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Bevor es zur nennenswerten Involvierung von Juden im Geld- und Münzwesen kam, bedurfte es einer längeren Entwicklung.
Das 8. Jahrhundert charakterisierte sich durch grosse wirtschaftliche Umwälzungen. Die Naturalwirtschaft wich gerade der Geldwirtschaft. Diese Entwicklung nahm in allen wersteuropäischen Königreichen gleichartige Formen an. Das Vordringen des im Orient reichlich geförderten Silbers in christliche und skandinavische Gebiete ist eine Tatsache und durch zahlreiche Münzfunde belegt. Sie resultierte aus dem starken Export westlicher Erzeugnisse in die arabische Welt. Eine besonders begehrte Handelsware waren Sklaven, die quer durch Deutschland aus dem Osten bezogen wurden und letztlich in maurische Hände im heutigen Spanien gelangten, vermittelt unter anderem über üdische Händler Septimaniens und aus Narbonne. Um 850 beschrieb der Perser Ibn Khordadbeh ihre Reisewege. Laut Raffelstettener Zollordnung (904/ 906) hatten jüdische oder christliche Händler den rechtmässigen Zoll von Sklaven wie auch anderen Gütern zu entrichten. Die vom Mainzer Rabbiner Hacohen verfasste Schrift „Sefar hadinim“ (Buch der Gesetze) mit einer Entstehungszeit um das Jahr 1000 informiert über Handelsbeziehungen der Radhaniten zu Przemysl und Kiev sowie über den Sklavenhandel. Die Geschäfte spielten sich in grossen Dimensionen ab und konnten nur durch Einsatz von Edelmetallen durchgeführt werden. Das dazu notwendige Silber stammte von Dirhems, welche jüdische Händler mitbrachten. Im Zuge der fortschreitenden Christianisierung der osteuropäischen Gebiete ging der Handel mit Sklaven in der Folgezeit zwar stark zurück, aber Luxusgüter wie Seide, Pelze, Schwerter und Gewürze sorgten nach wie vor für Gewinne im Handel. Parallel dazu stieg die Nachfrage nach Gebrauchsgütern und damit auch nach Münzen. Oftmals war der Kaufmann auch Geldwechsler. Der Silberdenar und der Halbdenar (Obolus) waren die Währung, die den Bedürfnissen der Wochenmärkte entsprach.
Das Prägen von Münzen im Frankenreich der Merowingerzeit war das Werk spezialisierter Münzmeister, über die wenig bekannt ist. Sie waren private, auf Gewinn ausgerichtete Unternehmer. Zu ihren Kenntnissen gehörte auch das Wissen um die jeweiligen Preise von Edelmetall bzw. wie es um die Werteverhältnisse zwischen Gold und Silber (1:14) stand. Kontakte unterhielten diese Münzer zu erfahrenen, weit gereisten Händlern, etwa aus syrischen oder jüdischen Kreisen. Beide Gruppen sorgten dafür, dass fränkisches Gold in die Münzprägestätten des arabischen Raumes gelangte, während Silbermünzen als Entgelt dafür nach Westeuropa einströmten. Silbermünzen arabischer Herkunft wurden seinerzeit in ganz Westeuropa wegen ihrer Fremdartigkeit, aber auch des guten Feingehaltes wegen, eingeschmolzen und zu eigenen Münzen umgeprägt. In westfränkischen Städten, wie etwa Arles, arbeiteten Juden ab Ende des 9. Jahrhunderts nicht mehr in dortigen Münzprägestätten. Damals soll es aber noch ein privates Prägen von Münzen in einem erheblichen Ausmass gegeben haben. Aus diesem Grunde trachteten die Herrscher, ihre eigenen Münzen als einziges Zahlungsmittel in ihrem Bereich durchzusetzen. Verbote verhinderten, dass private Prägestätten einrichtet oder unterhalten wurden. Geldstücke, welche kein offizielles Zahlungsmittel waren, konnten nicht mehr in fränkische Münzen umgewandelt werden.
