Dieses Referat wurde von Dr. Robert Schild (Tel Aviv) bei einer Podiumsdiskussion zum Thema zeitgenössischer Antisemitismus am 3. November 2024 in der B’nei B’rith Loge Moise Niego vorgetragen (mit freundlicher Genehmigung des Vortragenden).
Historische Motivationen oder „Rechtfertigungen“
Wenn wir zunächst von einer geschichtlich/chronologischen Aufreihung antisemitischer Motivationen ausgehen, sind meiner Ansicht nach die folgenden vier „Rechtfertigungsgründe“ zu nennen, die die Massen zur totalen Judenfeindlichkeit führ(t)en:
Diese vier Gründe habe ich in meinem 2014 in Istanbul erschienenen Buch über Jüdischen Humor als „antisemitische historische Impulse“ mit einschlägigen Beispielen und Anekdoten zu umreissen versucht.
Zeitgenössische Entwicklungen
Hierzu arbeiten meiner Ansicht nach sechs Akteure Hand in Hand. Es sind diese:
A) populistische Führer, die den Antisemitismus als innenpolitisches Instrument einsetzen, um potentielle Wähler zu motivieren. In diesem Zusammenhang haben sich neue Ideologien entwickelt, die die Juden als virtuellen Feinde betrachten. Hat doch jede kleinere oder grössere Diktatur einen spezifischen Sündenbock zu erfinden, um schlichtweg ihre Präsenz zu festigen und ihren Handlungsspielraum zu erweitern:
An der Spitze dieser Ideologien steht das Mullah-Regime im Iran, wo man noch im 20. Jahrhundert auf eine der grössten jüdischen Bevölkerungen im islamischen Raum zurücksehen konnte… Mit dem Sturz des Schahs im Jahr 1978 wollten die Ayatollahs nach und nach als schärfste Gegnern Israels angesehen werden, um sich in der islamischen Welt zu etablieren und Saudi-Arabien bzw. Ägypten einen ersten Rang abzustreiten;
B) gemeinnützige Organisationen und ihre Führungsspitzen, die sich angeblich für die „Menschlichkeit“ und eine „freie Meinungsäusserung“ einsetzen:
Das typischste und erstaunlichste Beispiel hierzu ist Amnesty International, die seit 2022 Israel als einen „Apartheidstaat“ bezeichnet. Jedoch auch die Vereinten Nationen haben schon seit Jahrzehnten Israels „Expansionspolitik“ aufs Korn genommen – und ihre Tochterorganisation UNRWA (United Nations Relief and Works Agency for Palestine Refugees in the Near East), deren mehrere Mitarbeiter erwiesenermassen am Hamas Massaker vom 7. Oktober-2023 mit beteiligt waren;
C) diverse Medien, die die gleichen Ziele verfolgen:
Unter ihnen können wir beispielsweise die BBC nennen, deren voreingenommene Reporter und Kommentatoren die in den USA, der EU und Kanada als Terrororganisationen bezeichnete Hamas und Hisbollah mit der mildernden Bezeichnung „militante Gruppen“ ausweisen! Aber auch unzählige websites im internationalen Äther befinden sich auf der gleichen verharmlosenden Wellenlänge!
D) Lobbyisten und „Anstifter“, d.h. weniger überzeugte als professionell agierende Antisemiten, die mit finanzieller Unterstützung islamistischer Organisationen, unter deren Anleitung handeln. Zu ihnen gehören die Vereine der Muslimbruderschaft sowie einige schamlos agierende Dynastien in den Golfstaaten und v.a. die iranischen Mollahs.
E) von politischen Stiftungen und Vereinen finanzierte Bildungseinrichtungen:
In diesem Zusammenhang kann insbesondere auf einige bedeutend/elitäre US-Universitäten (Harvard, MIT, Columbia et al) verweisen werden, bei denen offensichtlich finanzielle Unterstützung aus islamistischen Quellen bestehen. Auch mehrere europäische Unis betreiben eine ähnliche Politik, deren Auswirkungen durchweg an den akademisch geschürten Antisemitismus innerhalb deutscher Universitäten nach 1933 erinnern.
F) und schliesslich sog. „self hating Jews“, d.h. jüdische Journalisten, Autoren, Akademiker und Studenten, die besonders von dem Drang getrieben werden „anders zu sein“!
Der Begriff „Selbsthassende Juden“ wurde von Theodor Lessing geprägt, der in Deutschland noch vor der Nazizeit ein populärer Denker war, und dessen 1930 veröffentlichter Band „Der jüdische Selbsthass“ heute wieder lieferbar ist. Als aktuelle Beispiele für diese Gruppe wären u.a. die US-Akademiker Noam Chomsky und Norman Finkelstein anzuführen.
Mit diesen sechs Akteuren schliesst sich der Kreis zur Durchleuchtung des postmodernen Antisemitismus, wobei diese Abhandlung durchaus nicht als erschöpfend anzusehen ist – denn, wie schon Bertolt Brecht vor ca. 100 Jahren seinem Dreigroschn-Moritatensänger in den Mund setzte: „Und man siehet die im Lichte / Die im Dunkeln sieht man nicht.“