Ein lebendiges Erbe und eine florierende Gemeinschaft
Die bucharischen Juden, eine traditionsreiche und bemerkenswerte Gemeinschaft, zählen weltweit etwa 350.000 Mitglieder. Von diesen leben rund 50.000 in den Vereinigten Staaten, mit einer starken Konzentration von 40.000 allein in New York. Weitere 150.000 sind aus Zentralasien nach Israel ausgewandert. Zudem finden sich kleinere Gruppen in Kanada, Russland, Australien, Usbekistan, Deutschland und Österreich. In Österreich lebt eine lebendige bucharische Gemeinde mit etwa 3.000 Mitgliedern. Diese bucharische Gemeinde spielt eine zentrale Rolle bei der Aufrechterhaltung und Förderung der jüdischen Infrastruktur in Österreich. Sie unterstützt eine Vielzahl koscherer Geschäfte, Supermärkte und Restaurants, die die jüdische Bevölkerung mit den notwendigen, den jüdischen Speisegesetzen entsprechenden Lebensmitteln versorgen. Diese kulinarische Versorgung ist von grosser Bedeutung, da sie es den Mitgliedern der Gemeinde ermöglicht, ihre religiösen Praktiken auch fernab ihrer ursprünglichen Heimat zu leben und zu pflegen.
Neben der materiellen Versorgung bietet die bucharische Gemeinde auch eine beeindruckende Vielfalt an kulturellen und religiösen Aktivitäten. Jährlich werden über 200 Veranstaltungen organisiert, unterstützt von 120 engagierten ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Diese Aktivitäten bilden das Rückgrat der „geistigen“ und religiösen Infrastruktur der jüdischen Gemeinschaft in Wien. Vom Sefardischen Zentrum in der Tempelgasse 7 aus, dem Zentrum der Gemeinde, werden sechs Synagogen, die nach sefardischem Ritus geführt werden, mit Rabbinern und religiöser Unterstützung versorgt. Solche Bemühungen tragen dazu bei, dass die Zahl der Gebetsteilnehmer kontinuierlich wächst und das jüdische Leben in Wien wieder erblüht. Ein wichtiger Fokus der bucharischen Gemeinde liegt auf der Jugendförderung. Die Jugendorganisationen Jad beJad (Hand in Hand) und Club Chai (Club des Lebens) bieten der jungen Generation zahlreiche Programme und Aktivitäten, die darauf abzielen, ihre jüdische Identität zu stärken und ihre kulturellen Wurzeln zu pflegen. Diese Organisationen spielen eine entscheidende Rolle dabei, die nächste Generation zu fördern und sicherzustellen, dass eine starke und engagierte jüdische Zukunft in Wien gewährleistet ist.
Die Geschichte der bucharischen Juden in Österreich reicht bis in die späten 1980er Jahre zurück, als viele von ihnen in das Land kamen. Seitdem haben sie nicht nur ihre Integration erfolgreich gemeistert, sondern auch bedeutende berufliche und wirtschaftliche Erfolge erzielt. Mitglieder der Gemeinde sind in verschiedenen Bereichen aktiv, darunter Handel, Wirtschaft und den freien Berufen. Ihre Geschichten von Erfolg und Durchhaltevermögen sind inspirierend und zeigen, wie sie zur Vielfalt und zum Reichtum der österreichischen Gesellschaft beitragen. In den letzten Jahrzehnten haben die bucharischen Juden entscheidend zu den Errungenschaften der jüdischen Gemeinde in Wien beigetragen. Einrichtungen wie das Jüdische Berufliche Bildungszentrum (JBBZ), das Zwi Perez Chajes-Gymnasium (ZPC) und das Maimonides-Zentrum (MZ) sind bedeutende Meilensteine, die ohne das Engagement und die Unterstützung der bucharischen Gemeinschaft kaum möglich gewesen wären. Diese Errungenschaften zeigen, wie tief die bucharische Gemeinde in das jüdische Leben in Wien verwoben ist und wie sie massgeblich zur Entwicklung und Stärkung der jüdischen Infrastruktur in der Stadt beigetragen hat.
Die bucharische Gemeinde in Österreich sieht es als ihre Aufgabe, diese Erfolge zu würdigen und weiter auszubauen. Sie ist bestrebt, die Gemeinschaft zu stärken und ihre Rolle in der Gesellschaft hervorzuheben. In einem offenen Dialog möchte die Gemeinde ihre vielfältigen Leistungen darstellen und die positiven Auswirkungen auf die jüdische Gemeinschaft und darüber hinaus betonen. Es ist ihr ein Anliegen, das Verständnis und die Wertschätzung für die bucharische jüdische Kultur und Tradition in Österreich zu fördern. In einer Welt, die sich ständig verändert und weiterentwickelt, bleibt die bucharische Gemeinde ein beständiges und lebendiges Erbe. Ihr Beitrag zur kulturellen Vielfalt und ihr Engagement für den Erhalt ihrer einzigartigen Traditionen sind unschätzbare Bereicherungen für Österreich. Die Gemeinde wird weiterhin daran arbeiten, ihre Traditionen zu bewahren und ihre Gemeinschaft zu fördern, um sicherzustellen, dass sie auch in Zukunft blühen und gedeihen kann.
