Ausgabe

Mit Operetten um die ganze Welt. Richard Tauber und Leo Fall

Tina Walzer

Beliebte Melodien, weltbekannt aus Funk und Film, konnten Schöpfer und Interpreten dennoch nicht vor der barbarischen Verfolgung durch die im Rassenwahn fanatisierten Nationalsozialisten schützen. Zu den Opfern gehören der Startenor Richard  Tauber und die Librettisten Leo Falls.

Inhalt

Richard Tauber Denemy wurde am 16. Mai 1891 im Linzer Hotel Zum schwarzen Bären als Sohn der Soubrette ­Elisabeth Seifferth geb. Denemy und des Schauspielers und Musikintendanten Richard Anton Tauber geboren. Da beide Eltern und ihr Kind katholisch waren, bestand der einzige Zusammenhang Taubers mit dem Judentum in den religiösen Vorfahren seines Vaters. Dennoch wurde er, in­zwischen als Tenor bereits weltweit berühmt und aus Funk und Film jedermann bekannt, ab 1933 in Deutschland von den Nationalsozialisten als „Judenlümmel“ attackiert, verfolgt und schliesslich 1938 ins Exil gezwungen.

Nach einem kometenhaften Aufstieg als Mozart-Interpret in den frühen 1920er Jahren hatte der Sänger regelmässig Engagements bei den Salzburger Festspielen erhalten. Taubers enger Freund, der Komponist Franz Léhar, gestaltete die Tenorpartien seiner berühmtesten Operettenwerke – umgangssprachlich bald als Tauberlieder bekannt – speziell für dessen Stimme, etwa in Giuditta (Libretto: Paul Knepler und Fritz Beda Löhner1, Wiener Staatsoper 1934). Weltruhm erlangte Taubers Interpretation von Dein ist mein ganzes Herz (Tenorarie des Prinzen Sou-Chong in Das Land des Lächelns2, 1929). 

 

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Richard Tauber, 1900. Foto: Library of Congress,  https://lccn.loc.gov/2014714361. Quelle: Wikimedia Commons, gemeinfrei: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Tauber_LCCN2014714361.jpg

Im Jahr darauf nahm Taubers Karriere auch im englischsprachigen Ausland Fahrt auf. Beginnend mit Ich küsse Ihre Hand, Madame (Deutschland, 1929) mit Marlene Dietrich entstanden parallel dazu und bis 1946 vierzehn Tonfilme. Die aufgebauten Kontakte ermöglichten es dem Startenor, aus Österreich 1938 im Rahmen einer Welttournee zu fliehen und anschliessend Aufnahme in Grossbritannien zu finden; 1940 erhielt er die dortige Staatsbürgerschaft. 

Wie viel Glück bei Taubers Rettung im Spiel gewesen sein mag, kann am tragischen Schicksal seines ebenso berühmten Kollegen Josef Schmidt (1904–1942) ermessen werden, dessen Flucht in der Schweiz steckenblieb und in einem Schweizer Lager für „illegale Flüchtlinge“ mit dem elenden Zugrundegehen des begnadeten Sängers endete, als ihm die Behandlung einer aufgetretenen Herzkrankheit verwehrt wurde. Tauber hingegen trat ein letztes Mal 1947 auf – mit dem Ensemble der Wiener Staatsoper in einer Londoner Aufführung von Mozarts Don Giovanni als Don Ottavio. Der König des Belcanto verstarb am 8. Januar 1948 in London und wurde am Friedhof Brompton beigesetzt. Immerhin erinnert heute ein Gedenkstein am Friedhof des oberösterreichischen Kurorts Bad Ischl an ihn.

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Gedenkstein für Richard Tauber am Kommunalfriedhof von Bad Ischl, Oberösterreich. Quelle: Wikimedia Commons, gemeinfrei: https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Gedenkstein_für_Richard_Tauber_-_Friedhof_Bad_Ischl.jpg

 

Silberne Operetten-Ära in Wien

 

Leopold (Leo) Fall kam am 2. Februar 1873 in Olmütz (tschech. Olomouc) zur Welt, studierte am Wiener Konservatorium der Gesellschaft der Musikfreunde und verbrachte die ersten Jahre seiner Karriere in Hamburg und Berlin, bevor er sich 1906 in Wien niederliess. Hier begann er sich auf das Komponieren von Operetten zu konzentrieren und arbeitete mit den bekanntesten Librettisten seiner Zeit zusammen. 

