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Voller Engagement /Interview mit Franz Schnabl

Ilan Beresin

Franz Schnabl ist niederösterreichischer Landeshauptfrau-Stellvertreter und Vorsitzender der SPÖ Niederösterreich.

Inhalt

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Die Synagoge in St. Pölten liegt auf Franz Schnabls Weg von seiner Wohnung ins Büro.
Foto: Erwin Nussbaum-Kranz, mit freundlicher Genehmigung SPÖ NÖ.

DAVID: Sehr geehrter Herr Schnabl! Sie sind in einer klei- nen bäuerlichen Gemeinde aufgewachsen. Wie kamen Sie von dort zur Sozialdemokratie?

Landeshauptfrau-Stellvertreter Schnabl: Mein Elternhaus und meine eigene Jugend spielen sicher eine Rolle, schliesslich war ich ein klassischer Hackler-Sohn. Mit der Sozialdemokratie kam ich als Bub das erste Mal in Kontakt. Dieses Schauen auf die, die nicht auf die Butterseite gefallen sind – das hat mir von Anfang an imponiert und mich nicht mehr losgelassen. Meine bisherige Lebensgeschichte ist geprägt von viel Glück, genutzten Chancen, gesellschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen einer Ära Kreisky, die es einem wie mir überhaupt erst erlaubten, eine gute Ausbildung zu machen und einen Beruf zu lernen. 

DAVID: Auf Ihrer Website (https://franzschnabl.at/) liest man als Motto „Mit Herz, Verstand und Leidenschaft für Niederösterreich!“ Was heisst das für Sie konkret?

Landeshauptfrau-Stellvertreter Schnabl: Für mich bedeutet es, dass alles zusammenspielen muss. Politik ohne Herz dient nicht den Menschen. Politik ohne Verstand ist zum Scheitern verurteilt und Politik ohne Leidenschaft begeistert niemanden. Alle drei gehören zusammen, um gute und erfolgreiche Politik zu machen.

DAVID: Sie sind als Landeshauptfrau-Stellvertreter in der NÖ Landesregierung insbesondere für Kommunale Verwaltung (Gemeindeagenden), Wasserwirtschaft, Konsumentenschutz, Bau- und Verkehrsrecht zuständig. Liegen Ihnen diese Ressorts besonders am Herzen oder war das lediglich ein Ergebnis von Verhandlungen? 

Landeshauptfrau-Stellvertreter Schnabl: Beides stimmt ein bisschen. Natürlich sind Ressortzuteilungen immer ein Ergebnis von Verhandlungen. Aber der Konsumentenschutz ist auch ein extrem wichtiges Politikfeld im Land. Es klingt zwar nicht sonderlich sexy, sich damit zu befassen, aber wenn der Konsumentenschutz fehlt, kommt es zu Preisabsprachen und zu Qualitätsproblemen – und damit zu Nachteilen für die Konsumentinnen und Konsumenten. 

DAVID: Aufgrund Ihres politischen Engagements in der Sozialdemokratie sind Ihnen Arbeit und Wirtschaft wohl besondere Anliegen: Sichere Arbeitsplätze, funktionierende Wirtschaft und sozialer Ausgleich. Was läuft dabei in Niederösterreich gut, wo könnte man nachbessern?

Landeshauptfrau-Stellvertreter Schnabl: Niederösterreich hat heute eine starke und diverse Wirtschaftsstruktur. Jedoch befinden wir uns alle in einer Zeit des Umbruchs. Digitalisierung und vor allem die sozial-ökologische Transformation der Wirtschaft hin zur Klimaneutralität sind die grossen Herausforderungen, um auch in Zukunft gute Arbeit im Land zu halten. Diese Transformation muss sozial gerecht ausgestaltet werden und die Kosten dafür auch sozial aufgeteilt werden.

DAVID: Die aktuelle geopolitische Situation hat zu einer weltweiten Teuerung bei Gebrauchsgütern, Lebensmitteln und Energie geführt. Von dieser Teuerung ist natürlich auch Niederösterreich betroffen. Die SPÖ fordert: „Teuerungswahnsinn stoppen! Jetzt unterschreiben für eine sofortige Steuerbremse!“ Wie können die öffentlichen Haushalte das stemmen? Hält das der Wohnungsmarkt aus?

