Ausgabe

Symbole, Rituale und Geheimnisse Kabbalistische Traditionen und magische Praktiken im Judentum

Christian Baldinger

Vampirismus: Von den urzeitlichen Anfängen zur Verwendung als antisemitisches Stereotyp

Inhalt

Vampirismus durchzieht alle wesentlichen Mythen der Menschheitsgeschichte, so natürlich auch jene der jüdischen Tradition, wird im Laufe der neueren Zeit, insbesondere durch direkten Vergleich des typisierten, gierigen jüdischen Blutsaugers mit dem dämonischen Vampir – welchem dieselbe Eigenschaft zukommt – immer mehr zu einem bildmächtigen Symbol des Antisemitismus und der diesen begleitenden Hetzkampagnen in allen (der Zeit entsprechend) zur Verfügung stehenden Medien bis zum Höhepunkt in der Shoah. Diese Entwicklung beziehungsweise Wandlung von einer die Menschheitsgeschichte begleitenden Urangst vor allem Unsichtbaren und Geheimnisvollen bis zu Umkehrung, als Projektion auf eine bestimmte Menschengruppe selbst, gilt es anhand von Beispielen aus Mythologie, Geschichte, Literatur und Film aufzuzeigen.

 

Begriffe: Dämonen – Vampire – Blut

Einleitend ist einzugehen auf Dämonen und böse Geister im Allgemeinen. Der Terminus Dämon entstammt dem Griechischen. Bereits bei Homer tritt diese Bezeichnung für gute, aber auch böse G’ttheiten auf. Der Begriff steht für eine Art Mittelwesen zwischen den G’ttern und den Menschen, welches kosmische Vorgänge und menschliches Schicksal positiv oder negativ beeinflusst. Der Platon-Schüler Xenokrates hat in seiner Dämonologie die echten G’tter von bösen Taten entlastet, es überwiegt somit in der Folge der negative Aspekt des Dämonischen, was auch Eingang in die dämonologischen Theorien des Neuplatonismus fand. In der religionswissenschaftlichen Forschung sind Dämonen alle übermenschlichen, aber unterg’ttlichen Mächte, die den Menschen schädigen oder zumindest bedrohen und deren er sich durch bestimmte Riten (wie Magie) oder Enthaltungen (Askese) erwehrt. Dämonische Schädigung oder Bedrohung ist das Ausgeliefertsein an unpersönliche Einflüsse (Unreinheit, Krankheit), aber auch an unbestimmte Ängste des Menschen vor Naturkatastrophen, Tod, Unglück und Missgeschick. Vampirismus ist keine Erfindung des Judentums beziehungsweise der jüdischen Mythologie. Vampirismus ist auch keine Erfindung des historischen oder modernen Antisemitismus.

 

Dämonismus ist der Glaube an die Existenz der Dämonen und an die Möglichkeit, sich durch antidämonische Praktiken zu schützen. Dämonologie ist die Weiterentwicklung des Dämonismus zu einer Lehre von hierarchisch gegliederten Dämonen und ihren spezifischen Funktionen und den zugehörigen Abwehrmitteln. Der Mensch fürchtet sich vor dem Eindringen der bösen Geister in seinen Körper durch Körperöffnungen wie Mund, Auge, After und Genitalien. Schlüpft ein Dämon in den Leib seines Opfers, von dem er somit von innen her Besitz nimmt, so wird dieses zum Besessenen gemacht. Es stehen dreierlei Arten zur Abwehr zur Verfügung: bannend (defensiv), was den Dämon zum Stehen veranlasst, abwendend (apotropäisch), den Dämon zur Umkehr zwingend, sowie austreibend (exorzistisch), was den Dämon zur Flucht bringen soll. Seit der Antike bis ins Mittelalter erfolgt die Dämonenabwehr im Rahmen der sogenannten homöopathischen Magie durch Fratzen aus Holz und Stein, welche die Unholde in die Flucht schlagen sollen. Feuerdämonen werden mit Feuer und Licht, Wasserdämonen mit Wasser, Winddämonen mit blasendem Hauch vertrieben. Es gibt nicht nur aktives Handeln, sondern auch passives, wie den Verzicht auf mögliche Kontakte mit dämonischen Mächten. Dämonistische Vorstellungen finden sich in nahezu allen Religionen auf allen Erdteilen, also in den primitiven Religionen, sowie im gesamten alten Orient, im vorhellenistischen Griechentum, dem Hellenismus, dem antiken Judentum und – stark auf Letzterem aufbauend – im Neuen Testament, in späterer Zeit tradiert in Volksglauben und Märchen und natürlich im Aberglauben bis in die neueste Zeit.

 

Der Glaube an dämonische Schadensgeister ist so alt wie die Erfahrung des Menschen von Unglück, Krankheit und Tod. Die unterschiedlichen Gattungen werden auf die verschiedenen Schädigungen zurückgeführt, so bedrohen Sexualdämonen den Menschen mit Unreinheit (nach Berührung mit Menstruationsblut oder Sperma), im Falle der Hochzeitsnacht sogar mit dem Tod. Die Geisteskrankheiten werden als sogenannte Besessenheit auf mehrere Dämonen zurückgeführt, aber auch andere Krankheiten wie Aussatz, Blindheit, Taubheit, Stummheit oder auch Unfälle haben dämonische Verursacher. Das gilt ganz besonders für den Tod, der auf den Regenten der Dämonen, den Teufel zurückgeführt wird. Nicht nur Rechtsbruch, auch die Verbreitung von Irrlehren wird auf dämonischen Einfluss zurückgeführt. Das Judentum (in späterer Nachfolge auch das Christentum) sieht in den heidnischen, also feindlichen G’ttern Dämonen. Nicht nur in der uralten Dämonologie, auch im weithin zeitgenössisch verbreiteten Aberglauben wird der Wohnsitz der bösen Geister mit unheimlichen Orten gleichgesetzt, also Wüsten, Einöden, Ruinen und auch Friedhöfen.

 

Der Mensch sieht Dämonen als Verursacher bedrohlicher Naturereignisse wie Unwetter, Überschwemmungen, Hagelschlag, Blitzschlag und Brände. Das antike Judentum sah übrigens im Gegensatz zu griechischen und römischen Vorstellungen die Gestirne in seiner Astrologie nicht als G’tter an, sondern als Dämonen. Der ganze Kosmos ist beherrscht von Scharen solcher Dämonen. Auch die alten Elemente werden als Wohnstätten derselben gedeutet (Feuer, Wasser, Luft und Erde). So wird etwa der Sturm auf Luftgeister zurückgeführt, die man sich natürlich unsichtbar und körperlos vorstellte. Häufig wählt der Dämon zur Verkörperung eine Tiergestalt, wobei Löwen, Wölfe, Hunde, Böcke, Vögel, Schlangen (auch in der Form von Drachen), Frösche, aber auch Schwärme von Stechmücken und Heuschrecken bevorzugt werden. Das Grausige der dämonischen Macht wird auch durch die Erscheinung als Mischwesen zwischen Tier und Mensch verdeutlicht. Als wichtigste Erscheinungszeit gilt die Mitternacht beziehungsweise die Stunde danach, allerdings auch die Mittagszeit, in zum Beispiel mit einem Sonnenstich zu rechnen ist.1 Dem Dämonenglauben (oder Aberglauben?) sind keine Grenzen gesetzt, weder örtlich noch zeitlich: ein Überfall kann sich genauso auf einer Reise ereignen wie im eigenen Hause, an keinem Ort ist man tatsächlich sicher. Die überlieferten Geschichten sind voll mysteriöser Ereignisse allerorten. Naturgemäss ist die Nachtzeit die von den bösen Geistern bevorzugte, sobald die Abenddämmerung einsetzt, kommen die Bewohner der Dunkelheit hervor und setzen sich in Bewegung. Die Tageszeit gehört G’tt und den Menschen, die Nacht den Geistern, der g’ttliche Schutz ist weitgehend reduziert. Wenn jemand vor dem ersten Hahnenschrei allein unterwegs ist, so ist er in Gefahr. Ohne Licht im Dunkeln unterwegs zu sein ist potenziell gefährlich. Der Konsum von Nahrung oder Getränken, die man über Nacht offen stehen liess, ist vielleicht tödlich, da diese jedenfalls kontaminiert sind. Jede Nacht ist gefährlich, manche sind es aber noch mehr, jene vor Mittwoch oder Sabbat, für neugeborene Knaben jene vor der Beschneidung, für Frischvermählte eben die Hochzeitsnacht!2

