Am 7. Juni verstarb die Fotografin, Journalistin und Zeichnerin Lisl Steiner in Pound Ridge bei New York. Bekannt wurde sie vor allem durch ihre Porträts prominenter Persönlichkeiten, wie Jacky Kennedy, Indira Ghandi, Henry Kissinger und Fidel Castro.
Elisabeth (Lisl) Steiner wurde am 19. November 1927 in Wien geboren, wo sie bis zu ihrem elften Lebensjahr aufwuchs. Da ihre Mutter Jüdin war, emigrierte die Familie 1938 über Triest nach Buenos Aires, wo ein Bruder ihres Vaters lebte:
„Übertriebene Fluchtgeschichten will sie dennoch keine über sich verbreitet wissen. ‚Wir waren schon vorher weg‘, sagt sie trocken. Gemeint ist: bevor Hitler hier sein Unwesen trieb.
‚Uns ist nichts passiert.‘"1
1941 bis 1944 studierte Lisl Steiner Bildende Kunst an der Escuela Superior de Bellas Artes „Fernando Fader“. Nach dem Abbruch des Studiums bildete sie sich autodidaktisch weiter. Künstlerisch wurde sie von Gyula Kosice beeinflusst, einem der Väter der Kunstrichtung Movimiento Arte Madí2 und konnte ihre Zeichnungen in Gruppenausstellungen präsentieren. Von 1945 bis 1953 war sie als Produktionsassistentin für Dokumentarfilme tätig. Darüber hinaus arbeitete sie als Fotojournalistin für die Zeitschriften Buenos Aires Musical und Leoplan, wo sie unter anderem Brasilien bereiste. Neben renommierten Persönlichkeiten porträtierte sie auch unbekannte Personen und engagierte sich ab 1959 im Sozialprojekt Children of America, in dem sie Fotos von Kindern aus nord- und südamerikanischen Ländern anfertigte.
Im Jahre 1960 übersiedelte sie nach New York, wo sie zunächst als Fotografin für die Bildagentur Keystone tätig war. Es entstanden Fotografien, die in Zeitschriften wie Time, Die Woche und in der New York Times erschienen. In der Männerdomäne der Fotografie konnte sie sich gut behaupten:
„’Ich war immer die einzige Frau‘, sagt sie, ‚aber es war nicht schwer für mich. Wenn man etwas wirklich will, dann muss man sich eben bemühen, ein Nein in ein Ja umzuwandeln. Darin war ich immer geschickt.‘"3
Seit den 1990er Jahren besuchte Lisl Steiner regelmässig ihre Geburtsstadt, wo sie sich auch sehr für die Caritas engagierte. Ihren Vorlass von Zeichnungen und Fotografien überliess sie der Österreichischen Nationalbibliothek.
2015 erschien ihr autobiografisches Buch Lisl Baby – Ich bin die Sheherezade der Fotografie. In erster Ehe war sie mit einem Sohn des deutschen Opernregisseurs Otto Erhardt verheiratet. 1970 ehelichte sie den New Yorker Psychoanalytiker Michael Meyer Monchek, mit dem sie nach Pound Ridge bei New York zog.
Lisl Steiner starb am 7. Juni 2023 im Alter von 95 Jahren in einem Krankenhaus in Pound Ridge an den Folgen einer Infektion. Anlässlich ihres 91. Geburtstag meinte sie:
„Ich bin letzte Woche 91 geworden. Was mir heute wichtig ist: Die kleinen Dinge. Das scheinbar Unwichtige. Das Hinsehen. Das Stehen bleiben. Das viele Schöne um uns. Das miteinander Reden. Das sich Zeit lassen. Das aufeinander Acht geben. Das auf Fremde zu gehen. Das einander Verstehen.“4
Lisl Steiner 2013. Foto: Bonni Brodnick. Quelle: Wikimedia commons, gemeinfei: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/8/8f/Lisl-steiner.jpg ;https://creativecommons.org/licenses/by/3.0/
Anmerkungen
2 Gyula Kosice (1924 als Fernando Fallik im tschechoslowakischen Košice geboren – 2016) war ein Objektkünstler und Vertreter der Kinetischen Kunst, bei der Bewegung ein wichtiger ästhetischer Bestandteil des Kunstobjekts ist; https://www.leontovargallery.com/gyula-kosice (06.07.2023).
3 https://www.derstandard.at/story/2000026136056/lisl-steiner-die-scheherazade-der-fotografie (05.07.2023).