Ausgabe

Das Juden-Aquamanile Ein spätmittelalterlicher Fund zur Geschichte der jüdischen Gemeinde von Krems

Monika Kaczek

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Das sogenannte Juden-Aquamanile von Krems an der Donau, Seitenansicht.
museumkrems, Inv.-Nr. H1235. Foto: IMAREAL/Peter Böttcher. Mit freundlicher Genehmigung museumkrems.

Die jüdische Gemeinde der niederösterreichischen Stadt Krems an der Donau zählte Ende des Mittelalters zu den bedeutendsten Österreichs. Der Fund eines spätmittelalterlichen Giessgefässes, das einen Juden darstellt, erinnert an diese Vergangenheit.

Inhalt

Obwohl keine zuverlässigen Überlieferungen über erste Ansiedlungen von Jüdinnen und Juden in Krems existieren, kann angenommen werden, dass seit dem 12. oder 13. Jahrhundert jüdische Familien in der Stadt lebten.1 Im Jahr 1264 wird ein Judenrichter erwähnt, der für das Schlichten von Streitigkeiten zuständig war. Im Jahre 1293 kam es zu ersten Pogromen, 1349 ereigneten sich weitere Verfolgungen. Daraufhin bestrafte Herzog Albrecht die Bürger mit hohen Geldstrafen. Ab 1355 lebten wieder jüdische Familien in Krems, von wo aus sie Handelsbeziehungen mit den jüdischen Gemeinden in Südmähren unterhielten. Der jüdische Friedhof, der zwischen Krems und dem Stadtteil Stein an der Donau liegt, wurde während der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts angelegt. Die Synagoge befand sich im Bereich des Bürgerspitals zwischen Oberer Landstrasse und Judengasse. Im Judenviertel stand auch eine Mikweh, ein rituelles Tauchbad, zur Verfügung. Anfang des 14. Jahrhunderts lebte der bedeutende Rabbiner Israel von Krems in der dortigen Gemeinde. Von seinen Anhängern wurde er Schem ha-Gedolim (dt. Name der Grossen) und Or ha-Chayim (Licht des Lebens) genannt. Mit Haggahot Ascheri verfasste er einen wichtigen Kommentar zum Talmud-Kompendium von Rabbi Ascher.2

In seinem Beitrag Das Unreine diene zur Reinigung. Ein spätmittelalterliches Giessgefäss in Form eines Juden aus Krems an der Donau3 widmet sich der Archäologe und Bauforscher Thomas Kühtreiber einem interessanten Fund aus der Zeit des Spätmittelalters. Es handelt sich um ein fragmentarisch erhaltenes Giessgefäss in Form einer Tiergestalt mit menschlichem Kopf, die mit beiden Händen einen röhrenförmigen Ausguss hält. Durch den Spitzhut am Kopf ist die Figur als Judendarstellung interpretierbar. Das Objekt ist ein Aquamanile, ein Gefäss, das zur Reinigung der Hände diente. Im Allgemeinen sind Aquamanilien aus Keramik vorwiegend in der Gestalt solcher Tieren dargestellt, mit denen Zügellosigkeit und Gefrässigkeit assoziert wurden. Dazu gehören Ziegenböcke, Widder, Schweine, Hunde und Hasen. Diese Tiere wurden auch zur Herabwürdigung von Musliminnen  und Muslimen, Jüdinnen und Juden herangezogen. „Somit ist (….) die Figur selbst als Allegorie der ‘Wollust’ zu interpretieren. Hinzu kommt, dass es sich um ein Mischwesen – halb Tier, halb Mensch, ähnlich einem Kentauren – handelt: Dem ‘Juden’ wird hier sinnbildlich das Mensch-Sein abgesprochen.“4 Die ungewöhnlichen Stellen am Hinterkopf der Figur imitieren Abdrücke eines Paarhufers, die auch als Bockfuss des Satans gedeutet werden können. „Wenn also der Teufel quasi selbst der Figur seinen ‘Stempel’ aufgedrückt hat, ist die negative Konnotation auch für die Person, die das Giessgefäss hält und es somit von hinten sieht, mehr als evident.“5

 

Weitere Informationen über die Geschichte der jüdischen Gemeinde von
Krems auf Robert Streibels Homepage: http://judeninkrems.at

 

Anmerkungen

1 Monika Kaczek: Jüdische Spuren des mittelalterlichen Krems. In: DAVID, Heft 125 – 7/2020, https://davidkultur.at/artikel/juedische-spuren-des-mittelalterlichen-krems

2 Rabbi Ascher ben Jechiel (um 1250, Rheinland – 1327, Toledo), auch unter den Namen Ascheri und Rosch bekannt, war ein mittelalterlicher Talmudist, der in Deutschland, Frankreich und Spanien lebte.

3 Thomas Kühtreiber, Das Unreine diene zur Reinigung. Ein spätmittelalterliches Giessgefäss in Form eines Juden aus Krems an der Donau. In: Astrid Peterle, Adina Seeger, Domagoj Akrap und Danielle Spera (Hg.), Unser Mittelalter! Die erste jüdische Gemeinde in Wien, Wien 2021, 90-97 u. 172.

4 Thomas Kühtreiber: Den Teufel im Nacken? In: IMAREAL, Mai 04,2020,

https://www.imareal.sbg.ac.at/den-teufel-im-nacken/

5 ebd.