 

Die jüdische Traditionsliteratur teilt die Dämonen und Geister in Unheilsgeister (Ruchot), Schädlinge (Mazzikim), Quälgeister (Schedim) daneben gibt es noch Zerstörer (Chavalin) ferner haarige Wesen (Sedim), Riesen (Nefilim) und Totengeister (Dibbukim). Die wichtigsten dominanten Unheilgestalten sind der Satan (Widersacher), Masteema oder Matemoth (Engel der Anfeindungen und Feindschaft), Belial (Schlechtigkeit) und Samael (widerg’ttliches Gift). Die Dämonen sind allesamt mitkämpfende Gefolgsleute des Satans.3 Die Juden in Babylonien waren ständig von Dämonen umgeben, welche Luft, Bäume, Wasser und Dächer bewohnten und deren Anzahl jene der Menschen bei weitem überstieg; als ihr König galt Asmodäus.4

 

Neben diesen als Dämonen angesehenen gibt es noch eine Vielzahl als Geister bezeichneter, übernatürlicher Wesen, denen gegenüber dem Menschen auch eine überlegene Machtfülle zukommt, die allerdings den G’ttern gegenüber in ihrer Macht stark begrenzt sind. Es sind Spukgestalten aus der niederen Mythologie, die aus dem Bereich des Volks- und Aberglaubens (der sogenannten Religion der Tiefe) stammen. Sie treten entweder als Kollektivgeister auf, oder vielfach als profilierte Einzelgestalten, denen Namen zugewiesen wurden. Es gibt deren sowohl hilfreiche, also den Menschen wohlgesonnene, gute Geister, andererseits solche in erschreckender Gestalt mit schadenbringender Wirksamkeit (sodass sie schon eher in den Bereich der Dämonen fallen). Sie wohnen allesamt in den Bergen, Bäumen, Gewässern und Sümpfen, an Kreuzwegen, in Einöden, Ruinen und auf Friedhöfen, also durchwegs an – zumindest zur Nachtzeit – verwunschenen Orten. Fliessend ist der Übergang zu dämonisierten Menschen, zu denen etwa Werwölfe und Berserker gehören, aber auch Hexen, von Geistern Besessene und Fluch-Beladene (ganz prominent der Fliegende Holländer, der ruhelos auf einem gespenstischen Totenschiff umherirrt, beziehungsweise. der aus einer christlichen Volkssage, die seit dem 13. Jahrhundert belegt ist, stammende Ewige Jude oder Wandernde Jude, der ebenfalls rastlos umherzieht). Zu den Geistern des Aberglaubens gehören der Wilde Jäger, der mit einem gespenstischen Heer in stürmischen Nächten einherzieht (zurückzuführen wohl auf den germanischen Wotan), aber auch die menschlich-tierischen Mischwesen der griechischen Mythologie: Tritonen, (Meeresbewohner, Männer mit Fischunterleib) oder Zentauren (menschliche Gestalten mit einem Unterkörper von Pferden), Satyrn (mit Pferdeschwänzen ausgestattet) und Harpyien (Vogelleiber mit Frauenkopf), ferner die Vielzahl der Totengeister (römische Lemuren oder Manen) oder jene „Untoten“, die als Ruhelose oder Wiedergänger aus den Gräbern auferstehen, wobei es sich dabei meist um Menschen handelt, die einen verwerflichen Lebenswandel geführt oder einen schlimmen Tod (Selbstmörder, Hingerichtete) erlitten hatten. Zu erwähnen sind noch die sogenannten Mahren oder Truden, die die Alpträume auslösen beziehungsweise in solchen umgehen, ferner Klopf- und Poltergeister, nicht zu vergessen die doch so hilfreichen Heinzelmännchen als gute Hausgeister, Undine, Lorelei und der Klabautermann sowie zahllose Trolle und Berggeister, die in den Wäldern leben oder die römischen Penaten, die auch als Hausgeister ihr (meist sogar positives) Wesen treiben, um zahllose Beispiele zu erwähnen. Zu den Untoten gehört natürlich die populäre Gestalt des Dracula (Abbildung 1/ Titelbild), eine Schöpfung des irischen Autors Bram Stoker, ein im (heute rumänischen) Transsylvanien sein Unwesen treibender Blutsauger, der auf den blutrünstigen (historischen) Vlad Dracul zurück gehen soll, der in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts die Walachei tyrannisierte (dazu noch ausführlicher später).5 Die Dämonenvorstellungen sind in der alttestamentlichen Zeit noch viel stärker ausgeprägt. Nicht zu übersehen sind persische und altägyptische Einflüsse, was sich auch darin niederschlägt, dass im babylonischen Talmud und in den Midraschim der Dämonenglaube sehr stark verbreitet ist, während er in tannaitischen Texten und im palästinischen Talmud eher unbedeutend ist. Uneinheitlich sind auch die Vorstellungen über die Herkunft der Dämonen, die teilweise auf Erschaffung durch G’tt, aber auch Zeugung durch Adam oder Abkunft von gefallenen Engeln zurückgeführt wird, ihrer Natur nach stehen sie ebenfalls zwischen Menschen und Engeln.6 Ebenso häufig wie die Dämonen selbst sind die Versuche der Abwehr derselben. Im Gegensatz zu den verehrten G’ttheiten, deren Macht grenzenlos ist, sind Dämonen durchaus überwindbar. In den Volksmärchen aus wesentlich späterer Zeit gibt es genügend Erzählungen, die davon handeln, wie Tod und Teufel überlistet werden können.

 

