Monika Kaczek
Hans-Joachim Löwer: Flucht über die Alpen. Wie jüdische Holocaust-Überlebende nach Palästina geschleust wurden
Tyrolia-Verlag in Kooperation mit Athesia Tappeiner, Innsbruck 2021
320 S., 244 sw. und 20 farb. Abb., gebunden, Euro 28,00.-
ISBN: 978-3-7022-3937-4
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs zogen rund 250.000 Jüdinnen und Juden quer durch das zerstörte Europa. Unter ihnen befanden sich KZ-Überlebende, Widerstandskämpfer sowie Flüchtlinge aus dem Osten. Ein grosser Teil dieser Menschen wollte nach Palästina, das damals britisches Mandatsgebiet war. Doch der Weg ins Gelobte Land wurde von den Briten verhindert, die keine Masseneinwanderung erlaubten. Deshalb wurden geheime Routen gesucht, die Frankreich und die Balkanländer betrafen. Doch der wichtigste Weg führte über die Alpen. In den Jahren 1945 bis 1948 konnte eine Geheimorganisation schätzungsweise 50.000 Jüdinnen und Juden auf illegalen Wegen von Österreich aus nach Italien bringen. Dort gelang es rund 25.000 von ihnen, umgebaute Transportschiffe heimlich zu besteigen, um auf diese Weise nach Palästina zu gelangen.
Das höchst interessante und informative Buch ist in fünfzig Berichte unterteilt, die 1945 im Tiroler Ort Seefeld beginnen und 1948 in den Bergen Judäas enden. Weltpolitische Ereignisse, die für die Aktionen eine entscheidende Rolle spielten, wie das Schicksal der Exodus-Passagiere, der UN-Teilungsplan für Palästina, das Pogrom im polnischen Kielce1 und der Anschlag auf das King David Hotel in Jerusalem im Jahre 1946 bilden den Rahmen. Der Autor in seinem Vorwort:
„Die Szenen, die hier beschrieben sind, sollen den Leser ganz nah an das Geschehen heranführen – trotz oder gerade wegen des zeitlichen Abstandes vor rund 75 Jahren.“ (S. 11) Die zahlreichen Abbildungen zeigen die furchtbare Situation der KZ-Überlebenden und den beschwerlichen Weg der Flucht.“
Das Buch endet mit den Sätzen:
„Der Schatten des Holocaust ist lang. Erst lag er über den Ghettos und Konzentrationslagern. Dann fiel er auf die Flüchtlingscamps in Deutschland und Österreich. Er wanderte durch Nord- und Südtirol, wuchs über die Alpen hinweg und über das Mittelmeer. Nun hat er Israel erreicht. Mit jedem Tag, so scheint es, wird er ein Stück länger. Er folgt den Menschen auf Schritt und Tritt, den Tätern wie auch den Opfern. Niemand, der sich in diesem Schatten befindet, kommt aus ihm heraus.“ (S. 306)
Hans-Joachim Löwer, 1948 geboren, war sechzehn Jahre lang als Auslandsreporter für das Magazin Stern und dreizehn Jahre als Mitarbeiter von National Geographic tätig. Seit 2001 arbeitet er als freier Autor und verfasste zahlreiche Sachbücher, wie zum Beispiel Atatürks Kinder (2007) und Die Stunde der Kurden (2015).