Ausgabe

Das Mobile Bethaus von Oskar Stocker und Luis Rivera am Landestheatervorplatz in Innsbruck

Stefan Gritsch

Das von den Grazer Künstlern Oskar Stocker und Luis Rivera als künstlerisches Statement gegen Antisemitismus konzipierte und gemeinsam mit der jüdischen Gemeinde am Grazer Hauptplatz im Juli 2021 realisierte Kunstprojekt Mobiles Bethaus wurde auch in Innsbruck verwirklicht.
 

Inhalt

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Das Bethaus stand im November 2021 drei Wochen lang auf dem Vorplatz des Tiroler Landestheaters – der 1938 „Adolf Hitler-Platz“ hiess. Hier hatte um Mitternacht zwischen dem 9. und 10. November 1938 die Vereidigung der SS-Kommandos stattgefunden, die sich dann auf ihren Weg zu den Verbrechen der Reichspogromnacht gemacht hatten. Etwa zeitgleich waren weitere Kommandos der SA im Standartenheim in der Bürgerstrasse und des NSKK am Boznerplatz gestartet.

Am 9. November 2021 wurde das Bethaus von IKG-Präsident Günter Lieder in Anwesenheit von Innsbrucks Bürgermeister Georg Willi, der Nationalratsabgeordneten Alexandra Tanda, der Gemeinderätin Irene Heisz und der beiden Künstler Luis Rivera und Oskar Stocker eröffnet. Präsident Günter Lieder und Vizepräsident Emil Chamson sprachen abschliessend das Kaddisch-Gebet für die Opfer der Pogromnacht 1938. 

Das Projekt war von Anfang an darauf angelegt, „auf Tournee“ zu gehen – ein „mobiles“ Bethaus zu sein. Es besteht aus insgesamt achtzehn Bauteilen, die in ihren Abmessungen so konzipiert sind, dass das Gesamtpaket an Teilen in einen genormten Seecontainer verstaut werden kann. Dadurch ist das in Graz vorgestellte Bethaus mobil und kann auf Tournee gehen – ein Hinweis auf die Diaspora, das immerwährende Schicksal des Judentums und vieler auf der Flucht befindlicher Menschen.

Das Mobile Bethaus ist eine begehbare Skulptur mit dem Grundriss eines Davidsterns, die sich, mit Monitoren versehen, der Stadt als Mahnmal zuwendet. Doch das Bethaus ist viel mehr als ein Mahnmal, es ist auch ein deutlich sichtbares Zeichen des jüdischen Lebens – in Graz wie auch in Innsbruck. Im Inneren des sternförmigen Pavillons findet der Besucher einen nahezu leeren, hellen Raum vor. „Ein Raum, der neugierig macht, zum Innehalten, Reflektieren, Meditieren einlädt oder auch dazu, kurzfristig dem Stadtgeschehen zu entfliehen“. Im Zentrum des Raumes scheint eine in Augenhöhe verspiegelte Säule zu schweben – ein Verweis auf die biblische Geschichte von Moses, der sein gepeinigtes Volk der Israeliten aus Ägypten führt. Beim Blick in den Spiegel sieht der Besucher sich selbst in die Augen.

Trotz der symbolträchtigen Form des Hexagramms, dessen Zacken den Innenraum stark strukturieren, obliegt dem Besucher die freie Interpretation der Installation. Nutzung und Auseinandersetzung mit dem Kunstwerk werden dem Betrachter überlassen. Mittels der an den Aussenwänden befestigten Monitore wird der Betrachter informiert, das Kunstwerk mit Inhalten befüllt: in Innsbruck sind das heutige Bilder aller einunddreissig in der Pogromnacht 1938 von Überfällen betroffenen Innsbrucker Adressen – und die Namen aller einhundertsechs damals überfallenen Innsbrucker Jüdinnen und Juden.

Die politische und die spirituelle Dimension stehen beim Mobilen Bethaus im Spannungsfeld zu einander, es ist ein Ort des Nachdenkens und ein Ort der Auseinandersetzung, ein spannungsgeladener Raum, den die Künstler Oskar Stocker und Luis Rivera der Öffentlichkeit präsentieren. Das Mobile Bethaus ist eine Installation, die viele Fragen hervorruft und zum Nachdenken animiert.

Das Projekt wurde durch Förderungen der Stadt Innsbruck und des Landes Tirol ermöglicht.

Ein Kurzbeitrag zum Mobilen Bethaus ist unter dem Titel „Zum Nachdenken animieren. Kunstprojekt Mobiles Bethaus in Innsbruck eröffnet“ bereits in der Chanukka-Ausgabe, DAVID 131, Dezember 2021, S. 29 erschienen.

Fotos: Stefan Gritsch, mit freundlicher Genehmigung.