Landeshauptfrau-Stellvertreter Schnabl: Das sind viele berechtigte Fragen in der aktuellen Situation. Wir müssen aber langfristig denken und uns klar sein, was passiert, wenn wir nicht handeln. Die Nachfrage bricht ein, der Binnenmarkt wird nicht mehr funktionieren, und wenn Häuselbauern die Kredite aus der Zinsbindung fallen und die Kredite sich dann nach dem Markt richten, dann droht eine Immobilienkrise. Jede unserer Forderungen zielt darauf ab, die alltäglichen Lebenshaltungskosten abzufedern und eine langfristige, strukturelle Krise zu verhindern. Hier halte ich es mit Kreiskys Wort, dass auch mir ein paar Milliarden mehr Schulden weniger schlaflose Nächte bereiten als hunderttausende Arbeitslose.

DAVID: Die uns seit 2020 beherrschende Covid-Pandemie hat zu einer Zuspitzung im Bereich Gesundheit und Pflege geführt. Hätten Sie bei der Pandemiebekämpfung, Gesundheit und Pflege andere Wege beschritten als der Bund und manche Bundesländer? Wenn ja, was wären die Eckpunkte Ihrer Gesundheitspolitik? 

Landeshauptfrau-Stellvertreter Schnabl: Die Pflege ist eines unserer Kernanliegen – nicht aus wahltaktischen Gründen, sondern weil es wichtig und richtig ist. Nach den Jahren der Pandemie haben wir ein PflegePROgramm geschrieben, um den Pflege- und Gesundheitssektor neu aufzustellen und die Wertschätzung für das Pflegepersonal zu zeigen. Das gilt aber auch über das Pflegepersonal hinaus: Pflegende Angehörige waren und sind ebenfalls stark belastet, bekommen meist zu wenig Unterstützung und haben keine Pensionsansprüche. Deshalb wollen wir sie beim Land anstellen, um Qualität zu sichern und sozialen Schutz zu schaffen. 

DAVID: Sie haben einst bei der Bundespolizei auch eine Lehrtätigkeit ausgeübt, wissen also um die Bedeutung von Bildung. Sind Ihnen Kinderbetreuung und Bildung besondere Anliegen? Haben Sie in diesen Bereichen besondere Vorstellungen, die sich von denen des Bundes oder mancher Bundesländer besonders unterscheiden?

Landeshauptfrau-Stellvertreter Schnabl: Der Kindergarten ist die erste Bildungseinrichtung, in die ein Mensch in seinem Leben geht. Hier werden schon viele Weichen zur persönlichen Entwicklung gestellt. Ein Bildungssystem darf die sozialen Hintergründe nicht verstärken, sondern muss im Gegenteil dabei helfen, jedes Kind nach eigenen Fähigkeiten und Bedürfnissen zu fördern und zu entwickeln. In unserem KinderPROgramm haben wir deshalb einen Plan erarbeitet, wie die Kinderbetreuung ganzjährig, ganztägig und gratis gemacht werden kann. Nur so erreichen wir faire und gleiche Bildungschancen für jedes Kind im Land.

DAVID: Kommen wir zum Judentum. Die Ehemalige Synagoge in St. Pölten ist ein zentrales Projekt der niederösterreichischen Kulturhauptstadt 2024, soll zu einem Ort der Begegnung und Erinnerung ausgebaut werden. Für wie wichtig halten Sie ein solches Projekt in der niederösterreichischen Museumslandschaft. Wie wichtig ist dabei die Zusammenarbeit von Bund, Land und der Stadt St. Pölten?

Landeshauptfrau-Stellvertreter Schnabl: Die Synagoge in St. Pölten gehört zu den schönsten Gebäuden der Stadt und sollte auch einen angemessenen Stellenwert bekommen. Als Begegnungs- und Erinnerungsstätte wird sie die St. Pöltner Museumslandschaft weiter aufwerten. Es kann ja schliesslich nicht sein, dass Dollfuss ein eigenes Museum bekommt, aber keine Erinnerungsstätte an die ehemals grosse, jüdische Gemeinde besteht.

DAVID: Nicht überall in Niederösterreich geht es den (ehemaligen) Kultusgebäuden so gut. Noch immer ist die Gefahr nicht vom Tisch, dass alte Synagogen abgerissen werden. Was müsste man tun, damit diese Kulturdenkmäler erhalten bleiben und nicht kurzfristigen Interessen weichen müssen?

