Der Freiheitskämpfer, Antifaschist, Journalist und Gewerkschafter Ernst Fettner starb am 15. Dezember 2021 im Alter von einhundert Jahren. Vom Nationalsozialismus verfolgt, musste er Österreich verlassen und konnte nach Grossbritannien flüchten, wo er sich in der Bewegung Young Austria für ein freies Österreich einsetzte.
Ernst Fettner wurde am 29. Mai 1921 als zweites Kind von Rosa (geb. Nener) und Sigmund (Isak Schaje) Fettner geboren, die beide aus Galizien stammten. Als Rosa Fettner 1926 während einer Grippeepidemie starb, heiratete der Vater erneut. Da die Familie im 20. Wiener Gemeindebezirk in beengten Verhältnissen lebte, wuchs Ernst Fettner grösstenteils im Jüdischen Waisenhaus für Buben in Baden bei Wien auf. 1935 fand er eine Lehrstelle bei der Schneiderei Baruch Friedländer, die er als Mieder- und Wäschewarenerzeuger abschloss.
Nach der Annexion Österreichs durch das Deutsche Reich wurde Ernst Fettner im Sommer 1938 erstmals verhaftet, später allerdings freigelassen. Im Anschluss an die Novemberpogrome wurde er wegen angeblichen politischen Widerstands erneut ins Gefängnis gebracht. Am Weihnachtstag forderte die Gestapo ihn auf, das Land innerhalb eines Monats zu verlassen, wobei die Frist bis März verlängert werden konnte. Am 29. März 1939 erreichte Fettner Grossbritannien, wo er zunächst im Norden Schottlands als Landwirtschaftshelfer arbeiten musste. Um der für ihn unerträglichen Situation zu entfliehen, ging er nach Glasgow, wo er als enemy alien (Feindlicher Ausländer) im Lager Isle of Man inhaftiert wurde. Dort kam er erstmals mit kommunistischen Ideen in Berührung. Doch bald wurde er für den britischen Civil Service interessant und wurde dort aufgenommen. Darüber hinaus konnte er Kontakte zur Bewegung Young Austria1 knüpfen. 1943 wurde Ernst Fettner Soldat bei den Gordon Highlanders, einem Infanterieregiment der britischen Armee, und nahm im Juli 1944 an der Landung der Alliierten in der Normandie teil. Nach einer Zwischenstation in Deutschland kehrte Ernst Fettner auf eigenen Wunsch als Angehöriger der britischen Armee nach Österreich zurück und wurde in Klagenfurt stationiert. Er blieb das einzige Familienmitglied, das nach Österreich zurückkehrte.
Nach seinem Abschied aus der Armee trat Fettner der kommunistischen Freien Österreichischen Jugend (FJÖ) und der Kommunistischen Partei Österreichs (KPÖ) bei. Ab 1946 verfasste er Artikel für die Parteizeitung der Kärntner KPÖ Volkswille.
Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (re.) ehrt Ernst Fettner anlässlich seines 100. Geburtstags, 4. Juni 2021. Foto: PID/Jobst, https://www.wien.gv.at/presse/bilder/2021/06/04/100-geburtstag-von-herrn-ernst-fettner
Ernst Fettner heiratete 1949 Hilde Oppenheimer, die er bei einem Treffen von Young Austria in London kennengelernt hatte. 1950 kam ihr Sohn Peter zur Welt und die Familie zog nach Wien, wo sechs Jahre später ihr zweiter Sohn Fred geboren wurde. Nach dem Tod seiner ersten Frau heiratete Ernst Fettner seine Arbeitskollegin Herta Felbermayer. Drei Jahre lang arbeitet Ernst Fettner in verschiedenen Metallbetrieben, wo er sich als Betriebsrat gewerkschaftlich engagierte, und 1955 wurde er in Wien Redakteur der kommunistischen Zeitung Volksstimme, für die er bis zu deren Einstellung als Tageszeitung 1991 tätig war. 2018 wurde er für siebzig Jahre ÖGB-Mitgliedschaft geehrt. Zum Ende der beruflichen Karriere wurde er Motorjournalist und war als Zeitzeuge aktiv. Mit Jana Waldhör als Herausgeberin erschien im vergangenen Jahr im CLIO-Verlag seine Autobiografie Geh‘ du voran. Ein Jahrhundert.
Ernst Fettner starb am 15. Dezember 2021 in Wien. Bis zuletzt lautet sein politisches Credo:
„Für die Linken ist die Lage derzeit nicht besonders rosig. Der Kapitalismus scheint zwar zu blühen, aber Blüten sind dazu bestimmt, abzusterben. Es wird an den nächsten Generationen liegen, die Welt entsprechend zu verändern und die Fehler der vergangenen Generationen nicht zu wiederholen.“ Und später fügte er hinzu: „Dabei bleib ich.“2
Anmerkungen
1 Young Austria war von 1939 bis 1947 die bedeutendste EmigrantInnenorganisation junger ÖsterreichInnen, die in Grossbritannien Exil finden konnten.
2 https://www.volksstimme.at/index.php/blog/item/509-ein-journalisten-leben.html