Ausgabe

Wandern und Staunen Der Geschichtsweg von Lackenbach

Michael Bittner

Das jüdische Viertel von Lackenbach befand sich zwischen Hauptplatz, Bergstrasse, Schlossgasse und Brunnengasse, dort lag auch die Synagoge, die 1942 gesprengt wurde.

Inhalt

Lackenbach, der freundliche Ort im Mittelburgenland, macht seinem Namen keine Ehre mehr – er präsentierte sich bei meinem Besuch im Juli 2023 von seiner trockenen Seite. Es ist ein historisch bedeutsamer Ort – eine der „Siebengemeinden“ der Esterházys, wo es schon bald nach 1671 eine jüdische Gemeinde gab.2 Von ihrer Prosperität zeugt nur noch der grosse und wunderbar gepflegte Friedhof, der die Katastrophe des Nationalsozialismus unbeschadet überstanden hat. 

 

Arthur Schnitzlers Urgrossvater Markus Mordechai Schey ist hier begraben.3 1836 waren 753 Personen (55 Prozent der Ortbevölkerung) jüdischen Glaubens, doch setzte um 1860 die Abwanderung ein.4 

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Lackenbach, ein idyllischer Marktflecken im Mittelburgenland.

Nach dem „Anschluss“ wurde die Lackenbacher Gemeinde nach Wien zwangsverschickt und schliesslich in der Shoah ermordet. Insgesamt wurden es 190 Menschen Opfer der Shoah.5

 

 

Der Geschichtsweg – Vorsicht! Er geht bergauf! – beginnt bei der ehemaligen Druckerei Krausz am Hauptplatz, daneben die koschere Bäckerei und Sodawassererzeugung Kohn, dann an der Bergstrasse das „Ullmann-Haus“, in der Gasse rechts der Standort der Synagoge und gegenüber die Talmud-
Thora-Schule, dann das Haus der Textilhandelsfirma ­Heinrich Grünsfeld, dann zum koscheren Gasthaus, dem Geburtshaus des Sozialdemokraten Julius Deutsch (1884–1968)6, hierauf zum beeindruckenden jüdischen Friedhof (Schlüssel im Gemeindeamt) und schliesslich zum Mahnmal für die ermordeten Roma und Sinti.7 Es empfiehlt sich, vor dem Besuch im Internet die Gedenkorte auf der Karte zu ­suchen, da sich die Informationstafeln manchmal ­verstecken. Aber die freundliche Ortsbevölkerung hilft gerne weiter und weist den richtigen Weg. 

 

Heute wird in Lackenbach vor allem auch der hier im ­„Anhaltelager“ ermordeten Roma gedacht, jedes Jahr im ­November.8 Der Teil des Friedhofs mit den Massengräbern der Roma ist durch einen eigenen Eingang erreichbar, der sich in der Einfahrt eines Privathauses an der Bergstrasse befindet, neben dem Seiteneingang des jüdischen Friedhofs.

 

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Geburtshaus des Sozialdemokraten Julius Deutsch (1884-1964), ehemaliges koscheres Gasthaus.

Anmerkungen

 

1 Virtuelle Rekonstruktion von Benjamin Gaugelhofer 2016, link: https://publik.tuwien.ac.at/files/PubDat_249056.pdf abgerufen 17.07.2023; veröffentlicht in DAVID, Heft 111, Chanukka 2016: Benjamin Gaugelhofer: Virtuelle Rekonstruktion der Synagoge in Lackenbach, link: https://davidkultur.at/artikel/virtuelle-rekonstruktion-der-synagoge-in-lackenbach

2 Brugger Eveline, Keil, Martha, Lichtblau, Albert, Lind, Christoph, Staudinger, Barbara: Geschichte der Juden in Österreich (Wien 2006) S. 359. Weiters Rafaela Stankevich: Die jüdische Gemeinde Lackenbach. In: DAVID Heft 110, Rosch Haschana 2016, link: https://davidkultur.at/artikel/die-judische-gemeinde-lackenbach

3 https://www.gedenkweg.at/lackenbach1 abgerufen 17.07.2023

4 Burgenländische Forschungsgesellschaft (Hg.): Jüdische Kulturwege im Burgenland. Rundgänge durch die „Sieben Gemeinden“ (Scheva Kehillot) und die Gemeinden des Südburgenlandes. (Eisenstadt o.J)., S.24.

5 https://www.gedenkweg.at/lackenbach1 abgerufen 17.07.2023

6 https://wk1.staatsarchiv.at/militarisierung-der-politik/julius-deutsch/ abgerufen 17.07.2023

7 http://www.vertrieben.at/lackenbach.html abgerufen 20.07.2023

8 https://www.kv-roma.at/content/Mahnmal-in-Lackenbach.html abgerufen 17.07.2023

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Mahnmal für die ermordeten Roma nahe dem jüdischen Friedhof.

 

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Der beeindruckende jüdische Friedhof mit seinen 1.700 Grabsteinen.

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Grüfte der Familie Schey auf dem jüdischen Friedhof.

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Die Stelle der 1942 gesprengten Synagoge in der Brunnengasse.

Alle Fotos: Ingrid Bittner, mit freundlicher Genehmigung.