Mit ihrer tiefen Verbundenheit zur eigenen Kultur und ihrem aktiven Beitrag zur österreichischen Gesellschaft setzt die bucharische Gemeinde ein lebendiges Zeichen für das gelungene Miteinander verschiedener Kulturen und Traditionen. Sie steht als Beispiel dafür, wie Integration und kulturelle Vielfalt Hand in Hand gehen können, und unterstreicht die Bedeutung des interkulturellen Dialogs und der gegenseitigen Wertschätzung. Die bucharische Gemeinde wird auch in Zukunft eine wichtige Rolle in der österreichischen Gesellschaft spielen, indem sie ihre Traditionen pflegt und gleichzeitig offen für neue Entwicklungen bleibt. Ein wesentlicher Bestandteil des kulturellen Lebens der bucharischen Gemeinde in Österreich sind ihre religiösen Feste und Feierlichkeiten. Diese Anlässe bieten nicht nur Gelegenheit zur spirituellen Einkehr, sondern stärken auch den Zusammenhalt innerhalb der Gemeinschaft. Zu den wichtigsten Feiertagen gehören das Pessach-Fest, das an den Auszug der Israeliten aus Ägypten erinnert, sowie das Chanukka-Fest, das an das Wunder der Öllampe im wiedergeweihten Tempel von Jerusalem erinnert. Beide Feste werden mit speziellen Ritualen und Bräuchen begangen, die tief in der Tradition der bucharischen Juden verwurzelt sind. Das Pessach-Fest wird mit einem besonderen Seder-Abend eingeleitet, an dem die Geschichte des Auszugs aus Ägypten gelesen wird. Es ist eine Zeit des Gedenkens und der Erneuerung, die Familie und Freunde zusammenbringt. Chanukka hingegen wird durch das Anzünden der Menora, eines achtarmigen Leuchters, gefeiert. Jeden Abend wird eine weitere Kerze entzündet, begleitet von Gesängen und Gebeten. Beide Feste bieten nicht nur einen tiefen spirituellen Gehalt, sondern sind auch Gelegenheiten für die Gemeinschaft, sich zu versammeln und ihre kulturelle Identität zu feiern.
Die bucharische Gemeinde in Österreich ist für ihre starke Bindung an ihre kulinarischen Traditionen bekannt. Die bucharische Küche ist reich an Aromen und Einflüssen, die die lange Geschichte und die vielfältigen kulturellen Begegnungen der Gemeinde widerspiegeln. Zu den typischen Gerichten gehören „Plov“, ein Reisgericht mit Fleisch und Gewürzen, und „Mantu“, gedämpfte Teigtaschen gefüllt mit Fleisch oder Gemüse. Diese Gerichte sind nicht nur ein kulinarischer Genuss, sondern auch ein wichtiger Bestandteil der kulturellen Identität der bucharischen Juden. Ein weiteres bemerkenswertes Merkmal der bucharischen Gemeinde ist ihr Engagement im Bildungsbereich. Die Gemeinde legt grossen Wert auf die Förderung von Bildung und Wissen, sowohl im religiösen als auch im säkularen Bereich. Es gibt spezielle Programme für die jüdische Erziehung, die sich auf das Studium der Tora und anderer heiliger Schriften konzentrieren. Gleichzeitig wird auch die weltliche Bildung gefördert, um den Mitgliedern der Gemeinde die besten Chancen für ihre berufliche und persönliche Entwicklung zu bieten. Dieser duale Bildungsansatz ist ein Eckpfeiler der Gemeinde und trägt dazu bei, eine gebildete und engagierte Generation heranzuziehen. In der bucharischen Gemeinde in Österreich wird auch Kunst und Kultur eine besondere Bedeutung beigemessen. Es gibt regelmässig Ausstellungen und kulturelle Veranstaltungen, die das reiche Erbe der bucharischen Juden präsentieren und fördern. Diese Veranstaltungen bieten nicht nur eine Plattform für Künstler und Kulturschaffende, sondern stärken auch das kulturelle Bewusstsein und die Identität der Gemeinde. Durch solche Initiativen wird das kulturelle Erbe lebendig gehalten und an die nächsten Generationen weitergegeben.
Abschliessend lässt sich sagen, dass die bucharische Gemeinde in Österreich ein lebendiges Beispiel für eine erfolgreiche Integration und kulturelle Bereicherung darstellt. Sie hat es geschafft, ihre einzigartigen Traditionen und Bräuche zu bewahren und gleichzeitig aktiv am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Durch ihre vielfältigen Aktivitäten und ihr starkes Gemeinschaftsgefühl trägt sie massgeblich zur kulturellen Vielfalt und zum sozialen Zusammenhalt in Österreich bei. Die bucharische Gemeinde bleibt eine Quelle des Stolzes und der Inspiration, die ihre Traditionen pflegt und gleichzeitig offen für neue Einflüsse ist. Sie zeigt, wie eine starke kulturelle Identität und eine erfolgreiche Integration Hand in Hand gehen können, und setzt damit ein wichtiges Zeichen für die Zukunft.
Teil I dieses Beitrags ist in der letzten Ausgabe, DAVID Heft 141, Sommer 2024 erschienen.
Alle Abbildungen: M. Mikula, mit freundlicher Genehmigung.