Die Otto Wagner Synagoge in der Budapester Rumbach utca. 3D Längsschnitt, Visualisierung, I. Schultmeyer, mit freundlicher Genehmigung.
Die „kleine“ Synagoge in der Budapester Rumbach Sebestyén utca wurde 1869–72 nach Entwürfen des österreichischen Architekten Otto Wagner im maurischen Stil erbaut.
Die Rumbach Synagoge ist ein prächtiges Bauwerk und kann mit Ludwig Försters „grosser“ Synagoge in der benachbarten Dohány utca konkurrieren. Während der Weltkriege erlitt sie schwere Zerstörungen. Durch Nichtnutzung und Dachschäden verfiel sie zunehmend; 1960 wurde sie unter Denkmalschutz gestellt. In den 1980er Jahren erfolgte eine Teilrestaurierung. Als modernes Kulturzentrum wurde das Bauwerk im November 2019, nach zehn Jahren aufwendiger Sanierung, der Öffentlichkeit wieder zugänglich gemacht.
Die Rumbach Synagoge besitzt, neben dem zentralen Grundriss, aus der industriellen Bausprache abgeleitete Basilikafenster, extrem dünne Wände sowie eine sichtbare Deckenstruktur. Optisch dominant sind maurische Elemente wie Säulen und Oberflächendekoration, die an die Alhambra erinnern sollen. Diese einzigartige Kombination verleiht der Synagoge ihre besondere Prägnanz und macht sie zu einem bedeutenden Werk der modernen Architektur. Bei der Gegenüberstellung der Synagoge von Otto Wagner und den repräsentativen maurischen Grossstadtsynagogen fällt auf, dass es keine mit einem vergleichbaren oktogonalen Grundriss gibt. Zwar haben Bauten mit einem achtseitigen Pyramidendach über einem quadratischen Grundriss existiert, wie etwa jene in Dresden, kaum aber ist der Baukörper aussen und innen eindeutig achteckig oder polygonal. Im österreichischen Raum wurden bis zur Jahrhundertwende keine weiteren polygonalen jüdischen Kultbauten errichtet. Merkmale und spätere Markenzeichen von Wagner-Bauten sind die blauen Ziegel der Fassade, die ornamentale Behandlung aller Flächen, die Anwendung verschiedener sichtbarer Baumaterialien, die Eisenkonstruktion sowie die funktionale Definition der Bauteile. Mit Sicherheit kann gesagt werden, dass sich Otto Wagners Werk vielfältigen Einflüssen verdankt. Die Synagoge in Pest ist als technisch, planerisch und künstlerisch überaus gelungen zu bezeichnen. Einerseits wurde das ungünstige Grundstück in der Rumbach utca bestmöglich ausgenutzt. Andererseits erwies sich die Konstruktion haltbarer als ursprünglich vom Pester Ingenieurverein angenommen: die Beschädigungen durch die beiden Weltkriege führten lediglich zum Einsturz der „normalen“ Dachteile. Sowohl die technische als auch die künstlerische Gestaltung waren dank der finanzkräftigen Auftraggeber und des Könnens der Architekten auf höchstem Niveau.1
Ner Tamid, Fotografie 1895. Quelle: Sisa, József, Wissenschaftliche Dokumentation, Budapest 1981, S. 79.
Die ornamentale Gestaltung , diese prunkvolle, aufwendige und künstlerisch einwandfreie Innenausstattung hebt Wagners Bau auf eine Ebene mit Stülers Berliner oder Zwirners Kölner Synagoge.2 Ines Müller zählt die Synagoge in Pest daher, insbesondere in Anbetracht der nicht mehr existenten deutschen und österreichischen Synagogen, zu den gelungensten überhaupt. Sie erblickt auch aufgrund des Grundrisses darin eine der originellsten und aufwendigsten Beispiele maurischer Synagogenbauten der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts.
Grundriss Erdgeschoss. Visualisierung, I. Schultmeyer.
Anmerkungen
1 Müller, Ines, Die Otto Wagner-Synagoge in Budapest, Wien 1992, S. 93-94.
2 Ibid., S. 88.
Alle Abbildungen: Mit freundlicher Genehmigung I. Schultmeyer.