Wie schon oben angesprochen, gibt es verschiedene Methoden im Rahmen der sogenannten Theurgie, der Dämonenabwehr. Wesentliche Bedeutung kommt dabei Symbolen zu, wie sie sich in frühen griechischen und koptischen Zauberpapyri aus Ägypten finden. Besonders bedeutsam sind zahlreiche entdeckte Amulette, auf die später noch zurückzukommen sein wird, sowie eine Mehrzahl von in Babylonien aufgefundenen Zauberschalen mit entsprechenden bildlichen Darstellungen (Abbildung 2). Die hier wiederkehrenden Elemente belegen wechselseitige Abhängigkeit und lassen sich später in den Texten der „praktischen Kabbala“ wiederfinden. Neben diesem Versuch, Geister und Dämonen von vornherein abzuwehren, sie also am Zutritt beziehungsweise. am Eindringen in den menschlichen Körper zu hindern, ist die Dämonenaustreibung von grösster Bedeutung, üblicherweise vorgenommen durch einen Exorzisten, der etwa durch lautes Geschrei versucht, den Dämon zu erschrecken und zu bedrohen, dazu kommt das Aufsagen von Zaubersprüchen und Beschwörungen, wobei es hier auf die Anzahl der Wiederholungen ankommt, etwa Dreimaligkeit, wie bereits von Plinius in seiner Naturgeschichte dargestellt, oder Siebenmaligkeit. Eine wesentliche Praxis ist auch das Handauflegen. Je nach Art des Dämons wird diesem gleichsam mit dem ihm zugeordneten Element begegnet, so werden Dämonen, die sich am Feuer aufhalten (dazu gehören die Fieber- und Seuchenerreger) eben mit Feuer und Licht vertrieben, also unter Verwendung von Fackeln und Kerzen. Das Feuer soll auch den Frevler selbst reinigen. Die im Bereich von Gewässern, wie Teichen, Sümpfen, aber auch unter Brücken Lauernden – meist sind es Sexualdämonen – werden durch reinigende Bäder und kultische Waschungen bekämpft, wichtig etwa nach Pollution, Menstruation, Beischlaf und Geburt. Den Dämonen der Luft begegnet der Hauch des Exorzisten (wovon sich übrigens ein Überbleibsel im Taufritual der Kirche erhalten hat). Gegen die bedrohenden Erdgeister richtet sich der Gebrauch von festen Substanzen wie Erde, Sand, Steinen, Asche und Salz durch Bestreuen des Kopfes oder Körpers mit diesen oder durch das Tragen von Amuletten aus Metall, Ton und besonders aus Edelsteinen (woraus sich in späterer Zeit die Gewohnheit des Tragens von Schmuck entwickelt hat, der ja oftmals noch Gestalt und Form von Amuletten aufweist) (Abbildung 3). Auch die Verwendung von Heilkräutern und daraus gewonnen Substanzen ist weit verbreitet. Passive Handlungen zur Dämonenabwehr sind vor allem die Verhüllung von Körperöffnungen, um dem Dämon das Eindringen in denselben unmöglich zu machen (eine typische Geste hierfür ist, die Hand beim Gähnen vor den Mund zu halten). Kleidungsaskese, häufig bei Durchführung von Sühneriten, besteht in teilweiser Nacktheit oder Wahl bestimmter Kleidung meist tierischer Herkunft. Reichlich bedenklich erscheint die Form des asketischen Hygieneverzichtes, bei welchem durch künstlich geschaffene Unreinheit den ebenfalls unreinen Geistern der Zutritt verwehrt werden solle. Diese ist oft noch verbunden mit Nahrungsaskese, also der Enthaltung von bestimmten Speisen oder Getränken. Sexualaskese soll natürlich die Sexualdämonen abwehren, sie kann temporär vorliegen, sogenannte Kontinenz oder lebenslang in Form der Virginität, sobald sie erst zu einem späteren Zeitpunkt aufgenommen wird in Form des Zölibates. Um den Gefahren dämonischer Überfälle während des Schlafes zu begegnen, kann der Schlafverzicht eingesetzt werden.8

 

In der sogenannten rabbinischen Zeit entwickelt sich der Dämonenglaube weiter (einzig Mosche ben MaimonMaimonides – leugnet die Existenz von Dämonen, bleibt aber eine Ausnahme). Die Kabbala nimmt auf die Dämonen im Rahmen der Emanationenreihe der Sefirot Bezug;9 sie ist ein unversiegbarer Quell gerade was die Bannung von Dämonen angeht, indem sie – manchmal in neuen Formen, meist aber unverändert – auf bereits lange vor ihr existierende Abwehrriten zurückgreift.10 Nebenbei sei erwähnt, dass auch das sogenannte Neue Testament die altjüdische Dämonologie durchaus übernimmt in seinen zahlreichen Hinweisen auf den Teufel und seine Geister. Die Herkunft der Dämonen wird hier auf sexuelle Fehltritte der himmlischen Engel und ihre nachfolgende Bestrafung durch G’tt zurückgeführt. So werden in zahlreichen Stellen der Evangelien Geisteskrankheiten, Blindheit, Stummheit, Lähmung, Aussatz und Ähnliches mit dämonischen Ursprüngen in Verbindung gebracht, da G’tt dem Satan und seinen Dämonen die Strafgewalt übertragen hätte. Die Sünden der Geschlechtlichkeit werden als Ausfluss dämonischer Verführung angesehen. Dasselbe gilt für Götzendienst, das Lasterleben der Heiden beruht also auf dämonischer Besessenheit, der als Hurerei bezeichnete Götzendienst auf dämonischer Verführung.

 

Frevler und Sünder sind Opfer teuflischer Verführung. Eine geradezu teuflische Verstrickung ist darin zu sehen, dass die Anhänger Jesu die Juden der Teufelskindschaft beziehungsweise. der Zugehörigkeit zur „Synagoge des Satans“ bezichtigen (so in Johannes 8,44 Apokalypse 2,9 und 3,9). Beim Abfall von der eigenen Lehre oder Verrat an den Mitgliedern sehen die Christen den Teufel und seine Dämonen am Werk. Auch von Jesus ist überliefert, dass er Dämonen durch Verwendung fremdsprachiger Wörter auszutreiben versuchte beziehungsweise den bösen Geistern befahl, aus ihren Opfern auszufahren. In diesem Zusammenhang ist besonders auf jene Austreibung von Dämonen durch Jesus zu verweisen, in der er diese in eine Herde von Schweinen fahren liess, was nicht wenig zur späteren antisemitischen Deutung im Zusammenhang mit den "unreinen" Tieren, den Schweinen, beitrug. Die bösen Geister fuhren immerhin in etwa zweitausend Schweine, die sich dann einen Abhang hinunterstürzten und im See ertranken (Markus 5,1-20 und Lukas 8,23-39). Eine Unzahl neutestamentlicher Stellen berichtet von Siegen über den Dämonenglauben. Die Autoren des Neuen Testamentes setzen das dämonistische Weltbild des antiken Judentums fort. Den Exorzismen durch Jesu kommt jedenfalls eschatologische Deutung zu.11 Vor der Besprechung des Vampirismus als solchem gilt es, sich der Urmutter aller Dämonen und Dämoninnen und der ersten Vampirin überhaupt zuzuwenden, nämlich Lilith.

 

Lilith, Urmutter aller Dämonen und Vampire

Hier geht es nicht um die spätere Entwicklung Liliths bis zur Ikone des Feminismus in neuester Zeit (was durchaus erwähnenswert ist), sondern um die vermutliche Urmutter aller Dämonen. Der Ursprung der Figur dürfte im mesopotamischen Kulturraum liegen. In babylonischen Erzählungen finden sich Hinweise auf Lilith, eng verknüpft mit Ischtar, die als Mutterg’ttin, Liebesg’ttin und Himmelskönigin verehrt wurde, somit als G’ttin der Fruchtbarkeit, aber auch der Wollust. Diese ist Tochter der Himmelsg’tter Anu und Anatung und wird zumeist mit Attributen verbunden, die auch für Ischtar bedeutend sind. Es ist anzunehmen, dass bereits in altsumerischer Zeit die bedrohlichen Eigenschaften der Ischtar von dieser abgespalten wurden und seither in Lilith verkörpert sind. Diese wird auch unter den Namen Lilitu und Lamaschtu als G’ttin angerufen, wohnt in den Bergen und ihr Anblick ist schrecklich. Sie ist eine Mischgestalt mit dem Haupt eines Löwen und sonstiger Eselsgestalt und heult wie ein Schakal. Weiters bringt sie Übel und Zerstörung und ist ein fleisch- und blutfressendes Ungeheuer, das meist in Verbindung mit Löwen auftritt. Ihre dämonischen Aspekte sind, dass sie es auf schwangere Frauen abgesehen hat, denen sie das neugeborene Kind zu stehlen trachtet beziehungsweise. gar schon vor der Geburt aus dem Leib zu reissen versucht. Diese dämonischen Aspekte der Lamaschtu werden auf die Lilith übertragen.12 Ihre dämonische Natur zeigt sich in der Mischgestalt zwischen Tier und Mensch. Neben den Löwen-, Wolfs- und Vogelattributen in Darstellungen aus dem 9. bis 7. Jahrhundert vor der Zeitrechnung wird sie auch mit Eselsohren dargestellt, in ihrer Begleitung finden sich Tiere wie Hund und Schwein, die sie an ihren Brüsten säugt oder Schlangen in ihren Händen, diese auch schon in der mesopotamischen Mythologie stets unreine Tiere. Die Eselsohren werden als dämonisches Attribut angesehen und begegnen uns wesentlich später wieder in antisemitischen Darstellungen.