Landeshauptfrau-Stellvertreter Schnabl: Hier müssen das Land und der Denkmalschutz tätig werden. Nur weil etwas keinen wirtschaftlichen Nutzen hat, ist es ja nicht automatisch wertlos. Es braucht Konzepte für eine würdevolle Weiternutzung.

DAVID: Auch für die Erhaltung des jüdischen Friedhofs St. Pölten ist endlich eine finanzielle Lösung gefunden worden. Welche Probleme sehen Sie bei der Erhaltung anderer jüdischer Friedhöfe in Niederösterreich? Wie können wir diese Probleme lösen?

Landeshauptfrau-Stellvertreter Schnabl: Ein wichtiger Teil des Problems ist die Finanzierungsstruktur der Gemeinden. Diese bekommen den Grossteil ihrer Gelder direkt vom Land zugewiesen. Leider gibt es hierbei keinen transparenten Schlüssel, wie die Zuweisungen zustande kommen. Dadurch fehlt es einigen Gemeinden an Mitteln, sich mit Aufgaben wie der Grabpflege zu befassen. Hier braucht es Transparenz in der Mittelvergabe, um genau solche Anliegen thematisieren zu können. 

DAVID: Bis 1938 lebten rund 1000 Mitglieder der IKG in St. Pölten. Heute ist Hans Morgenstern das letzte lebende IKG-Mitglied im Bezirk St. Pölten. Welche Massnahmen kann man ergreifen, um neues, junges jüdisches Leben wieder nach St. Pölten und allgemein nach Niederösterreich zu bringen?

Landeshauptfrau-Stellvertreter Schnabl: Als Sozialdemokrat ist für mich klar, dass es dazu natürlich der richtigen Daseinsvorsorge und Infrastruktur bedarf. Das bedeutet in diesem Fall: Koschere Lebensmittelläden, entsprechende Kindergärten, Bäckereien und Fleischhauer. Inwiefern dies mit der Nähe zur Metropole Wien jedoch gelingen kann, wo all das schon existiert, ist eine andere Frage.

DAVID: Wir leben in Krisenzeiten; Kultusgemeinden und Medien berichten von einem merklichen Anstieg antisemitischer Vorfälle in Österreich. Was kann die Politik dagegen unternehmen, auch speziell an den Schulen? Setzt die SP NÖ Aktivitäten zum Abbau antisemitischer Vorurteile?

Landeshauptfrau-Stellvertreter Schnabl: Die Politik muss sich mit vollem Engagement und mit aller Kraft gegen Antisemitismus und jede Form der Menschenfeindlichkeit stemmen. Innerhalb der SP NÖ und unserer Jugendverbände gibt es zahlreiche Angebote und Fortbildungen dazu, denn es ist die Aufgabe von uns allen, hier gegenzuwirken.

 

DAVID: Herzlichen Dank für das interessante Gespräch!

 

Zur Person

Franz Schnabl (geb. 1958 in Neunkirchen/NÖ), aufgewachsen in der kleinen Gemeinde Raach am Hochgebirge im Wechselland, Besuch des Gymnasiums in Katzelsdorf an der Leitha, 1977 Eintritt in den Polizeidienst, 1999-2003 Generalinspektor der Bundespolizeidirektion Wien, 2003-2017 Sicherheitschef, dann im Vorstand von Magna International Europa mit Zuständigkeit für Personal, seit 2017 Landesparteivorsitzender der SPÖ Niederösterreich und NÖ Landesrat, seit 2018 Landeshauptfrau-Stellvertreter von Niederösterreich. Franz Schnabl ist seit 1979 verheiratet, hat zwei Kinder und einen Enkelsohn.

 

 

Nachlese

https://franzschnabl.at/ 

https://noe.spoe.at/person/franz-schnabl 

https://www.noe.gv.at/noe/Landesregierung/Franz_Schnabl.html 

https://de.wikipedia.org/wiki/Franz_Schnabl 

https://noe-landtag.gv.at/personen/franz_schnabl 

https://www.meineabgeordneten.at/Abgeordnete/franz.schnabl 

https://www.meinbezirk.at/niederoesterreich/c-politik/franz-schnabl-ein-leben-fuer-

soziale-gleichberechtigung_a5338762 

https://www.vienna.at/noe-schnabl-kritisiert-gebuehrenerhoehung-in-wien/

7590193

https://noe.spoe.at/kinderprogramm

https://noe.spoe.at/pflegeprogramm