Christoph Tepperberg
Theodor Much: Aberglaube und Pseudowissen im 21. Jahrhundert.
Aschaffenburg: Alibri Verlag, 2025.
Buch (Kartoniert, Paperback), 137 Seiten, Euro 14,95.-
ISBN: 978-3-86569-423-2
Dr. Theodor Much, geboren 1942 in Tel Aviv, absolvierte das Studium der Medizin in Wien und machte seine Ausbildung zum Facharzt für Dermatologie in Zürich. Er war Leiter der Hautambulanz im Wiener Hanusch-Krankenhaus und Präsident der 1990 gegründeten jüdischen Reformgemeinde „Or Chadasch“ (Neues Licht).1
Seither beteiligt sich Dr. Theodor Much aktiv am interreligiösen Dialog, verfasst zahlreiche Veröffentlichungen und hält Vorträge über „Alternativmedizin“, Pseudowissen und Aberglauben, interkonfessionellen Dialog und religiösen Fundamentalismus, Judentum und Antisemitismus. Sein neuestes Werk beschäftigt sich neuerlich mit dem Thema Aberglaube.
Viele Menschen glauben an die Kraft der Sterne (Horoskope), an Hexenkraft und den Einfluss der Mondphasen auf unser tägliches Leben. Sie vertrauen darauf, dass ein vierblättriges Kleeblatt oder Begegnung mit einem Rauchfangkehrer Glück bringen. Ein Drittel der Menschen meint, Homöopathie hätte dieselbe oder gar höhere Wirkung als die evidenzbasierte (Schul-)Medizin. Bei näherer Betrachtung stösst man hierbei auf lieb gewonnene Illusionen, aber auch auf irritierende Geschäftsmodelle und gefährliche Ideologien. Seit Jahrzehnten gibt es Handbücher über die Gefahren von Sekten und Aberglauben, es gibt die Sektenbeauftragten in den Kirchen, die Bundesstelle für Sektenfragen in Wien usw. Das zeigt uns, dass dieses Kapitel menschlicher Fehleitungen noch lange nicht abgeschlossen ist, es vermutlich auch niemals sein wird – und das trotz technischen Fortschritts und der europäischen Aufklärung. Mit diesen Fehlleitungen des menschlichen Geistes beschäftigt sich das vorliegende Büchlein. Theodor Much untersucht die gängigen Formen von Aberglauben und Pseudowissen, die heute immer noch weit verbreitet sind und durch die Sozialen Medien sogar erschreckend zunehmen.
Es geht dem Autor primär um die Gefahren bestimmter pseudowissenschaftlicher Inhalte. Viele dieser Irrungen sind penetrant, manche auch gefährlich. Doch folgen sie alle ein und demselben Muster. Die Menschen sehnen sich nach einfachen Antworten in einer globalisierten Welt, sie sehnen sich nach vermeintlich gesunden, naturhaften Zuständen ohne Kunststoff und Chemie. Sie sind empfänglich für die einfachen Narrative von Demagogen und selbsternannten Experten, vertrauen einfachen Wahrheiten. Bei der Beurteilung der Auswüchse des Pseudowissens folgt der Autor begreiflicherweise wissenschaftlich erprobten und akzeptieren Erkenntnissen.
Das Buch beginnt mit Umfrage-Ergebnissen zum Aberglauben und dessen Folgen. Dann folgen in einzelnen Kapiteln die verschiedenen Ausformungen des Pseudowissens: Die möglichen Folgen von Aberglauben und Pseudowissen, Scharlatanerie, Esoteriker, Astrologie, Mondglaube, Hexerei, Pseudomedizin (Alternativmedizin, Scheinmedizin), Globuli der Homöopathie, Vitamin-Hype, Impfgegner, Akupunktur, Ayurveda, Bioresonanz, Kinesiologie, Anthroposophie, Entgiftung und Entschlackung, Magie der Steine, Reiki, Energetiker, Wunder- und Geistheiler, Pendel und Wünschelrute, Zahlenmystik, energetisches Wasser, Kreationismus, Klimawandelleugner, Flat-Rath-Theorie und Rassenlehre.
Nicht totzukriegen ist etwa die Vorstellung, der Mond nähme Einfluss auf Naturkatastrophen oder Geburten. Auch das Ernten der Christbäume im Rhythmus der Mondphase folgt einer verbreiteten Vorstellung. Viele der oben genannten Heilmethoden werden in Wellness-Hotels, ja sogar in Rehazentren angeboten. Manche dieser Anwendungen sind klinisch ebenso harmlos wie wirkungslos, andere aber nicht ungefährlich, wie etwa die Kinesiologie. Wir erleben gerade einen „Vitamin-Hype“. Vitaminpräparate werden nicht nur in Apotheken, sondern auch in Arztpraxen bereitgehalten. Pseudowissen und Aberglaube werden inzwischen weltweit auch von Kräften des politischen Populismus gegen das „Establishment“, die „Mainstream-Medien“ und die „Schulmedizin“ genutzt. Der Begriff „Schulmedizin“ wurde übrigens im 19. Jahrhundert von einem Homöopathen als Schimpfwort in die Welt gesetzt. Viele von uns kennen in ihrem Bekanntenkreis Anhänger, die besonders während der Covid-Pandemie wie die „Schwammerln“ aus dem Boden geschossen sind. Auffallend dabei ist, dass diese Menschen ihre „wissenschaftlichen Schwurbeleien“ bisweilen mit fragwürdigen politischen Ansichten verbinden.
Am Ende der Abhandlung steht ein kurzes Verzeichnis ausgewählter „Studien und Fachartikel“. Durch seine langjährige Erfahrung als Mediziner ist es Theodor Much gelungen, treffsichere Analysen vorzulegen. Mit seinem Büchlein hat er einen kompakten, informativen Leitfaden geschaffen. Es sind kurze, allgemein verständliche und gut lesbare Texte. Jedes Kapitel ist sogar mit einem zusammenfasssenden „Fazit“ versehen.2
Anmerkungen:
1 Theodor Much: Die neue Synagoge von Or Chadasch. In: DAVID, Heft Nr. 74, Sept. 2007, S. 70–75.
2 Vgl. auch die Rezension von Holger von Rybinski: Aberglaube heute. In: Skeptiker. Zeitschrift für Wissenschaft und kritisches Denken 2/2025, S. 95 – 97.