – beispielsweise wurde die sonst übliche Kuppel über dem Hauptraum durch ein Mansardwalmdach ersetzt. Auch verzichtete der Architekt hier gänzlich auf Ecktürmchen und Sichtziegelmauerwerk. Der Innenraum war ebenfalls schlicht und ohne Rundbögen ausgeführt, mit Ausnahme der Ostwand, über dem Thoraschrein. Wie auf den Abrissfotos sehr gut zu erkennen ist, waren die Wände der Synagoge aus einem verputzten Ziegelmauerwerk gestaltet. Die rustizierte Putzfassade mit Lisenen und grosszügigen Spitzbogenfenstern verliehen der dritten Synagoge ihr markantes Aussehen.
Rekonstruktion
Um eine möglichst realitätsnahe und detailgetreue Rekonstruktion durchführen zu können, waren eine kontinuierliche Recherche sowie eine genaue Analyse der Quellen unumgänglich. Aufgrund der damaligen Länderzugehörigkeit war es wichtig, sowohl nach dem deutschen Namen Olsnitz, dem ungarischen Muraszombat und dem aktuellen, slowenischen Namen, Murska Sobota, zu suchen, um so das Maximum an verfügbaren Quellen ausfindig zu machen.
Blick durch den Hauptraum Richtung Thoraschrein.
Die vorhandenen Grundrisspläne des Erd- und Obergeschosses konnten in Kombination mit historischen Katasterplänen plausibel gemacht werden, wodurch diese als Grundlage für die Modellierung herangezogen werden konnten. In Verbindung mit historischen Fotografien wurde das 3D-Modell schrittweise, von aussen nach innen, aufgebaut. Dies bedeutet, dass zu Beginn die konstruktiven Bauteile (Wände, Decken, …) anhand der Grundrisspläne erstellt wurden und erst anschliessend die Modellierung der Fenster, Türen, Inneneinrichtung und Details folgte. Dadurch erlangte das Modell einen immer höheren Detaillierungsgrad.
Eine besondere Bedeutung haben die noch erhaltenen Objekte aus der Synagoge, wozu unter anderem Bänke, Türflügel und Luster zählen. Im Zuge einer Recherchereise war es möglich, die originalen Bänke zu vermessen. In weiterer Folge konnten die rekonstruierten Bänke wiederholt für den Grössenabgleich im Innenraum herangezogen werden. Zwei Türflügel beziehungsweise deren Masse spielten für die Ermittlung der Gebäude- bzw. Geschosshöhe eine massgebliche Rolle, da die Suche nach einem Gebäudeschnitt bis zum Abschluss der Modellierung erfolglos blieb. Erwähnenswert sind in diesem Zusammenhang auch die drei Luster im Hauptraum der Synagoge. Diese sind, wenn auch in veränderter Form, noch erhalten und konnten durch Analyse historischer Innenraumaufnahmen virtuell in der ursprünglichen Form wieder zusammengefügt werden.
Wie detailliert eine Rekonstruktion erfolgen kann, hängt wesentlich von den verfügbaren historischen Unterlagen ab. Bei der vorliegenden Rekonstruktion waren Abrissfotos eine bedeutende Ergänzung. Neben Fassaden- und Innenraumdetails sind auf den Fotografien von 1954 auch Teile des Dachstuhls sichtbar geworden, sodass auch dieser in weiterer Folge anhand der Abrissfotos nachmodelliert wurde. Allgemein lässt sich sagen, dass für eine Rekonstruktion jede historische Fotografie bedeutend sein kann, abhängig davon, ob es sich womöglich um die einzige Aufnahme handelt, die einen bestimmten Bereich dokumentiert.
Bis zum Abschluss der Diplomarbeit konnten nicht alle Bereiche mit Fotografien oder Aufzeichnungen belegt werden. Um dennoch ein lückenloses Gebäudemodell erstellen zu können, wurden von den vielen Baumhorn-Synagogen unter anderem jene ausgewählt, welche hinsichtlich Bauzeit oder Aussehen Ähnlichkeiten zur Synagoge in Murska Sobota aufweisen. Im Zuge dessen wurden vor allem die Synagogen von Szeged (Ungarn), Cegléd (Ungarn), Liptovský Mikuláš (Slowakei) und Nyitra (dt. Neutra, heute Nitra, Slowakei) als Referenz herangezogen und hatten so zum Teil einen entscheidenden Einfluss auf die Rekonstruktion. Es wurde versucht, die im Zuge der Modellierung gewonnenen Erkenntnisse sowie die gewählten Schritte möglichst genau zu dokumentieren, sodass diese auch zu einem späteren Zeitpunkt nachvollziehbar bleiben.
Nachdem die Modellierung abgeschlossen war, wurde hinsichtlich der Farbwahl geforscht. Grundlage für die Farbwahl von Wänden, Fassade, Details et cetera waren zwei nachkolorierte Schwarzweissfotografien – eine Innen- und eine Aussenaufnahme. Auf diesen ist ersichtlich, dass der Innenraum in einem Grünton und die Fassade in einem Gelbton gestaltet war. Trotz eingehender Recherche kann es sich bei der Farbwahl beziehunsgweise bei den Visualisierungen nur um eine mögliche Variante handeln, da keine eindeutigen Beweise vorliegen, welche Farbtöne bei dieser Synagoge tatsächlich verwendet wurden. Aus diesem Grund finden sich in der Arbeit auch Graustufenbilder oder Weissrenderings, um das „Gebaute“ in den Vordergrund zu rücken.
Blick seitlich der Bima Richtung Südwand.
Durch eine virtuelle Rekonstruktion ist es möglich, sämtliche Informationen von Plänen, Fotos und textlichen Beschreibungen zu einem Gebäude – in einem einzigen Modell – zu vereinen. Ein virtuelles Modell kann zwar kein Gebäude ersetzen, bietet aber die Möglichkeit, die Zusammenhänge von Räumen besser zu verstehen und wie in diesem vorliegenden Projekt die Synagoge wieder „erlebbar“ zu machen.
3D-Längsschnitt.
Blick Richtung Westen.
Rekonstruiertes Stiegenhaus, Südwest-Seite.
Weissmodell, Synagoge und Rabbinerhaus mit Umgebung.
Rekonstruierte Bankreihe, Galerie.
Nachlese
Anna Neuhauser, Die zerstörte (dritte) Synagoge von Murska Sobota, Slowenien. Eine virtuelle Rekonstruktion, Diplomarbeit TU-Wien, 2023.
Alle Abbildungen: A. Neuhauser, Virtuelle Rekonstruktionen, mit freundlicher Genehmigung.