 

Ihre Opfer sind vornehmlich schwangere Frauen beziehungsweise. Kinder, Un- oder Neugeborene. Daher werden Fehl- und Todgeburten ihrem Wirken zugeschrieben, da sie Säuglinge der Amme entreisst, um sie mit ihrer eigenen giftigen Milch zu säugen, sie pflegt auch die Opfer aufzufressen und deren Blut zu trinken und gilt als Krankheitsbringerin.

Lilith richtet sich also gegen traditionell weibliche Sphären wie Schwangerschaft und Geburt, ist selbst unfruchtbar, pflegt aber auch Männer zu überfallen und zeugungsunfähig zu machen.13 Als Bilder von Lilith können auch drei Dämonen, die aus sumerischen Beschwörungstexten bekannt sind, angesehen werden, nämlich die sogenannten Lil-Geister, nämlich Liliu, Lilitu und Ardat-Lili, sämtlich Sturmdämoninnen, Herrscherinnen der Winde, die auch als Krankheitsbringer gelten. Als ihre Heimstätten werden Wüsten und Ruinen angesehen. Aus dem Gilgamesch Epos ist eine Dämonin bekannt, die im Stamm des Huluppu-Baumes haust. Diese gilt als zur normalen Sexualität unfähig, macht Männer impotent und Frauen unfruchtbar. Hier zeigt sich eine Verbindung zu den Eigenschaften Liliths, nämlich deren bedrohliche Sexualität, das Verführen und Töten von Männern.14 Man hat den Namen schon früh mit dem hebräischen Wort Leila für Nacht in Verbindung gebracht, weil sich die Vorstellung einer nächtlichen Dämonin immer mehr durchsetzte, was auch aus dem Bezug zur Eule ersichtlich ist – diese wird mit Macht und Gefahr in Verbindung gebracht und deren modernhebräische Name lautet lilit. Sie selbst wird mit Flügeln dargestellt, sie kann also auch fliegen. Die erste beflügelte Darstellung ist das sogenannte Burley-Relief, oftmals mit Lilitu identifiziert. Es handelt sich um eine Tondarstellung aus der Zeit zwischen 1800 und 1750 vor der Zeitrechnung. Die Figur trägt eine Hornkrone und hält typische Herrschaftssymbole, nämlich Ring und Stab, in den Händen, was auch auf eine Verwandtschaft zur G’ttheit, jedenfalls aber auf grosse Macht rückschliessen lässt. Die Figur verfügt über herabhängende Flügel und Vogelkrallen, steht auf zwei liegenden Löwen und wird von sitzenden Eulen begleitet. Dies deutet wiederum auf das dämonische Wesen hin, handelt es sich doch bei diesen Tieren um solche, welche die Grenzen zwischen Tag und Nacht, zwischen Zivilisation und Wüste verkörpern. Stets wiederkehrende Motive sind die Gefährdung der schwangeren Frauen und die destruktive Sexualität, welche auch bei Lilith in späteren Legenden auftreten (Abbildung 4).

 

In der Bibel wird Lilith nur ein einziges Mal, im Buch Jesaja 34,14, erwähnt. Geschildert wird dort ein nachapokalyptisches Szenario, nämlich das Land Edom, verwüstet nach dem g’ttlichen Strafgericht: „Die Bocksgeister werden dort ihr Unwesen treiben. (…) Das Land wird zu einem Ort für Schakale, zu einem Platz für die Strausse. Wüstenhunde und Hyänen treffen sich hier, die Bocksgeister begegnen einander. Auch Lilit (das Nachtgespenst) ruht sich dort aus und findet für sich eine Bleibe“. 15 Dort werden zwölf wilde Wüstentiere aufgezählt, daneben auch dämonische Kreaturen unter anderem Lilith. Die negativen Charaktereigenschaften, die bei den mesopotamischen Dämoninnen beschrieben werden, finden sich bei der biblischen Lilith nicht. Sie ist nur ein Geist unter anderen. 16 In den unterschiedlichen Bibelübersetzungen findet sich der Name nicht, Luther erwähnt zum Beispiel lediglich den „Kobold“.17 Zunz nennt sie zwar: „Nur dort rastet die Lilit und findet eine „Ruhestatt,“18 Buber-Rosenzeig hingegen übersetzen 1985 wie folgt: „(…) nur dort rastet die Lur, eine Ruhestatt findet sie sich.“19

 

Bedeutend ist der sogenannte doppelte Schöpfungsbericht aus Genesis. In Gen 1/27 heisst es: „G’tt schuf also den Menschen als sein Abbild, als Abbild G’ttes schuf er ihn. Als Mann und Frau schuf er sie,“ also eigentlich als zwei geschlechtliches Wesen, woraus abzuleiten ist, dass er jedenfalls beide Geschlechter zu selben Zeit schuf. Nun heisst es dann in Gen 2/22.23: „G’tt, der Herr, baute aus der Rippe, die er vom Menschen genommen hatte, eine Frau und führte sie dem Menschen zu“ Aus diesen recht unterschiedlichen Schilderungen wurde somit geschlossen, es müsse vor der aus der Rippe Adams geschaffenen Eva bereits eine andere Frau an dessen Seite gegeben haben, nämlich Lilith.20 Zumindest in der späteren Literatur wird diese als Adam gleichwertiges Wesen angesehen, da beide ja aus derselben Erde geschaffen wurden, woraus Lilith selbst ihren Anspruch auf Überlegenheit, jedenfalls aber auf Gleichberechtigung ableitet.21 Im babylonischen Talmud wird die Lilith als langhaariger, weiblicher, geflügelter Nachtdämon beschrieben, der Männer heimsucht und überfällt. So sagt Rabbi Chanina: „Man darf nicht in einem Hause allein oder in einem alleinstehenden Hause schlafen, denn wer in einem Hause alleine schläft wird von Lilit überfallen“ (Babylonischer Talmud Traktat Schabbat 151b).22 Hier ist sie somit schon Teil der Dämonologie, eine als menschliche Figur geschaffene Frau, die sich zur unheilbringenden Dämonin wandelt. Aus einem als Testament Salomos bekannten Text aus dem 3. oder 4, Jahrhundert nach der Zeitrechnung geht hervor, dass Salomon mit Dämonen spricht und ihm eine (allerdings nicht namentlich genannte) Dämonin mitteilt, es sei ihre Aufgabe, nachts Kinder zu töten und Sinne zu verwirren, diese heisst Obyzuoth. Das ist ein Name, der in späteren kabbalistischen Schriften als einer von Liliths geheimen Namen genannt wird.23

 

