Ausgabe

Zwei Filmgrössen von der Stubenbastei Fred Zinnemann und Billy Wilder

Tina Walzer

Fred Zinnemann (1907 Rzeszów, Galizien–1997 London) und Billy Wilder (1906 Sucha, Galizien–2002 Los Angeles, Kalifornien) zählen zu den Grössen der Filmwelt. Gemeinsam hatten sie das Franz-Joseph-Gymnasium (heute: Stubenbastei) besucht, von dort führte sie ihr Weg über Berlin nach Hollywood.
 

Inhalt

Der Stummfilm bereitete zu jener Zeit, als Fred Zinnemann und Billy Wilder noch kleine Kinder waren, in der Unterhaltungsindustrie den Übergang aus der Ära der Operette zum Film vor. Die Kombination beider setzte sich über den Zweiten Weltkrieg und die Shoah hinweg ungebrochen fort, man denke nur an den Enkel des Operettenlibrettisten Victor Léon (Die lustige Witwe, 1905), Franz Marischka und seine zwei Onkel Hugo und Ernst Marischka; letzterer begeisterte mit Sissi (1955 bis 1957) in Österreich das Publikum. Im scharfen Kontrast zur wattegepolsterten Habsburgernostalgie, die jeden Anflug des 20. Jahrhunderts, von Moderne und NS-Zeit vergessen liess, stand der ungleich spektakulärere Welterfolg des Österreichhelden-Musicals Sound of Music (1959, Film 1965), überall geliebt, nur in Österreich unbekannt und erst 2005 an der Wiener Volksoper aufgeführt. Künstlerisch anspruchsvoller gestaltete sich die Nahtstelle zwischen Theater und Film. Der Intendant des Deutschen Theaters in Berlin Max Reinhardt (1873 Baden bei Wien–1943 New York) setzte seine Vorstellungen vom Monumentaltheater dort wie auch in Salzburg um. Sein Festspiel-Partner Hugo von Hofmannsthal (1874 Wien–1929 Wien) schrieb 1925 das Drehbuch zum Rosenkavalier-Film. Ihr Bühnenbildner Alfred Roller (1864 Brünn–1935 Wien) lieferte gerade mit seiner Lichtregie für beide Genres innovative Impulse, Hofmannsthals Freund Felix Salten (1869 Pest–1945 Zürich) holte sich 1932 den jungen Wilder als Co-Autor für sein Drehbuch zu Scampolo. Reinhardts Schüler in Berlin Ernst Lubitsch (1892 Berlin–1947 Los Angeles, Kalifornien) schliesslich wurde zum grossen Vorbild Zinnemanns und Wilders, dem die beiden stilistisch nacheiferten. Lubitsch emigrierte bereits 1922 nach Hollywood und stieg dort zum ersten europäischen Regie-Star auf, legendär wurde sein „Lubitsch Touch“ (Komödien, gespickt mit angedeuteten, da zensurpflichtigen Details). In der Tonfilm-Ära ab 1929 konzentrierte sich Lubitsch zunächst auf die tontechnisch anspruchsvollen Musicals, darunter Die lustige Witwe (1934). Im selben Jahr stiess Billy Wilder zu ihm und durfte dem Meister als junges Nachwuchstalent zur Hand gehen: er schrieb fortan die Drehbücher für sein Idol. 
Otto Preminger (1905 Wiznitz, Bukowina–1986 New York), zwei Jahre älter als Wilder und Zinnemann und Reinhardts Assistent in Salzburg, bewegte sich da noch in ganz anderen Sphären, er bildet eine Verbindung zu Wiens Theaterszene der Zwischenkriegszeit – als Direktor der Volksoper wie auch als Reinhardts „Sub-Direktor“ des Theaters in der Josefstadt. Mit seiner sozialkritischen Themenwahl brach er später immer wieder Hollywood-Tabus und schrieb sich mit Carmen Jones (1954) und Bonjour Tristesse (1958) in die Filmgeschichte ein. G. W. Pabst (1885 Raudnitz, Böhmen–1967 Wien) verfilmte 1925 Hugo Bettauers Roman Die Freudlose Gasse mit Greta Garbo, Fritz Lang (1890 Wien–1976 Beverly Hills, Kaliformien) gestaltete mit Metropolis 1927 ein expressionistisch-beklemmendes Pandämonium der modernen, maschinengesteuerten Welt. Zinnemann und Wilder drehten in Berlin gemeinsam ihren ersten Film, Menschen am Sonntag (1929/30, heute noch nachzusehen auf youtube), in dem sie Rituale der Freizeitgestaltung rund um eine Freundesgruppe semidokumentarisch in Szene setzten, stilistisch ein Kontrapunkt zu Fritz Langs Filmästhetik. Zinnemann entwickelte sich in dieser Richtung künstlerisch weiter und wurde der Meister sozialkritischer Dokumentationsfilme, während Wilder sich auf das Unterhaltungs-Genre konzentrierte. Ninotchka (Regie: Ernst Lubitsch, Drehbuch: Billy Wilder) mit Greta Garbo erschien 1939; erstmals wurde hier in einem U.S.-Film Kritik am stalinistischen Russland geübt. Allen Regiegrössen gemeinsam war, dass sie ihre Erfahrung von Verfolgung und Flucht, Shoah und Zweitem Weltkrieg filmisch verarbeiten, Friedensappelle formulierten und Bewusstseinsarbeit bei der Aufklärung vor allem des amerikanischen Publikums leisteten. Zu Billy Wilders berühmtesten Filmen zählen Some Like it Hot (1959), Double Indemnity (1944), Sunset Boulevard (1950) und The Apartment (1960). Zinnemann schuf mit dem Ignaz Semmelweis-Portrait That Mothers Might Live (1938), mit Verdammt in alle Ewigkeit (1954) und Ein Mann zu jeder Jahreszeit (1967) unvergessliche Meisterwerke.

h132_66.jpg

Billy Wilder. Quelle: https://www.theavalon.org/education/film-studies/film-classics-billy-wilder/
Fred Zinnemann, Pressefoto, ca. 1940. Quelle Wikimedia Commons, gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Fred_Zinnemann_1940s.jpg