Ein Phänomen bei Silbermünzen war, dass sich der Feingehalt allmählich verschlechterte, bis sich Karl der Grosse zu einer grundlegenden Neuordnung entschloss. Er normierte mit dem Karlspfund die europäische Münzwirtschaft, die seit seiner Herrschaft vornehmlich auf Silber basierte. Karl legte das Recht zu münzen zunächst ausschliesslich in die Hände des Königs bzw. Kaisers. Arnulf von Bayern (907–937) liess im ostfränkischen Gebiet sowohl in Regensburg als auch in Salzburg münzen, da Erzbischof Hartwig 996 das Münzregal in Rom von Kaiser Otto III. erhalten hatte. Sowohl alle Regensburger Denare als auch jene Hartwigs sind aber kaum im Ursprungsland zu finden, sondern im Raum zwischen Oder und Weichsel, auf dem Gebiet des heutigen Weissrussland, auf Ostseeinseln, im Baltikum und Skandinavien. Der Regensburger Donauhandel florierte, weil es auch gelang, aus Ungarn Silber zu beschaffen. Im Laufe des 10. und 11. Jahrhunderts traten dann Stammesherzöge in die Münzprägung ein. Ebenso verlieh der König sein ursprüngliches Münzregal an Grafen und Vögte sowie an die hohe Geistlichkeit, behielt jedoch das Kontrollrecht. Damit aber überhaupt Münzen ausreichend geprägt werden konnten, bedufte es verschiedener Münzmetalle, und nicht jedes fürstliche oder geistliche Herzogtum besass auf seinen Territorien Silber- oder gar Goldbergwerke. Wer also über kein eigenes Bergsilber verfügte, musste sich zwangsläufig das Edelmetall aus fremden Bergwerken besorgen oder in Form von Münzen zukaufen. In solchen Fällen eröffnete sich dann für jüdische Händler ein Markt. Um 1170 schuf die Entdeckung reicher Silbervorkommen im sächsischen Freiburg die Möglichkeit, den Geldumlauf auszudehnen. Der Aufschwung im Bergbau ging zügig voran. Deutsche Knappen und Montanisten wurden allmählich zum einen Begriff.
Zur Zeit des österreichischen Herzogs Leopold V. (1157–1194) war hierzulande der Handel mit Edelmetallen zunächst noch dem Regenten vorbehalten. Vor seinem ebenso berühmten wie berüchtigten Kreuzzug war er gezwungen, das erforderliche Silber für die Münzprägung ebenfalls aus Ungarn zu beziehen. Dieses Land galt als das Zentrum des Edelmetallabbaues. Noch vor dem Jahre 1195 wurde auf Veranlassung des österreichischen Herzogs vom damals steirischen Fischau die dortige Münzstätte nach Wiener Neustadt gebracht und dem jüdischen Münzmeister Schlom überlassen. Mit dem Lösegeld des englischen Königs Richard Löwenherz war alsbald der Mangel an Münzmetall behoben, denn es wurden 100.000 Kölner Mark in Silberbarren ins Reich transferiert. Eine Hälfte fiel an Heinrich IV., die andere kassierte Leopold. Zusätzlich gelangten über einen Nebenvertrag nochmals 20.000 Mark in die Marchia orientalis. Da aber durch das Lösegeld ungewöhnlich grosse Mengen an Silber plötzlich vorhanden waren, entstanden Probleme bei der Verarbeitung. Dass sie bewältigt werden konnte, ist wohl Schlom zuzuschreiben, dem das ganze Münzgeschäft kurzzeitig von Herzog Leopold V. abgetreten worden war. Die Errichtung der Wiener Münzstätte dürfte schon im Zuge der Vorbereitungen zum 3. Kreuzzug erfolgt sein. Im Jahre 1196 fiel Schlom einem Pogrom zum Opfer. Seine Ermordung wird in der Chronik des Ephraim bar Jakob erwähnt. Doch schon bald traten an seine Stelle „Wiener Hausgenossen“. Sie bildeten eine Vereinigung von Wiener Erbbürgern, die dem Herzog mehr Einnahmen und grösseren Einfluss versprachen.
Bereits ab Mitte des 11. Jahrhunderts waren in Ungarn neben den im Finanz-, Münz- und Zollwesen sehr erfahrenen muslimischen Bulgaren und Arabern auch Juden erschienen. Ein reges Handelsleben und jüdischer Einfluss entfalteten sich ebenfalls in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhundert in Polen. Die dortige Münzstätte gelangte unter der Regentschaft von Mieszko III. ungefähr 20 Jahre lang in die Hände von Juden. Zu Beginn des 13. Jahrhunderts tauchten nachweislich im Raum von Pettau (heute Ptuj, Slowenien) wirtschaftlich starke Juden auf, die sich mit der Ausfuhr der damals sehr gefragten Friesacher Pfenninge nach Ungarn beschäftigten. In der Kipper- und Wipperzeit kam es, unbekümmert um zahlreiche Abmahnungen und Drohungen des Herrschers, zur Verschlechterung der Münzen. Qualitativ gute Münzen wanderten sofort in die Schmelztiegel. Als Aufwechsler werden meist Juden genannt, die quer durch die deutschen Lande zogen und die guten Sorten mit schlechten aufkauften. Unter Friedrich III. (1415–1439) erreichte die monetäre Misswirtschaft einen Höhepunkt. Notgedrungen setzte er eine neue Münzordnung durch. Zwischen 1471 und 1550 wurde in Schwaz 800 Tonnen Silber und mehr als 60.000 Tonnen Kupfer gewonnen. Das reichlich vorhandene Tiroler Silber wurde, soweit es nicht die Fugger kassierten, in Hall vermünzt. Juden kamen hier nicht zum Zug. Unter Ferdinand I., er regierte ab 1521, kam Silber aus den Schladminger Gewerken hinzu. Kaiser Matthias, Regent ab 1612, wurde durch Fürst Trautson in Schwierigkeiten gebracht, als dieser in Wien prägen liess, „ sodass die ganze Jüdische Gemain auff seiner Seiten stehe, welche ihme alle Silber und Goldkhauff (…) zu überauss grossen Nutzen zutragen“. Erst 1616 besserte sich die Situation. Der Wiener befreite Hofjude Veit Munk trat als Silberlieferant auf und verpflichtete sich, die Hofkammer zufrieden stellend mit Münzmaterial zu beliefern.