In der talmudischen Literatur wird Lilith als weibliche Figur beschrieben, mit dem Gesicht einer Frau, langen Haaren und Flügeln, also eine Mischgestalt, eine Grenzgängerin, die in der Nacht junge Männer heimsucht, um deren Samen zu rauben, um sich damit selbst dämonische Kinder zu schaffen. Sie wird solcherart zur Dämonin der Masturbation, was in der Kabbala als verwerfliche sexuelle Praxis dargestellt wird. Hier wird sie auch als Vampirin dargestellt, die den Männern das Blut aussaugt, sodass diese an Entkräftung zu Grunde gehen. Ein besonders wichtiger, auf Lilith bezogener Text ist das sogenannte Alphabet des Ben Sira, ein satirischer Midrasch, vermutlich entstanden im 9. oder 10. Jahrhundert.24 Hier heisst es also:

„Denn als der Heilige, gepriesen sei er, seine Welt erschaffen hatte, erschuf er auch den ersten Menschen. Als er sah, dass dieser allein war, erschuf er sogleich für ihn eine Frau, die wie er aus Erde war. Ihr Name ist Lilit und er brachte sie zu Adam. Sogleich fingen beide an miteinander zu streiten. Er sagte: „Du sollst unten liegen“ und sie sagte: „Du wirst unten liegen, da wir beide gleich sind, beide aus Erde“ und sie verstanden einander nicht.“. „Als Lilit das sah erinnerte sie sich an den Namen G’ttes, erhob sich in die Luft und entfloh, sogleich erschien Adam im Gebet vor seinem Schöpfer und sprach: „Herr der Welt siehe, die Frau, die du mir gegeben hast ist bereits entflohen“. Sofort sandte der Heilige, gepriesen sei er, jene drei Engel aus, deren Namen Sanui, Sasansui, Samlaglaff ist, die, wie erwähnt, in diesem Amulett geschrieben stehen und sagte zu ihnen: „Geht und bringt Lilit her, wenn es ihr Wille ist zurück zu kommen (Abbildung 5). Wenn aber nicht, sollt ihr sie nicht unter Zwang herbringen“. Sogleich begaben sich jene drei Engel hinweg und holten sie mitten des Meeres ein, an dem Ort, an dem einst die Ägypter ertrinken sollten. Dort packten sie sie und sagten zu ihr: „Wenn du mit uns gehst ist es gut, wenn nicht versenken wir dich im Meer“.

„Sie sagte zu ihnen: „Meine Lieben, ich habe für mich erkannt, dass der Heilige, gepriesen sei er, mich dazu erschaffen hat, die Geschöpfe schwach werden zu lassen, vom Tage der Geburt, bis sie acht Tage alt sind. Vom Tage der Geburt bis zu acht Tagen sei mir Macht darüber gegeben. Und nach acht Tagen und darüber hinaus habe ich keine Macht, wenn es männlich ist, wenn es aber weiblich ist werde ich es zwölf Tage lang beherrschen.“ Sie liessen sie aber nicht los, bis sie ihnen beim Gesetz G’ttes geschworen hatte: „Überall wo ich euch sehe oder euer Name auf einem Amulett ist, werde ich jenes Kind nicht beherrschen“. 25

 

Daher auch die unzähligen, manchmal auch heute noch gebräuchlichen Amulette. Das Alphabet des Ben Sira vermischt hier zwei Legenden, nämlich eine über die angeblich erste Frau Adams mit jener von der kindesmordenden Dämonin. Darin wird deutlich auf die Gleichwertigkeit mit Adam hingewiesen, wegen ihrer einheitlichen Erschaffung. Lilith will dies im sexuellen Akt geltend machen, die obere, aktive Position einnehmen, was Adam ablehnt. Da sie dies nicht zu akzeptieren bereit ist, flieht sie aus dem Paradies und ist auch nicht bereit, zurückzukehren. Zur Strafe dafür wird sie allerdings zum ewigen Gebären dämonischer Kinder verdammt, die allesamt unverzüglich wieder sterben. Sie wird in diesem Text noch mehrfach erwähnt; allerdings gibt es auch noch andere, abweichende Textversionen. In einer erklärt jedenfalls Lilith, es sei ihr aufgrund eines Thora-Verses nicht gestattet, zu Adam zurückzukehren, da ein Mann eine Frau, die er weggeschickt hat dann nicht zurücknehmen dürfe, wenn sie in der Zwischenzeit mit einem anderen Mann verkehrt hätte. Im Falle Liliths handelt es sich dabei um den grossen Dämon Samael, mit welchem sie auch in der kabbalistischen Literatur häufig in Verbindung gebracht wird.

 

Der aus Kastilien stammende Kabbalist Isaak ha-Kohen entwickelt im 13. Jahrhundert eine mystische Lehre, in der er der g’ttlichen Welt eine finstere Welt entgegensetzt, in welcher dämonisch-dunkle Kräfte regieren und in welcher die Figuren Samael und Lilith ein Paar bilden.26 Bei Isaak treten übrigens zwei verschiedene Lilithfiguren auf, nämlich einerseits die Grossmutter, welche gemeinsam mit Samael das Gegenpaar zu Adam und Eva bildet,27 sowie die junge Lilith, um die sich die Fürsten der Dämonen streiten.28 Bei Isaac ist Lilith also nicht die erste Frau Adams, sondern das dämonische Gegenbild der Eva. Die Grossmutter Lilith wird übrigens in späterer christlicher Folklore als Grossmutter des Teufels wiederkehren, da im Christentum die Ehe ein Sakrament ist und es daher als unpassend angesehen wird ,den Teufel mit einer alten Frau zu verehelichen, so wurde sie einfach zu seiner Grossmutter. 29 Im Sefer ha Zohar (zu Deutsch: Buch des Glanzes), dem Hauptwerk der mittelalterlichen Kabbala in Spanien, wird Lilith als Herrscherin der dämonischen Unterwelt und Mutter alles Bösen beschrieben.30 Hier wird übrigens der positiven, weiblichen Seite G’ttes die negativ-weibliche in Form der unreinen Lilith gegenübergestellt, die hier mit verführerischem rotem Haar auftritt, wie sie viele Male auch in der Kunst dargestellt ist, besonders ausdrucksvoll vom wohl bekanntesten sogenannten Präraffaeliten, Dante Gabriel Rossetti, der seine verstorbene Frau als Lady Lilith portraitierte und ihr auch ein Sonett widmete, in welchem er sie ausdrücklich als Adams erste Frau bezeichnete.31(Abbildung 6).

 

In der Kabbala gilt Lilith jedenfalls als Königin der Dämonen und steht für verpönte, illegitime sexuelle Praktiken. Der Zohar empfiehlt sogar ein Ritual, um Lilith vom ehelichen Lager fern zu halten.32 Der Zohar bietet jeweils verschiedene Erklärungen für die Entstehung der Schadengeister: etwa, dass diese an einem Freitagabend bei Dämmerung geschaffen worden seien, wegen des beginnenden Sabbath aber keinen Körper mehr erhalten hätten, somit stets auf der Suche nach solchen bei Menschen wären. Eine anderslautende meint, dass Adam nach der Ermordung Abels von seiner Frau Eva nichts mehr wissen wollte und in der Folge weibliche Dämonen von ihm schwanger wurden, woraus ganze Klassen von Dämonen entstanden seien, nämlich Schadensgeister, die sogar vom Menschen abstammten und von Lilith angeführt werden.33 Der Prager Rabbiner Ruben Höschke Kohen erklärt: „Dann formte G’tt Lilit, die erste Frau, genauso wie er Adam geformt hatte nur, dass er statt reinen Staubs, Schmutz und Sediment verwendet hatte. Aus Adams Verbindung mit dieser Dämonin und mit einer anderen ihr ähnlichen Namens Naamah, Tubal-Kahns Schwester gingen Asmodäus und unzählige Dämonen hervor, die die Menschheit noch immer plagen. Viele Generationen später traten Lilit und Naamah als Dirnen von Jerusalem verkleidet vor Salomons Richterstuhl“.34 Dieser vertritt also die These, Lilith sei aus minderwertigem Material geschaffen und könne daher Adam nicht gleichgestellt werden (wie von Stuckrat in seiner Lilith- Monographie – leider ohne Angabe der Primärquelle – ausführt).

