Ausgabe

Jüdische Komponistinnen

Barbara Moser

Inhalt

Andrea Schwab: Jüdische Komponistinnen – Zwischen Erfolg und Verfolgung, Exil und Heimkehr.

Wien: Hollitzer Verlag 2022.

182 Seiten, Euro 35,00.-
ISBN 978-3-99012-810-7

Die Autorin zeichnet in ihrem Buch die Lebenswege von neun jüdischen Frauen nach, die in der von zwei Weltkriegen und der Shoah geprägten Epoche und auch danach auf unterschiedlichste Art und Weise ihre musikalisch-schöpferischen Begabungen lebten. Dazu gesellen sich eine viel früher Geborene und eine Nichtjüdin. Was allen Frauen gemein ist: Sie stammen aus wohlhabenden Verhältnissen.

 

Die erste im Buch vorgestellte Komponistin, Baronin ­Mathilde von Rothschild (1832 – 1924), kann vielleicht eher als schillernde Erscheinung betrachtet werden, denn im Vergleich zu den anderen. Sie ist gut zwei Generationen älter, war also von der 1848er Revolution betroffen und nicht vom Holocaust, sie erhielt noch in Chopins Todesjahr von ihm Klavierunterricht. Über etwaige Kompositions­studien ist nichts bekannt, sie muss aber ein gutes Gespür für Melodien gehabt haben, wurden doch mehrere ihrer Lieder von sehr berühmten Künstlern europaweit aufgeführt. Die Häufigkeit der Aufführungen mag auch mit der bekannten Grosszügigkeit der Schöpferin dieser Lieder zu tun haben – sie war bekannt dafür, jede ihr zur Kenntnis gebrachte Darbietung mit wertvollen Geschenken zu belohnen. Dass Alma Mahler (1879 – 1964) den Weg in dieses Buch gefunden hat, ist (ob des Titels) vielleicht noch überraschender – sie war nämlich keine Jüdin –, aber prominent und mit jüdischen ­Männern (Mahler, Werfel) verheiratet. ­Josefine Auspitz-Winter (1873 – 1943) ist der tragischste Fall in dieser Portraitserie. Hochbegabt in der Bildenden Kunst und der Komposition, wurde sie in beiden Feldern professionell ausgebildet, war ein Leben lang hoch angesehen, wohltätig in diversen Bereichen und auch als Schriftstellerin tätig. Leider verkannte sie den Ernst der Lage Ende der 1930er Jahre und glaubte hartnäckig daran, ihre belegten Verdienste um die Allgemeinheit würden sie schützen. Sie starb enteignet und nach Theresienstadt (Terezín, heute Tschechische Re­publik) deportiert in diesem Lager.

 

Hilde Loewe-Flatter (1895 – 1976), eine angesehene Pianistin, Komponistin und Pädagogin, griff auf einen bei Komponistinnen beliebten und erfolgreichen Trick zurück, um dem sich ewig haltenden Vorurteil, Frauen könnten schöpferisch nur minderbegabt sein, zu entkommen: Sie gab sich ein männliches Pseudonym und die Lieder des „Henry Love“ wurden im Radio rauf und runter gespielt und durch prominente Interpretinnen und Interpreten von Richard Tauber bis Irmgard Knef über viele Jahrzehnte in die ganze Welt getragen. Ihren Lebensunterhalt nach der Emigration verdiente sich Loewe als Pianistin und Lehrerin in Grossbritannien, auch sie hatte das Komponieren nie als ihre Hauttätigkeit angesehen. Lisa Maria Mayers Vater hatte noch auf Wunsch seiner Eltern Kaufmann werden müssen. Seiner eigenen hochbegabten Tochter (1894 – 1968) ermöglichte er hingegen umfassende Ausbildungen zur Pianistin, Komponistin und Dirigentin (Klasse Franz Schalk).  Mayer übte zeitlebens ihre drei Berufe aus, dirigierte sogar die Berliner Philharmoniker. Auch ihr blieb ein einschneidender Karriereknick durch die Repressalien des Ständestaats und der darauffolgenden Nationalsozialisten nicht erspart. Dank der Heirat mit einem Nichtjuden konnten die zum Katholizismus konvertierte Mayer und ihre Tochter in Wien überleben. Auch in das Leben und Wirken von Camilla Frydan, Vally Weigl, Anita Bild, Hilde Geiringer, Ilse Weber und Hansi Alt einzutauchen ist ein absolut lohnendes Unterfangen, sind doch alle Portraits liebevoll und detailreich recherchiert und bieten von skurrilen Anekdoten bis zu posthum ganz zufällig übermittelten Briefen einer Mutter an den Sohn viel Persönliches.

Am Ende jedes Portraits ist ein kurzer Lebenslauf auf Englisch, Hebräisch und Japanisch zu finden. Ob die jeweilige Zielgruppe in einem deutschsprachigen Buch erreicht werden kann? Die Übersetzer bleiben ungenannt.

 

Zur Autorin

Andrea Schwab, geboren 1958 in Wien, studierte Theaterwissenschaften, Germanistik und Gesang. Neben ihren Tätigkeiten als Gesangslehrerin, Stimmtrainerin und Publizistin tritt sie auch regelmässig als Lied-Sängerin in Erscheinung. Der hier vorgestellten Publikation ging ein Buch über aussergewöhnliche Komponistinnen des 18. und 19. Jahrhunderts voraus, 2019 ebenfalls im Hollitzer Verlag erschienen.

 

judische-komponistinnen.jpg