Seinerzeit war man sich über den Werteverfall der Münzen völlig im Klaren. Getreu dem Gresham-Gesetz, „bad money drives out good“, verschwand gutes Geld, das schlechte blieb im Umlauf. Die Hofkammer in Wien war unter Ferdinand III. bestrebt, den Niedergang des Münzwesens aufzuhalten. Man dachte sogar daran, die Münzstätten an Juden zu verpachten, weil diese den Silberhandel in ihren Händen hatten. Allerdings hätte dann ein Nichtjude für die Verpachtung seinen Namen hergeben müssen. Ein bewährtes Mittel war damals mittels Münzverschlechterung den Pachtzins hereinzubekommen, ausserdem sollte diese Tätigkeit noch Gewinn abwerfen. Die Dominanz der Juden im Münzwesen als Aufkäufer und Lieferanten des Prägematerials liess sie in der christlichen Mehrheitsbevölkerung als Haupturheber der Kipperei und Wipperei erscheinen.
Wie bedeutend jüdischer Einfluss schon war, zeigte sich noch um 1650, als die damals grosse deutsche Stadt Breslau in Schwierigkeiten geriet, Münzen auszuprägen, da alles Edelmetall nach Polen exportiert wurde. In der Folge wurden die angrenzenden Länder Schlesien, Böhmen und Oberungarn sowie auch Siebenbürgen mit aus diesem Silber hergestellten, minderwertigen Münzen überschwemmt. Hinzu kam noch, dass das Osmanische Reich Kontributionen vom Kaiser einforderten, was zusätzlich die Beschaffung von Münzsilber erschwerte. Man ging daher dazu über, auf Pagamentsilber, also Bruchsilber aus nicht verwendeten Edelmetallen, umzusteigen, welches aber wiederum am leichtesten nur bei mährischen Juden zu bekommen war. Sie seien „mit der Zeit zu einer Landplage geworden“, wird berichtet, und darüber hinaus zur erbitterten Konkurrenz der Münzmeister und Münzpächter im Kampfe ums Münzmetall. Als man den jüdischen Pächter namens Asher Rosi (17. Jh.) im bischöflichen Olmütz als Münzmeister angestellt hatte, erregte dies Aufsehen. Gleichzeitig hatte er als Geldgeber fungiert und signierte sein Gepräge mit dem Davidstern. Die eminente Bedeutung der Juden im Münzwesen des Reiches wurde zur Tatsache. Auch unter Leopold I. und seinen Söhnen Joseph I. und Karl VI. hatte sich unter der Bezeichnung „Münzjuden“ ein eigenes Gewerbe konstituiert, dessen Mitglieder Münzmetall zusammenkauften und Münzstätten in den metallarmen Ländern belieferten. Was die Währungen anbelangte, existierte bis ins 18. Jahrhundert hinein ein System mit 1 Pfund = 8 Schilling = 240 Pfennige, aber daneben gab es ein Wirrwarr verschiedenster Prägungen. Erst Ende des 19. Jahrhunderts rechnete man in Österreich mit Gulden und Kreuzern.