 

Ausserhalb der jüdischen Tradition gibt es weitere Lilith-artige Gestalten, so etwa Lamia in der griechischen Mythologie, eine menschlich-tierische Mischgestalt mit weiblichen Attributen, eine Art Vampir. Da sie eine Geliebte des Zeus war, wird sie von dessen Gattin Hera aus Eifersucht ihrer Kinder beraubt – aus Rache dafür stiehlt sie ihrerseits anderen Müttern Kindern, um diese zu verschlingen, verführt schlafende Männer, um deren Blut zu trinken – eindeutige Parallelen zur Tätigkeit der Lilith und vampirhafte Eigenschaften.35 Die arabische Literatur kennt ebenso eine Kinder tötende, Männer verführende Dämonin, die Umm al-Layl (dt. Mutter der Nacht). Zusammenfassend ist somit festzuhalten, dass Lilith im jüdischen Denken die Dämonin der Umami, der Fleischeslust und der Sexualität schlechthin ist. Diese Lust ist allerdings keineswegs Mittel zum Zweck der Fortpflanzung, vielmehr Ausdruck der Autonomie beziehungsweise Gleichberechtigung, wie dies das Alphabet des Ben Sira deutlich macht. Im Gegensatz zur lebensspendenden Eva gebiert Lilith nur dämonische und zum Sterben verurteilte Kinder, denkt somit lediglich an Zerstörung.36 Aufgrund ihres Blutdurstes kann sie als Ahnin sämtlicher Vampirgestalten angesehen werden. Lebenselixier aller Vampire und „Untoten“ ist der „besondere Saft“, nämlich das Blut.

Vampirismus

Unter Vampirismus versteht man grundsätzlich die Affinität zum Blutsaugen, was in der Literatur und in der Geschichte meist wörtlich gemeint ist, allerdings auch im übertragenen Sinne verstanden werden kann, nämlich das Gewinnen von eigener Stärke durch das Absaugen fremder Energie. Der Mythos des Vampires beschäftigt die Menschheit seit Jahrtausenden, ruft allerdings meist Horror hervor. Zu seiner Faszination tragen durchaus menschliche Bedürfnisse und Gelüste bei, nämlich „Geben und Nehmen“: Der Vampir nimmt das Blut seines Opfers, schenkt diesem dafür allerdings meist eine gewisse masochistische Lust, Sterben und Gebären – das Opfer des Vampires verliert durch den Biss sein sterbliches Dasein, steht allerdings als Untoter wieder auf, Eros und Thanatos, also Liebe und Tod, was auch das Ewige Dilemma des Untoten beschreibt, der aus einer eigentlich erotischen Begegnung, als welche der Biss oder Kuss des Vampires ja durchaus verstanden werden kann, andererseits unweigerlich den Tod bringt.

 

Die Vampirmythologie reicht weit zurück. Die erste Untote ist wohl die schon erwähnte Lilith, die seit jeher das Menschengeschlecht – auch als Nachtgespenst bezeichnet – heimsucht. Seither sind Vampire allgegenwärtig. Oftmals wird Transsylvanien als das Ursprungsland der Vampirgeschichten angesehen, wenngleich doch erst in viel späterer Zeit. Dort gehört allerdings der Glaube an Widergänger also Untote seit Jahrhunderten zur Volkskultur. In Mitteleuropa steigerte sich der Vampirglaube in der frühen Neuzeit zur Massenhysterie, was sich deutlich in den Hexenverfolgungen äusserte, unterstellte man doch den nicht nur eingebildeten, sondern ganz real vorhandenen „Hexen“ – auch strigae –, dass sie entsprechend den antiken Vorbildern (den in Nächten in Schreieulen verwandelten Frauen) nachts ausflogen und dabei nicht nur ihre Liebhaber töteten, sondern auch Kinder, und das Blut von Kleinkindern tranken.37 Die berühmte „Mappa mundi“ aus dem dreizehnten Jahrhundert, aufgefunden in Ebstorf, Niedersachsen und im Original im Zweiten Weltkrieg verbrannt, zeigte den damals bekannten Erdenkreis und zahlreiche topographische Einträge und Informationen zu den Bewohnern. (Abbildung 7) In der nordwestlichen Ecke sitzen zwei nackte Männer, die in abgetrennte menschliche Gliedmassen beissen, daneben liegen zerteilte Körper. Die Inschrift besagt, es handle sich um Gog und Magog, Begleiter des Antichrist, die menschliches Fleisch essen und Blut trinken. (Abbildung 8) Basierend auf Ezekiel 38-39 und Apokalypse 20:8 38 seien sie „unreine Völker“, Zerstörer und Teil der Schreckensherrschaft des Satans am Ende der Zeiten. Im dreizehnten Jahrhundert wurden Gog und Magog in vielen Texten als Rote Juden genannt und mit dem gängigen antisemitischen Vorwurf des Kannibalismus und des Blutkonsums verbunden. Die Darstellung in der Ebstorfer Weltkarte geht also von der tatsächlichen Annahme aus, im zeitgenössischen Deutschland ansässige Juden würden Kinder essen und deren Blut trinken.39

 

Der Sefer Chasidim aus dem 12. Jahrhundert berichtet von strigae als weiblichen Vampiren, die versuchten, das Blut anderer Frauen zu trinken, um selbst zu überleben. Dasselbe gelte auch für deren männliches Gegenstück, den Werwolf (Sefer Chasidim Siman 464). Sefer haRoqeah 41b gibt übrigens das Mittel preis, wie man sich dieser Vampire wirksam entledigen könnte: man müsse einen spitzen Pfahl durch den Mund in die Erde hämmern (in späteren Vampirgeschichten durch das Herz, mit derselben Wirkung). Der Vampirismus hat natürlich auch noch eine sexuelle Lustkomponente, die schon zum Bereich des Sadismus oder Fetischismus gehört. Schliesslich ist spätestens seit der Erfindung des Mediums Film der Vampir als Dauerbrenner in der Unterhaltungsindustrie zu sehen, wobei ich damit nicht ausschliesslich das Medium der Horrorgeschichte beziehungsweise des darauf basierenden Horrorfilmes meine – dazu später mehr, sondern auch die unzähligen Filmwerken zugrundeliegende Spannung zwischen Lieben und Sterben, also die Verbindung von Sex and Crime, dargestellt von charismatischen Männerfiguren, aber noch viel stärker durch erotische, machtvolle Frauenfiguren (femme fatale), ohne welche kein Leinwandwerk aus der Epoche des sogenannten Film Noir das Auskommen findet. Als Parallelfigur zum überwiegend weiblichen Vampir tritt der stets männliche Werwolf in unzähligen Erscheinungen auf. Spätestens seit dem Mittelalter treibt er sein Unwesen, wenn auch sein Interesse weit über jenes des Vampires hinaus geht, ist er doch nicht bloss am Blut seines Opfers interessiert, vielmehr verschlingt er dieses mit Haut und Haaren, ist somit kein eigentlicher Vampir, vielmehr ein menschlicher Kannibale in Wolfsgestalt. 40 Wobei das Werwolf-Narrativ selbst bis in prähistorische Zeit zurückreicht, als Menschen dazu übergingen, Tierverkleidungen anzulegen, um solcherart den Geist eines mächtigen Tieres zu beschwören beziehungsweise selbst dessen Stelle einzunehmen. Das Miteinanderverwobensein von Mensch und Tier mag zur Schaffung jener unzähligen geheimnisvollen Mischwesen wie Sphingen, Kentauren et cetera geführt haben, welche die gesamte antike Literatur bevölkern.41 Lykanthropie bezeichnet das Phänomen der Verwandlung eines Menschen in einen Wolf. Ältestes schriftliches Zeugnis ist wieder einmal das Gilgamesch-Epos, in welchem die G’ttin Ischtar einen Schäfer in einen Wolf verwandelt. Bereits bei Herodot gibt es Berichte über derartige Verwandlungen, bei Ovid in den Metamorphosen wird der griechische König Lykaon von Zeus in einen Wolf verwandelt – daher auch der Name. Weitere Erwähnungen finden sich bei Petronius Arbiter und Plinius dem Älteren. Das Mittelalter hielt die Lykanthropie für eine schwere Strafe G’ttes. In der frühen Neuzeit gab es parallel zu den Hexenprozessen auch solche Verfahren gegen mutmassliche Werwölfe. In Literatur, Volkssagen und Aberglaube sind die Werwölfe fest verankert.42 (der Begriff Lykanthropie steht in der Psychologie auch für eine psychische Störung, nämlich die Wahnvorstellung, ein Tier zu sein oder in ein solches verwandelt zu werden.) Es gibt auch einige jüdische Texte zum Werwolf-Thema, so in einem Midrasch zu Genesis 49,27 („Benjamin, ein Wolf der zerfleischt…“)43, oder vom Rabbi der ein Werwolf wurde im Mayse-bukh von 1602 und in den Geschichten des Baal-Schem-Tov (1698-1760), und in Martin Bubers Geschichte Der Werwolf in seiner Sammlung Die Legenden des Baalschem von 1908.44

