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Ein schwarzer Bunter Vogel und seine Visionen In Memoriam Erhard Busek s.A. (1941–2022)

Christoph Tepperberg

Am 13. März 2022 starb kurz vor seinem 81. Geburtstag völlig unerwartet der visionäre ÖVP-Politiker Erhard Busek
 

Inhalt

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Dr. Erhard Busek (1941 – 2022). Quelle:
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Erhard Busek (Wien 25. März 1941 – 13. März 2022 Kaumberg/NÖ) wuchs als Sohn eines Ingenieurs, Baumeisters und Verwalters der Liechtensteinschen Güter in Wien auf, sein Vater war Protestant, die Mutter Katholikin. In der Familie gab es keine Nazis, seine Mutter habe allerdings einen „katholisch geprägten Antisemitismus“ gepflegt. Er besuchte das humanistische Bundesgymnasium in Wien-Döbling (Matura 1959) und absolvierte ein Studium der Rechtswissenschaft an der Universität Wien (Dr. iuris 1963). 

Eine Karriere in Stichworten
Seine politische Laufbahn begann Erhard Busek 1964 als Zweiter Sekretär des Parlamentsklubs der Österreichischen Volkspartei (ÖVP), danach 1975-1976 Generalsekretär der ÖVP, 1976-1989 Landesparteiobmann der Wiener ÖVP, 1978-1987 Vizebürgermeister und Landeshauptmann-Stellvertreter von Wien, 1989-1994 Bundesminister für Wissenschaft und Forschung, 1991-1995 Bundesparteiobmann der ÖVP und Vizekanzler, 1994-1995 Bundesminister für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten, 1995-2022 Vorsitzender bzw. Vorstandsvorsitzender des Instituts für den Donauraum und Mitteleuropa, 2000-2002 Regierungsbeauftragter für die EU-Erweiterung, 2000-2012 Präsident des Europäischen Forums Alpbach und vieles mehr.

Prägung – Sozialisierung – Weltsicht
Im Unterschied zu vielen anderen ÖVP-Politikern wurde Busek nicht in den farbentragenden katholischen Korporationen sozialisiert, sondern in der katholischen Jugend- und Hochschulbewegung. Durch sein protestantisch-katholisches Elternhaus war Busek liberal in politischen und religiösen Fragen, er vertrat ein weltoffenes Christentum. Antisemitismus und Rassismus lagen ihm fern. Er machte sich für Reformen in der Kirche stark, gründete 2009 mit Gleichgesinnten die Laieninitiative, die eine Abschaffung der Zölibatspflicht für Priester, die Weihe von Frauen zu Diakoninnen und ein stärkeres Mitspracherecht der Laien in der Kirche forderte. Ausserdem engagierte er sich nachhaltig für Demokratisierung und Liberalisierung im Mittelosteuropa des ehemaligen Ostblocks. 

Die Bunten Vögel
Seine grössten politischen Erfolge feierte Erhard Busek 1976-1989 in der Wiener Landespolitik. Dabei erwarb er sich den Ruf eines intellektuellen, unkonventionellen, liberalen Reformers. 

Als einer der ersten heimischen Politiker thematisierte er ökologische Fragen, verlieh der Wiener ÖVP gleich zu Beginn der Umweltschutz-Bewegung ein grünes Image. Es gelang ihm, junge, kritische, unabhängige Menschen anzusprechen. Legendär waren seine Bunten Vögel in der damals noch ziemlich grauen Stadt. Die von ihm initiierte Aktion pro Wien wurde stets dort aktiv, wo die rote Stadtverwaltung offenbar versagt hatte. Diese wurde als Gegensatz zu den Bunten Vögeln als Rote Saurier dargestellt. Erst der nachmalige Bürgermeister Helmut Zilk konnte Buseks Aufstieg in Wien stoppen, indem er als Kulturstadtrat dessen Ideen plagiierte.

Als Querdenker in der Kritik:
Erhard Busek blieb eine Einzelerscheinung in der ÖVP. In der Bundespolitik stand die ÖVP unter Busek 1989-1995 in Regierungskoalition mit den Sozialdemokraten. Als der Vizekanzler 1994 nach erfolgreicher EU-Volksabstimmung mit den Sozialdemokraten die Internationale anstimmte, wurde ihm dies von einigen Parteifreunden als Tabubruch ausgelegt. Nach parteiinterner Kritik an seinem politischen Kurs trat Busek 1995 als Bundesparteiobmann der ÖVP zurück. 

Ein flammender Europäer und sein Konzept Mitteleuropa
Danach lebte er ganz seinem aussenpolitischen Credo: dem Konzept Mitteleuropa. Als andere österreichische Politiker noch Kontakt zu den Einheitsgewerkschaften des Ostblocks pflegten, unterstützte Busek die Dissidentenszene hinter dem brüchig gewordenen Eisernen Vorhang. 

Er trat nachhaltig für eine europäische Osterweiterung mit den Nachfolgestaaten der ehemaligen Donaumonarchie ein. Sein Institut für den Donauraum und Mitteleuropa (IDM) erforscht und gestaltet bis heute die Beziehungen zu diesen Ländern und Regionen. Von manchen Politikern wurde dieses Engagement als reaktionäres Habsburger-Nostalgie-Projekt missverstanden. 
In Wahrheit hatte Busek erkannt, dass die Europäische Union ohne Zentraleuropa ein unfertiges Gebilde bliebe. 
Erhard Busek war bis zuletzt ein kritischer Geist. Man nannte ihn den Bunten Schwarzen, einen katholischen Querkopf, einen konservativen Europäer mit weitem Blick, einen Vermittler und Friedensfreund. 

Wir alle hoffen, dass der blutige Angriff auf die Ukraine nur wenige Tage vor Buseks Tod sein Lebenswerk nicht ins Wanken bringt.

Quellen
DAVID, Der Standard, Die Presse, Falter, Heute, Institut für den Donauraum und Mitteleuropa (IDM), Karl von Vogelsang Institut (kkvi), katholisch.at, Katholische Aktion, Kleine Zeitung, Kurier, laieninitiative.at, ORF, OTS, parlament.gv.at, Profil, salzburg24.at, Salzburger Nachrichten, Wiener Zeitung, Wikipedia.