Unter seinen weltberühmten Werken finden sich Die Dollarprinzessin (Libretto: Fritz Grünbaum3, 1907), Der fidele Bauer (Libretto: Victor Léon, 1907; Arien: Morgen muss ich fort von hier; Jeder tragt sei Pinkerl und steht oft im Winkerl), Die geschiedene Frau (Libretto: Victor Léon, Premiere am Wiener Carltheater 1908 mit Mizzi Zwerenz und Léons Schwiegersohn Hubert Marischka in den Hauptrollen), Die Rose von Stambul (Arie: Von Reformen, ganz enormen, träumen wir am Bosporus; Libretto: Julius Brammer und Alfred Grünwald,4 Theater an der Wien 1916) und Madame Pompadour (uraufgeführt in Berlin 1922 mit Fritzi Massary in der Titelrolle).

 

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Die Rose von Stambul, Operette von Leo Fall, Klavierauszug, ca. 1917. Quelle: Wikimedia Commons, gemeinfrei: https://en.wikipedia.org/wiki/File:Titel_-_Klavierauszug_-_Rose_von_Stambul.jpg

 

Am 16. September 1925 verstarb der neben Franz Léhar bedeutendste Vertreter der Silbernen Operetten-Ära in Wien und wurde in der neuen jüdischen Abteilung des Wiener Zentralfriedhofs bei Tor IV bestattet. 

Leo Falls Werke wurden von den Nationalsozialisten verboten, seine beiden Brüder, der Filmkomponist Richard Fall (1882–1945 Auschwitz) und der Opernkomponist Siegfried Fall (1877–1943 Theresienstadt/Terezín) wurden verfolgt und in den Konzentrationslagern ermordet.

 

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Leo Fall, Der fidele Bauer, Plakat der Erstaufführung am Theater an der Wien 1908. Quelle: Wikimedia Commons, gemeinfrei: https://en.wikipedia.org/wiki/File:Der_fidele_Bauer,_poster,_1908.jpg

 

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Die Dollarprinzessin. Schallplatte, Philips, Serie Klingende Kostbarkeiten 421 039 PE, Deutschland, 1957. Quelle: Discogs.com 

 

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Leo Fall. Österreichische Briefmarke, 1975.​​​​​​

 

Anmerkungen

1 Vgl. zu Fritz Beda Löhner auch: Tina Walzer, Der Komponist der „Blume von Hawaii“. Paul Abraham zum 125. Geburtstag. In: DAVID 115, Chanukka 5778/Dezember 2017, S. 46, online: https://davidkultur.at/artikel/der-komponist-der-blume-von-hawaii. Vgl. auch den Eintrag zur Adresse (Wien 8) Langegasse 46, Immer nur lächeln – Fritz Beda Löhner und Familie. In: Irmtraut Karlsson/Manfred Kerry/Tina Walzer (Hg.), ... lebte in der Josefstadt: Steine der Erinnerung 1938–1945. Wien: Milena-Verlag 2008, S. 87-93.

2 Die Titelpartie war 1923 noch vom Schwiegersohn des Operettenlibrettisten Victor Léon, Hubert Marischka, gesungen worden. Zu deren Familienverbindungen und der Idee zum Stoff der Operette vgl. Tina Walzer, Musik und Überleben: Kurt Weill, Victor Léon, Paul Abraham, Walter Arlen zum 100. Geburtstag. In: DAVID 125, Sommer 2020, S. 30-32, online: https://davidkultur.at/artikel/musik-und-ueberleben-kurt-weill-victor-leon-paul-abraham-walter-arlen-zum-100-geburtstag

3 Noch 1997/98, nach der Beschlagnahme von Gemälden des österreichischen Malers Egon Schiele aus dem Eigentum von Fritz Grünbaum als NS-Raubkunst (Nazi looted art) im Museum of Modern Art durch das Büro des Manhattan District Attorney (leitenden Staatsanwalts) Robert M. Morgenthau, als die tragischen Schicksale des Kabarettisten und seiner Familie für die Nachkommen durch die Autorin aufgearbeitet wurden, war auch von den Tantiemen aus der Dollarprinzessin die Rede.

4 Vgl. zu Brammer und Grünwald auch Tina Walzer, Ikonen der Unterhaltungskultur: Oscar Straus und Groucho Marx. In: DAVID 124, Pessach 5780/April 2020, S. 22-23, online: https://davidkultur.at/artikel/-ikonen-der-unterhaltungskultur-oscar-straus-und-groucho-marx