 

Der Werwolf hat als Monster eine Sonderstellung, seine hybride Natur Mensch/Wolf oder Wolf/Mensch macht ihn zum Schlüssel für alle Arten von Verbrechen und Störungen. Ein Wesen, das seine physische Erscheinung rasant und radikal verändern kann, erweckt tiefstes Misstrauen und Grauen, besonders, da die Verwandlung nicht freiwillig geschieht, sondern vielmehr ohne Zutun und gegen den Willen des Betroffenen. Das Mittelalter erlebte geradezu eine Werwolf-Renaissance, die Chasside Ashkenas (die Frommen Deutschlands), eine asketische Bewegung, die im zwölften und dreizehnten Jahrhundert im Rheinland florierte, hielt eine Metamorphose tatsächlich für möglich. Die aus dieser Zeit überlieferten Geschichten fanden später Eingang in das schon erwähnte jiddische Mayse-bukh.45 Der Werwolf ist jedenfalls Aussenseiter, steht ausserhalb der Rechtsordnung, ist „friedlos“, kann daher straffrei von jedermann getötet werden. Diese Vorstellung des nicht zur Einwohnerschaft gehörig Seins wurde auf Juden übertragen.46 Viel mehr Erwähnungen gibt es in zahlreichen antijüdischen Traktaten, beginnend mit dem Kirchenvater Johannes Chrysostomos, dazu später. Juden werden vielfach mit Wölfen gleichgesetzt. Besonders deutlich wird das in den (gefälschten) sogenannten Protokollen der Weisen von Zion, in denen sie sich gar selbst als Wölfe bezeichnen, welche die arme Herde der Gojim-Schafe vernichten wird.

 

Vorerst zurück zum Vampirismus: Das Vampirprinzip ist ein zutiefst menschliches Phänomen. Nach Sigmund Freud befindet sich das Kind im ersten Lebensjahr in der sogenannten oralen Phase. Der deutsche Psychoanalytiker Karl Abraham hat die menschliche Frühphase in zwei Perioden unterteilt, nämlich das „Frühe orale Stadium bis zum 6. Lebensmonat“, in welchem alles Vergnügen des Kindes mit dem Saugen gleichzusetzen ist, auf dieses folgt die „Sadistische orale Phase“ nämlich die mit dem Zahnen einsetzende Lust, zuzubeissen. Der Säugling tötet sein Opfer nicht etwa, erfährt aber eine Befriedigung beim Einsaugen „weissen Blutes“, also der Muttermilch, huldigt also quasi einem sanften Vampirismus. Sowohl Blut als auch Milch sind also Flüssigkeiten mit lebensspendender Kraft. Der Vampir scheint demnach tief in uns allen zu stecken, jedenfalls in einer Frühphase, die von uns allen durchlebt wird.47

Mythen, Sagen, Kunst und Literatur belegen, dass die Gestalt des Vampires allen Menschen vertraut ist. Das gesamte irdische Leben ist so gesehen dem Grund nach einer Art Vampirprinzip untergeordnet: Um sich selbst am Leben zu erhalten, muss man etwas einsaugen, sich anderes Leben einverleiben –eine durchaus parasitäre Erscheinung, etwas, das uns später noch begegnen wird. Das gilt natürlich nicht nur für den Menschen, sondern auch für das Tier, insbesondere das Raubtier, das oftmals nicht nur tötet, um zu fressen, sondern auch aus Lust (so etwa, wenn die Katze mit der Maus „spielt“). Für Menschen haben sich die Vampirelemente im Laufe der Evolution getrennt und treten einerseits auf im Jagdfieber (auch Sammelleidenschaft gehört dazu), ferner in der Sexualität und im Essbedürfnis. Beim Lustmörder finden die Elemente allerdings zu einer grausamen Wiedervereinigung, weshalb ja auch Triebtäter oftmals als Vampir oder Werwolf bezeichnet wurden. Vampirismus eignet somit durchaus dazu, den Lebens- und Todeskreislauf in der Natur zu bestimmen. Es ist so gesehen kaum verwunderlich, dass die Gestalt des Vampires starke Suggestionskraft ausübt und durchaus den Wunsch nach ewigem Leben und ungehemmter Befriedigung elementarster Triebe hervorrufen kann.

 

Es gibt verschiedene Erscheinungen von Vampiren in den einzelnen Glaubensvorstellungen. Sagen und Mythen aller Völker berichten von blutsaugenden- und nagenden Geschöpfen, wenngleich unterschiedlicher Ausprägungen. So existieren die Wiedergänger, also jene Toten, die nächtens ihre Gräber verlassen – interessanterweise nur dort, wo die Erdbestattung üblich ist. Regionen, in denen die Feuerbestattung Brauch ist, wie etwa Indien, kennen diese Form nicht.48 Die Herkunft des Wortes ist übrigens nicht ganz klar, die deutsche Sprache verwendete ursprünglich die Bezeichnung Blutsauger. In Deutschland setzte sich in den 30iger Jahren des 18. Jahrhunderts der Begriff Vampir durch, welcher auch in den anderen germanischen sowie in den romanischen Sprachen Eingang fand. Zunächst verstand man darunter nur die Verstorbenen, die nachts ihre Gräber verlassen, um den Lebenden das Blut auszusaugen. Voltaire war es, der den Begriff auch soziologisch verwendete und auf die Blutsaugerei der Wucherer hinwies; dementsprechend auch der Gebrauch für eine parasitäre- oder raubtierhafte menschliche Existenz. Auch Kant spricht von den Juden als

„Vampyren der Gesellschaft“. (dazu später)

 

