404: Not Found
Michael Bittner
Morina, Christina (Hrsg.): Antisemitismus und Rassismus. Konjunkturen und Kontroversen seit 1945. Vergangene Gegenwart. (= Debatten zur Zeitgeschichte, Band 2)
Vandenhoeck und Ruprecht, Göttingen 2024.
160 Seiten, gebunden, Euro 20,00.-
ISBN 978-3-525-30232-3.
Schon der Buchtitel sagt uns, dass hier Äpfel und Birnen vermanscht werden. Was in der Obstwein-Herstellung eine Tugend ist, sollte in der historischen Wissenschaft tunlichst vermieden werden.
Antisemitismus ist nicht Rassismus, hat andere Wurzeln, betrifft unterschiedliche Gesellschaftssegmente und geografisch-historische Räume und ist auch begrifflich unterschiedlich besetzt. „Rassist“ ist ein Schimpfwort geworden so wie „Populist“, das von linken Politikern wahllos allen Widersachern an den Kopf geworfen wird, von Türken an Nichttürken, von Farbigen an Farblose.
„Konjunkturen und Kontroversen seit 1945“ verspricht der Band, der aus dem Dunstkreis der Universität Bielefeld kommt. Was „Konjunktur“ bedeutet, dürfte den Autoren nicht ganz klar sein, die „Kontroversen“ sucht man leider vergeblich, denn man ist stets einer Meinung.
Das Buch beginnt mit einem interessanten Überblick der Herausgeberin, in welchem der Neologismus „materialgesättigt“ vorkommt. Man freut sich darauf, solche von historischen Fakten und Dokumenten „gesättigte“ wissenschaftliche Beiträge zu lesen zu bekommen. Doch leider bleibt es bei Mutmassungen, Gemeinplätzen und Absichtserklärungen, was man wie machen wird, wenn man darüber etwas forschen wird. Das, was Geschichtswissenschaft ausmacht, das Aufsuchen, Bewerten und Vergleichen von Quellen, findet nicht statt, eher eine Nabelschau des deutschen „Wissenschaftsbetriebs“ mit soziologischer Schlagseite.
Die Autoren bestärken sich gegenseitig, man ist einer Meinung, dass beide „bösen“ politischen Einstellungen so viel gemeinsam haben müssen, weil man sie in einen Topf werfen und dann irgendwann bearbeiten will. Will man den Antisemitismus damit verharmlosen?
Diese Verknüpfung von unterschiedlichen Normüberschreitungen strahlt von den Universitäten auch schon auf die Verlage aus. Wenn in einer deutschen Edition die Biografie einer italienischen Zeitzeugin angepriesen wird, dann mit dem Gütesiegel, dass die 94-Jährige eine „zentrale Stimme im Kampf gegen Hatespeech, Antisemitismus und Rassismus“ sei, das kann sie allerdings noch nicht lange sein, denn diese Vermanschung ist neudeutscher Soziologenslang.[1]
In bester deutscher Tradition wird im Buch die Moralkeule geschwungen, das einzig verbliebene schlagende Argument der Linken (Mohammad Salemy)[2], denn die Emotion ist stärker als die Logik. Moral aber ist die schlimmste Scheuklappe, die ein Historiker sich umbinden kann, sieht man von der historischen Faktenblindheit des Marxismus oder der Nationalsozialisten ab.
Etwas enttäuschend ist auch der Umfang des Bandes, haben so viele Autoren (acht!) über dieses Thema wirklich so wenig zu sagen, dass nur 160 Seiten herauskommen? Zwischendurch wird der Leser belehrt, wie wichtig in diesem Zusammenhang die Sprache ist, in der man darüber redet, gewaltfrei, wie nett, aber auch absolut sinnfrei. Wenigstens aber fehlt der „Gaza-Genozid“ und der übliche „Klima“ - Aktivismus, der an manchen Universitäten grassiert wie anderswo „Mpox“ (die guten alten Affenpocken)[3].
Ein weiterer Pluspunkt des Bandes ist das Literaturverzeichnis, eine Freude, die vielen neuen Publikationen zu entdecken, nachdem man sich über manche Stellen des Buchtextes (etwa Seite 55) gründlich geärgert hatte.
Wie sagte doch Friedrich Torbergs „Tante Jolesch“ so treffend? „G'tt soll einen hüten vor allem, was noch ein Glück ist.“ In diesem Fall: „Er soll uns hüten vor allem, was in Deutschland noch Wissenschaft heisst“.