Christoph Tepperberg
Stefanie Panzenböck: Die Spira. Eine Biografie.
Wien: Falter Verlag 2022.
224 Seiten, 100 Farb- und S/W-Abbildungen, Hardcopy, Euro 24,90.-
ISBN/EAN: 978-3-85439-704-5.
Über »Die Spira« ist schon viel geschrieben worden. Und das zurecht. Auch in unserer Zeitschrift wurde sie entsprechend gewürdigt.[1] Jetzt ist im Falter Verlag eine ausführliche Biografie über die verstorbene Journalistin erschienen. Unter dem schlichten Titel »Die Spira. Eine Biografie« zeichnet Stefanie Panzenböck in zehn Abschnitten mit zahlreichen Unterkapiteln ein umfassendes Bild vom Leben und Wirken dieser provokanten und kritischen TV-Journalistin mit ihrer unverwechselbaren, tiefen, rauchigen Stimme.
Elizabeth T. Spira wurde am 24. Dezember 1942 im schottischen Glasgow geboren. Ihre Eltern Leopold Spira (1913–1997) und Eva Spira geb. Zerner (1921–2007) waren österreichisch-jüdische Emigranten, die vor dem NS-Regime nach Schottland fliehen mussten. Spiras erster Vorname stammte von der damaligen Thronfolgerin und nachmaligen Queen Elizabeth II. (1926–2022), ihr zweiter Vorname Toni war der Deckname ihres Vaters in der Illegalität. 1946 kehrte die junge Familie mit Elizabeth und der jüngeren Tochter Margret (geb. 1944) nach Wien zurück. Nach dem Studium der Publizistik begann Elizabeth T. Spira 1972 ihre journalistische Laufbahn beim Wochenmagazin »profil«. 1973 wurde sie Redakteurin beim ORF und gehörte dort 1974-1984 zum Redaktionsteam des Magazins »teleobjektiv«. 1985–2006 hatte sie mit der neuen Dokumentarfilmreihe »Alltagsgeschichte« ihr eigenes Sendeformat und startete 1997 ihre bekannte Serie »Liebesg’schichten und Heiratssachen«, die sie bis zu ihrem Tod fortführte. Die Spira war seit 1980 mit dem Schauspieler und Regisseur Hermann Schmid (Jg. 1939) verheiratet. Ihre Adoptivtochter, die Tourismuskauffrau Hannah Schmid ist inzwischen selbst Mutter. Elizabeth T. Spira starb am 9. März 2019 in Wien.
Als Vorwort wählte Panzenböck – nach einer Idee von Hermann Schmid – »Elizabeth Toni Spira in Zitaten« (S. 13-18); bemerkenswert darin ein Spruch von Barbara Coudenhove-Kalergi: »Die Toni ist ein boshaftes Luder, die das Herz am rechten Platz hat.« Das Buch schöpft wesentlich aus Interviews. Unter den zahlreichen Interview-Partnern finden sich – neben Hermann Schmid, Hannah Schmid und Margaret Liesl Nitsch geb. Spira – mehrere namhafte Journalisten wie Barbara Coudenhove-Kalergi, Georg Hoffmann-Ostenhof, Peter Huemer, Johannes Kunz, Kurt Langbein, Raimund Löw, Ursula Pasterk und Peter Rabl (S. 217).
Elizabeth Toni Spira war im kommunistischen Milieu sozialisiert worden und blieb – trotz späterer Distanzierung vom Kommunismus – Zeit ihres Lebens eine erklärte Linke. Dieser Lebenswelt hat die Autorin breiten Raum gegeben. Wir lesen darüber in den Abschnitten »Unter Helden: Aus Böhmen und Mähren in den Spanischen Bürgerkrieg« (S. 27-46), »Leopold Spira, der allmächtige Vater?« (S. 81-94) und »Ich bin eine Wehrjüdin« (S. 59-80).
Die Spira sah sich bewusst als Jüdin, allerdings weder als »Traditionsjüdin« noch als »Opferjüdin«“, vielmehr als »Kampfjüdin«“. Als Achtjährige hatte sie einem Antisemiten gegen das Schienbein getreten, als Jugendliche einem anderen das Nasenbein gebrochen. »Ich bin ein Flüchtlingskind«, erklärte sie immer wieder. Dieser Umstand hatte ihr Leben und auch ihr filmisches Schaffen nachhaltig geprägt. Wir lesen über Spiras Heimatbegriff, erstmals auch in bemerkenswerter Offenheit über ihre Beziehung zu ihrem Ehemann Hermann und ihrer Tochter Hannah, über enge Freunde wie den Journalisten Georg Hoffmann-Ostenhof (»Heimat, das sind Familie und Freunde«, S. 133-158). Selbstverständlich beschäftigt sich die Autorin ausführlich mit Spiras beruflichem Werdegang und ihren TV-Produktionen. In dem von Klaus Gatterer (1924–1984) geleiteten ORF-Magazin »teleobjektiv« gestaltete Spira Sozialreportagen, die regelmässig für Aufruhr sorgten, etwa über die sogenannte Fristenlösung oder den Kärntner Ortstafelstreit (S. 117-132). Durch scheinbar belanglose Fragen, die sie für ihre Sendereihe »Alltagsgeschichte« an Passanten oder Stammtischbesucher richtete, brachte sie die Menschen dazu, ihr trauriges Leben zu offenbaren (»Ich male keine heile Welt«, S. 159-186). Als »Kupplerin der Nation« ist Elizabeth Toni Spira vielen Menschen in Österreich in Erinnerung geblieben. Knapp 23 Jahre lang hatte die kettenrauchende, an COPD leidende Journalistin für ihre Sendung »Liebesg'schichten und Heiratssachen« Menschen auf deren Suche nach einer neuen Partnerschaft interviewt (S. 187-207).
Ein vereinfachter Stammbaum mit Mitgliedern der Familien Langbein, Nitsch, Schmid, Spira und Zerner (S. 208-209), Anmerkungen/Endnoten (S. 211-215), Danksagung (S. 217), Quellen und Bildquellennachweis (S. 218-223) ergänzen die Publikation. Mit ihrer umfassenden, ansprechenden und reich bebilderten Biografie hat Stefanie Panzenböck der Spira ein würdiges Denkmal geschaffen.
Stefanie Panzenböck (geb. 1986) ist eine österreichische Journalistin. Sie studierte Politikwissenschaft an der Universität Wien, war einige Jahre freie Mitarbeiterin beim ORF-Radio Ö1 und ist seit 2015 in der Wochenzeitung FALTER tätig.
[1] Christoph Tepperberg: Eine taffe Frau und beeindruckende TV-Journalistin. Elizabeth. T. Spira zum 76. Geburtstag (DAVID, Heft 119/2018; https://davidkultur.at/artikel/eine-taffe-frau-und-beeindruckende-tv-journalistin); Monika Kaczek: Eine Stimme, die uns fehlt. In Memoriam Elizabeth T. Spira s. A. (1942 – 2019), In: DAVID, Heft 120/2019; https://davidkultur.at/artikel/eine-stimme-die-uns-fehlt).