Ausgabe

Eine Stunde ein Jude

Rabbiner Dr. Joel Berger

Inhalt

Kurt Oesterle: Eine Stunde ein Jude
Geschichten gegen Antisemitismus. Von Johann Peter Hebel bis 
Ricarda Huch und Franz Führmann
S. Hirzel Verlag, Stuttgart 2021
292 S., Euro 22,62.-
ISBN-10: 3777629219, ISBN-13: 978-3777629216
In seinem Buch Eine Stunde ein Jude erweist sich der Autor Kurt Oesterle nicht nur als Schriftsteller, wie in vielen seiner früheren Werke, sondern auch als Literaturwissenschaftler und Forscher. Genauer gesagt ist er ein Erforscher des Antisemitismus aller Art und Typen von Antisemiten. Er durchforstet die klassische und neuere deutsche Literatur und zeigt anhand ausgewählter Werke deutscher Dichter und Schriftsteller, wie Judenfeindschaft „ästhetisch und emotional funktioniert: ohne jede Empathie“. Er zeigt aber auch, dass es literarische Versuche gab, den Antisemitismus zu bekämpfen, und, dass es einen „Traditionsstrang in der deutschen Literatur der letzten 200 Jahre gibt, der als „Verteidigung des Jüdischen“ zu würdigen ist. Oesterle interessiert sich für die Frage, wie die alten Autoren heute wirken. Ist die „Macht des gelesenen Wortes gegenwärtig im Schwinden begriffen?“ Ich meine, dass die Macht des geschriebenen Wortes in diesem Band von Autor zu Autor gewaltiger wird. 
Oesterle analysiert nicht die Entstehung und das Wesen des von ihm untersuchten Stoffes, er will auch nicht oberlehrerhaft erklären, sondern gewissenhaft aufklären. Oesterle versieht seine Ausführungen mit „kenntnisreichen Kontextkommentaren“. Das habe ich in letzter Zeit von niemandem eindrucksvoller erlebt als von ihm. Ich möchte anmerken, dass Kommentare heute leider keine übliche Literaturgattung mehr sind. 
Oesterles Kommentare zu den Werken von Hebbels Judit (1840), Wilhelm Hauffs Jud Süss (1827) oder Annette von Droste-Hülshoffs Die Judenbuche (1842) und den anderen Autoren in Eine Stunde ein Jude lassen diese hochaktuell erscheinen. Oesterle bringt die Klassiker jedem Leser nahe und erklärt sie auf verständliche Weise. Aber auch Neuerscheinungen, wie Gertrud Les Forts Die Töchter des Jephta (1964) oder gar Dürrenmatts Israel-Essay (1976) werden behandelt. Oesterle nennt sein Programm eine Aufklärung „für Herz und Hirn in kleinen Schritten“. Dazu gibt es zu jedem Autor nützliche Worterklärungen, die von Oesterles grosser Sachkenntnis zeugen. Oesterle bereichert uns mit seinen Kommentaren, und seine beeindruckende Denkweise macht sein Werk Eine Stunde ein Jude für jeden von uns wichtig und nützlich.

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