Die Familienliste von 17971 gibt Aufschluss über die Hausgemeinschaft des damals bereits bestens etablierten Ehepaares Nathan Adam und Fanny von Arnstein in Wien.
Im Jahr 1797 waren die Dienstherren 49 Jahre (Nathan Adam Arnstein, zwei Jahre zuvor war er von Kaiser Franz II. in den Adelsstand erhoben worden für seine Verdienste) und 38 Jahre (Franziska Feigele geb. Itzig aus Berlin) alt. Sie hatten ein einziges Kind, ihre Tochter Henriette, zur Welt gekommen in Berlin 1780.
Für die Sechzehnjährige beschäftigen die Eltern eine Gouvernante, die 28-jährige Rebecca Volpi aus London, die auch im Haus wohnte. Diese Hauslehrerin stammte aus einer Familie von Italkim, deren Wurzeln bis zurück zur jüdischen Gemeinde Roms im antiken Imperium Romanum nachvollziehbar sind. Ihr ist das Gelingen der musikalischen Ausbildung ihres Schützlings zu verdanken, denn sie vermittelte zwischen der Klavierschülerin und ihrem Lehrer in London, dem italienischen Komponisten, Klavierbauer und Musikverleger Muzio Clementi (1752 Rom–1832 Evesham, England).
Auf Clementi waren die Arnsteins aufmerksam geworden über ihren zeitweiligen Untermieter Wolfgang Amadeus Mozart – er hatte, zur kaiserlichen Unterhaltung, am Weihnachtsabend 1781 mit Clementi vor Joseph II. und dessen Gästen um die Wette spielen müssen und Clementis innovative Behandlung des Instruments damals schätzen gelernt.
Ansonsten wohnten im gemeinsamen Haushalt der Arnsteins damals nur der 32-jährige Kammerdiener des Hausherrn Götz Würzburg aus Berlin (von Fanny später testamentarisch bedacht, seine Tochter Marie heiratete Moritz Reitlinger und folgte nach Fannys Tod als Nathan Adam Arnsteins Haushälterin Sara Epstein nach), als Wirtschafterin die 30-jährige Sara Epstein aus Pressburg (von Fanny später testamentarisch bedacht; sie war die Schwester des kaiserlichen Hofsekretärs, Numismatikers und Schachspielers Wenzel von Ankersberg), das Stubenmädchen Cecilia Kathlexerin, 24, aus Krems und der 30-jährige Hausknecht Andreas Heissler aus Ratzelsdorf.
Im Haus, aber nicht in einer gemeinsamen Wohnung mit dem Dienstherrn wohnten ein weiteres Stubenmädchen namens Peternella Blateisen, 22 Jahre alt, aus Böhmen, die 47-jährige Köchin Theresia Balaufin aus Wien, die Küchengehilfin Catharina Strobel, 27, aus Döbling, die Kammerjungfer Mariana Strobel, 34, aus Brünn sowie die oben genannte Londoner Gouvernante.
Grabmal von Götz Würzburg, neben dem seiner Frau Jeannette sowie von Nathan David Arnstein aus seiner Dienstherren-Familie gelegen, am jüdischen Friedhof Währing in Wien, Alte Ehrenallee, Reihe 1 in Gruppe 4 Nummer 10, 11 und 12.
Nathan Adams Onkel Salomon Benedikt Gomperz, 54, war ein Bruder von Nathan Adams Mutter Sibylle, der Tochter des Benedikt Bendit Gomperz aus Neumegen (nl. Nijmegen) und von Leopold Benedikt ben Bendit Gomperz in Brünn, des Stammvaters der Brünner Gomperz-Linie, die später auf ihrem Schloss Oslavany südwestlich der mährischen Hauptstadt Ferdinand von Saar als artist in residence beherbergte. Der Arnstein-Onkel Salomon wird gegenüber den Behörden im Formular als „Handlungs-Commis aus Holland“ angegeben, hielt sich aber wohl unter dem Schutz der Arnsteinschen Toleranz in eigener Sache in Wien auf, denn er wohnte im Haus Auf der Hohen Brücke.
Ein „polnischer Handlungsbuchhalter“ namens Joseph Beer, ein „Saldo-Conto-Buchhalter“ Mathias Fränkel aus Dresden und der Stallbursche Lazarus Abraham aus Teschen waren in anderen Häusern der Innenstadt untergebracht. Weitere, dann allerdings ausnahmslos christliche Angestellte, nämlich ein Kanzleidiener, zwei weitere Diener sowie zwei Kutscher wohnten hingegen ausserhalb des Glacis in der Josefstadt beziehungsweise in der Landstrasse-Vorstadt.
Grabmal von Salomon Benedikt Gomperz-Neumegen neben dem von Nathans Cousine Karoline Herz geb. Arnstein am jüdischen Friedhof Währing in Wien, Alte Prominentengruppe 4-2-34.
Alleine aus dieser Siedlungsverteilung lässt sich sehr schön ablesen, dass sowohl hinsichtlich der Einwanderungs- und Arbeitsmarktpolitik als auch in Hinblick auf die soziale Schichtung der Reichshaupt- und Residenzstadt Wien trotz josefinischen Reformeifers das Zeitalter der Hofjuden in jenen Jahren noch andauerte; vom Ende der Feudalherrschaft und einer Verbürgerlichung ist in diesem Zusammenhang entgegen aller Emanzipationsbestrebungen nichts zu bemerken.
Dazu passt, dass die jüdischen Angestellten von Nathan Adam und Fanny Arnstein später noch traditionell im unmittelbaren räumlichen Zusammenhang mit ihrer Dienstherrschaft in den Familien-Clustern der Arnstein-Grabanlagen am jüdischen Friedhof Währing bestattet wurden.
Grabmal von Moriz Reitlinger, es steht neben dem seiner Ehefrau Maria geb. Würzburg im Familien-Cluster bei Heinrich Arnstein, Alte Prominentengruppe 4, Reihe 9, Nummer 57.
Grabinschrift für Sara Epstein, gewidmet "Zur Anerkennung ihrer vieljährigen treuen Dienste von Frau Henriette Freyin von
Pereira-Arnstein", im Familien-Cluster der Dienstherrschaft;
WFH, Inv.Nr. Walzer 4-5-34.
Anmerkung
1 Bernhard Wachstein, Die Inschriften des alten Judenfriedhofes in Wien, 2. Teil: 1696–1783, Wien: Braumüller 1917 (= Quellen und Forschungen zur Geschichte der Juden in Deutsch-Österreich, hg.v. Historische Kommission der Israelitischen Kultusgemeinde in Wien, Bd. IV), S. 464: Nathan Adam Arnstein, Familienliste: „Verzeichnis meiner Familie mit Inbegriff der in meiner Versorgung lebenden Kinder, dann der in meiner Versorgung stehenden Dienstboten“.
Teil III dieser Serie folgt in der kommenden Ausgabe, DAVID, Heft 143, Chanukka 5785/Dezember 2024.
Teil I: Tina Walzer, The Next Generation: Die Kinder der Arnstein und Eskeles, ist in DAVID, Heft 141, Sommer 2024, erschienen.
Alle Abbildungen: T. Walzer 2011, mit freundlicher Genehmigung.
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