Zum Abschluss soll noch auf den wohl bekanntesten Pächter einer Münze im Deutschen Reich eingegangen werden. Es war dies Joseph Süss-Oppenheimer, Jud Süss genannt. Über seine Person steht in Überfülle Literatur zur Verfügung, abgesehen von mehreren Regalmetern Prozessakten. Aus angesehener jüdischer Kaufmannsfamilie stammend, wurde er nach 1690 in Heidelberg geboren, war Münzpächter in Stuttgart (1734), dann Hoffaktor in Württemberg und kam nach Verurteilung durch den Strang in Stuttgart am 4. 2. 1738 ums Leben. Er erschloss dem stets geldbedürftigen Herzog Alexander von Württemberg durch Münzmanipulationen Geldquellen. Süss missachtete bewusst die schon unter dem Vorgänger des Herzogs, nämlich Eberhard Ludwig, von mehreren Seiten erhaltenen und ausgesprochenen Warnungen, was die Ausmünzung von Karolinen und 30-Kreuzer-Stücken anbelangte. Süss war sich der Risken wohl bewusst und versuchte, sich rechtlich abzusichern. Im Juli 1734 intervenierte der Kaiser, der nach wie vor das Recht hatte, den Münzfuss zu kontrollieren, gedrängt durch die von vielen Seiten sich erhebenden Klagen. Durch ein eigenes Schreiben wurde der Herzog Karl Alexander zur Einstellung der ungesetzmässigen Ausmünzungen aufgefordert. Noch mehrmals warnte der Kaiser, auch die Münzdeputation machte Vorstellungen und prophezeite ein schlimmes Ende.
So sehr das Wirken Oppenheimers und sein gewaltsamer Tod die Nachwelt beeindruckte, so wenig wurde sein numismatischer „Nachlass“ registriert. Zur Erinnerung an seine Hinrichtung wurden bekanntlich mehrere Medaillen geprägt, die, eine ausgesprochene Rarität, heute Kostbarkeiten darstellen. Es handelt sich hierbei um pseudomonetäre Geldformen wie Schraubtaler-Spottmedaillen und Denkmünzen, die an die Ereignisse erinnern sollten. Die Medaillen sind rund und aus Metall. Die Schraubmedaille 1738 hat auf der Vorderseite n. l. die Umschrift: JUD. JOSEPH. SUS – 1738 – OPPENHEIMER. Auf der Rückseite ist ein Schafott mit Vogelkäfig abgebildet mit der Umschrift: AUS DISEM VOGLEL.HAUS-SCHAUT SÜS DER.-SCHELM.-HERAUS. Der Inhalt der Schraubmedaille zeigt zwei kolorierte Deckelbilder und 19 kolorierte Kupferstiche mit Szenen aus dem Leben des Jud Süss. Eine zweite, ebenfalls interessante Medaille ist jene, welche vorderseitig ein Brustbild des Delinquenten aufzuweisen hat. Die Abbildung der rückseitigen oberen Hälfte zeigt Süss, wie er gerade aus eine Kutsche aussteigt. Am Rand ist zweimal FORT . FORT eingeprägt. In der unteren Hälfte sieht man einen von Pferden gezogenen Wagen mit der drohenden Warnung eines Mannes, Süss sei jetzt dort, wo er hingehöre.
Eine dritte Medaille, die „Standard Jud Süs Medal“, präsentiert Oppenheimer mit Bart und Strick um den Hals ab. Die wahrscheinlich sehr naturgetreue Abbildung im Avers zeigt uns Süss, der von seiner Haft gezeichnet ist. Auf der Rückseite stehen vier Personen, die ihn anstarren. Die Legende vermerkt, er sei hochgestiegen und tief gefallen. Nun müsse er zur Belohnung im Käfig hängen.
Mit Joseph Süss Oppenheimer endete eine Ära jüdischer Partizipation im Münzwesen. Neue Zahlungsmittel, wie bereits unter Maria Theresia das Papiergeld, wurden forciert. Man glaubte damit, den Stein der Weisen gefunden zu haben, denn es liess sich nahezu beliebig oft vermehren. Die negativen Folgeerscheinungen hatte das gemeine Volk zu tragen.
Nachlese:
Alram Michael, Das Wiener Münzwesen im Mittelalter. In: Vom Pfennig zum Euro. 281. Sonderausstellung des Historischen Museums der Stadt Wien (2002)
Binder Christian, Württembergische Münz- und Medaillen-Kunde, neu bearbeitet von Julius Ebner (Stuttgart 1969)
Dhondt Jan, Das frühe Mittelalter (Frankfurt am Main 1968)
Friedenberg Daniel M., Jewish Minters & Medalists (Philadelphia 1976)
Friedenberg Daniel M., Jewish Medals (New York 1970)
Göbl Robert, Numismatik. Grundriss und wissenschaftliches System (München 1987)
Le Goff Jacques, Das Hochmittelalter (Frankfurt am Main 1965)
Numismatisches Nachrichtenblatt 4/ 1981, Jg. 30. Organ des Verbandes der Deutschen Münzvereine
Perger Richard, Die Gefangennahme des englischen Königs Richard Löwenherz bei Wien 1192 und die Gründung der Wiener Münzstätte. In: 281. Sonderausstellung des Historischen Museums der Stadt Wien (2002)
Probszt Günther, Österreichische Münzgeschichte. Von den Anfängen bis 1918 (Wien/ Köln/ Graz 1983)