Schon der legendäre Stadtplaner Camillo Sitte sah in dem Zwickel zwischen Parlament und Palais Epstein Sanierungsbedarf. Friedrich Kurrent (10.09.1931–10.01.2022) nahm sich dieses Knickes in der Prachtmeile an und versuchte die städtebauliche Leerstelle mit einem zeitgeschichtlichen Lehrstück zu sanieren, mit der Errichtung einer Synagoge.
Friedrich Kurrent s.A. (10.09.1931–10.01. 2022), aufgenommen im Jahr 2006. Foto: Helmuth Furch. Quelle Wikimedia Commons, gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Kurrent_SEIN_Platz.jpg
Mehr als vierzig Synagogen sind in der Nazizeit vernichtet worden. Die meisten lagen an städtebaulich unbedeutenden Orten. Der erhaltene Stadttempel, ein Meisterwerk von Josef Kornhäusel, versteckt sich sogar hinter einer mehrgeschossigen Wohnbaufassade. 1826 war der stets wachsenden jüdischen Gemeinde nichts anderes erlaubt worden.
Friedrich Kurrents Synagoge ist für die stets kleiner werdende Gemeinde ein Symbolbau an der „laiken“ (laizistischen) Ringstrasse, wo einst die assimilierten jüdischen Bauherren und Bewohner, wie die Scheys, Epsteins, Königswarters und Gomperz ihre „Synagoge“ hatten, das Burgtheater, mit ihrem Star Adolph Sonnenthal.
Kurrents Entwurf wäre nicht der erste Sakralbau am Ring. Die nach hinten gesetzte Votivkirche löst städtebaulich einen weiteren Aussenzwickel auf, entstanden durch den Knick zweier geradliniger Ringstrassenabschnitte, hier zwischen Universität und Hotel De France. Der dritte Ringstrassenzwickel war durch das schon bestehende Palais Schwarzenberg gelöst.
Kurrent beschäftigte sich sein Leben lang mit dem Sakralbau, lebte sogar zeitweise in einer mittelalterlichen Kapelle im niederösterreichischen Sommerein, lehrte jahrelang an der Müchner Technischen Universität Sakralbau. Er war beteiligt an wegweisenden Kirchen des Nachkriegsösterreichs, an der Parscher Pfarrkirche in Salzburg genauso wie an jener in Steyr-Ennsleiten, einem Gebäude aus Betonfertigteilen.
Für seinen Synagogenentwurf 2008 wählte Kurrent eine Holzkonstruktion, wohl nicht in Erinnerung an die von den Nazis niedergebrannten prächtigen Holzsynagogen Osteuropas:Der Holzleimbinder-Bau war einfach die angemessene Technologie für seinen Entwurf. Der Architekt beschreibt das so:
„Mein Synagogen- entwurf folgt dem Zentralraumgedanken auf dem Grundplan des Davidsterns aufgebaut, zeigt die Durchdringung zweier gleichseitiger Dreiecke und in der dritten Dimension die Durchdringung halbkreisförmiger Bogenstellungen, die im progressiv abnehmenden dreimaligen Übereinander einen Kuppelbau ergeben. Die Ausfachung der vertikalen nichttragenden Aussenwände erfolgt mit durchscheinenden, nicht klar durchsichtigen Glasbausteinen. Als Dachdeckungsmaterial der gebogenen Flächen werden Bronze-Ziegel vorgeschlagen. Am Abend und des nachts sollte die Synagoge am Ring ein von innen leuchtendes Bauwerk sein“.
Friedrich Kurrent, Skizzen zur städtebaulichen Situation für die Errichtung einer Synagoge am Ring. Alle Rechte: Friedrich Kurrent, mit freundlicher Genehmigung Nachlass Friedrich Kurrent. Quelle: https://synagogewienkurrent.weebly.com/projekt.html
Friedrich Kurrent, Synagoge am Ring, Entwurf und Modell. Alle Rechte:
Friedrich Kurrent, mit freundlicher Genehmigung Nachlass Friedrich Kurrent. Quelle:
https://synagogewienkurrent.weebly.com/projekt.html
Das Almemor, also das Lesepult, ist im Zentrum des Raumes. Vom Erdgeschoss gelangt man auf die Frauengalerie genauso wie zur im Untergeschoss gelegenen Mikwa, dem rituellen Bad, das mit Grundwasser gespeist wird. Die Synagoge mit einer Bauhöhe von 25 Metern (etwas niedriger als die Giebelhöhe der mittleren Tempelfront des Parlamentes) kann fünfhundert Gläubige aufnehmen, ist also etwas kleiner als das G‘tteshaus in der Seitenstettengasse.
Nachlese: https://synagogewienkurrent.weebly.com/projekt.htm