Der Vampir ist ein Mangelgeschöpf, das heisst es fehlt ihm etwas, das er zur eigenen Befriedigung anderen raubt, allerdings wird er diese Befriedigung nie endgültig erfahren können, da seine Gier einen unheilbaren und unstillbaren Suchtcharakter aufweist. Das ebenso aggressiv wie destruktiv gewordene Vampirprinzip ist somit ein enthemmter Lebenstrieb, der sich in seiner Zügellosigkeit mit dem Todestrieb vermählt. Vampirismus ist ein Teil des ewigen Kreislaufes. Gleichgültig dem Tod des Einzelnen gegenüber dient er doch dem Leben, schafft doch der Tod erst Platz für neues Leben. Der Vampirismus ist Ausdruck dieses Wechselspieles, allerdings einer Übersteigerung, in der das ausgewogene Spiel der Kräfte durchaus gestört ist. Die Ambivalenz zwischen Leben und Tod, die sich im Vampirismus offenbart, zeigt sich auch in der Substanz, die der Vampir ausschliesslich zu sich nimmt: im Blut. Blut galt in sämtlichen Kulturen als Quelle allen Lebens. Deshalb glaubten Krieger von Naturgesellschaften daran, ihre eigene Lebenskraft zu stärken oder erneuern zu können, wenn sie ihren Körper mit dem Blut der Feinde beschmierten oder es gar tranken. Nicht umsonst heisst es im 5. Buch Mose:

„Jedoch bleibe stark, keinesfalls das Blut zu essen, denn das Blut ist die Seele (…)“.49

 

Blut erweckt allerdings auch die gegenteilige Assoziation, nämlich dann, wenn es geflossen ist, jene des Todes. Ebenso ambivalent wie der Stoff Blut selbst ist auch dessen Farbe, nämlich Rot. Diese ist anziehend und abstossend zu gleich. Die Farbe von Begierde, Entsetzen und der Lust am Untergang. Auch der Geschlechtstrieb ist einerseits Garant für die Schaffung neuen Lebens, andererseits steht er in seiner Übersteigerung und Enthemmung für Krankheit und Tod. Der Vampir ist also die Verkörperung der dämonischen Seite der Sexualität. Dämonisch und somit auch zerstörerisch können übrigens beide Geschlechter sein. Dracula ist das männliche Raubtier, das sich mit Vorliebe an jungen Frauen vergeht, solchen, die neues Leben empfangen können. Der weibliche Vampir (auch in der Gestalt der femme fatale oder des Vamps) saugt den Männern ihr letztes Blut aus, was auch gleichbedeutend sein kann mit Sperma. Dieses galt meist als noch stärker konzentrierte Form der Lebensenergie als das Blut selbst. Für die Jung’sche Psychologie ist die Destruktivität des Vampires die sogenannte dunkle Seite unserer Seele, unserer geheimen Wünsche, unserer verbotenen Gedanken, unserer verleugneten Gefühle. Der Vampir ist ein Geschöpf der Dunkelheit, Herr der Nacht und des Alptraumes. Der Freud-Schüler Ernest Jones untersucht in seiner Studie über den Alptraum jene Erscheinungen, die uns in den Träumen heimsuchen: Vampire, Incubi, Werwölfe, Hexen, Dämonen. Die Hochkonjunktur dieses Glaubens bestand im Zeitraum zwischen 1450 und 1750, die Existenz wurde von niemanden angezweifelt. Angeheizt wurde die Massenpsychose nicht zuletzt durch die Sexualfeindlichkeit der christlichen Kirchen und daraus resultierende Verdrängungsmechanismen.50 Es gibt bekanntlich im Tierreich eine Vielzahl von Schmarotzern, die sich vom Blut anderer Lebewesen ernähren, wie Zecken, Stechmücken, Wanzen, natürlich auch Fledermäuse, wobei die meisten von deren unzähligen Arten tatsächlich keine Blutsauger sind. Es gibt aber solche tatsächlich. Die menschliche Angst vor der Fledermaus ist natürlich auch darin begründet, dass diese ihre Zeit tagsüber an dunklen Orten verbringt und nur nachts auf Jagd geht.

Historische Bedeutung des Blutes

„Blut ist ein ganz besonderer Saft“, sagt Mephisto zu Faust.51 Diese Feststellung gilt allerdings nicht erst seit Goethe. Blut ist nicht nur das „Lebenselixier“ für Vampire, sondern für die Menschheit seit Anbeginn, ohne Blut kein Leben, verliert der Mensch zuviel davon, verliert er auch das Leben. Dementsprechend zieht sich die Bedeutung des Blutes durch alle Mythen aller Kulturen. Die Macht des Blutes ist allgegenwärtig, ebenso seine Kehrseite: Blutbefleckung, Blutschuld und verderbtes Blut. Das Blut ist nicht nur die Grundlage aller Heilkunst, sondern auch wichtiger Bestandteil vieler symbolischer Handlungen.52 Der Umstand, dass man durch Blutverlust sein Leben verliert, führt einerseits dazu, dass man keinen leichtfertigen Umgang damit treiben soll, andererseits erschien es stets dazu geeignet, bei Blutzufuhr das Leben zu vermehren. Wenn Krankheiten auf schädliche Einwirkungen von Dämonen zurückgeführt werden, so dient das Blut auch dazu, erfolgreich im Kampf gegen diese eingesetzt zu werden. Daraus resultierte etwa der Brauch in Rom, an den Terminalia (23. Februar) die Grenzsteine mit frischem Blut zu bestreichen, um schädliche Einflüsse abzuwehren, wie Ovid dies beschreibt. Dasselbe gilt für das Bestreichen der Türpfosten mit Blut zur Abwehr von Schadenzauber (laut Plinius). Uralt ist die Idee, der Austausch von Blut werde unauflösliche Bünde zwischen Menschen herstellen, gleichsam eine verwandtschaftliche, blutsmässige Bindung bewirken (siehe der Blutbund der katilinarischen Verschwöre, ,beschrieben von Sallust). Dementsprechend besiegelt wird der faustische Teufelspakt mit Blut.

 

Wie in allen antiken Kulturen und Religionen kommt dem Blut auch im alten Israel der Status besonderer Heiligkeit zu. Es ist verwandt mit dem lebensnotwendigen Element Wasser. Beiden Flüssigkeiten kommt daher auch hohe Wichtigkeit als kultisches Reinigungsmittel zu.

Das vergossene Menschenblut schreit gleichsam selbst nach Rache, das von Mörderhand vergossene Blut verunreinigt den Täter. Verunreinigend ist auch die Berührung mit dem Blut der Menstruierenden und Gebärenden. Das unschuldig vergossene Blut kann nur durch das Blut des Mörders gesühnt werden (Gen 9,6; Num 35,33). Der Bluträcher tilgt wiederum mit dem Blut des Täters Land und Gemeinschaft vom vergossenen Blut.53 Die Beschneidung ist nichts Anderes als ein Blutritus, nämlich die Realisierung des Blutbundes vom Sinai. Umgekehrt besteht auch absolute Blutscheu, was sich im strengen Verbotes des Genusses von Blut manifestiert (Gen 9,4; Lev 3,17 ua) un dbis zur Androhung der Todesstrafe für Blutgenuss reicht (Lev 7,27; 17,10-14). Die Schlachtung von Tieren darf daher nur unter bestimmten Vorsichtsmassnahmen stattfinden, im Deuteronomium wird die Schächtung, die das Ausbluten des Tieres sichern soll, vorausgesetzt (Dtn 12,16). Kultische Darbringung von Menschenopfern ist strengstens untersagt, an deren Stelle tritt die Opferung von Tieren.54

Von Anbeginn der Menschheit an macht diese ihre ersten Begegnungen mit dem Menstruationsblut der Frau. Die Menstruation wird als monatliche Reinigung, als Entgiftung des Körpers angesehen, indem totes Blut ausgeschieden wird. Als man begann, es mit giftigen Substanzen in Verbindung zu bringen, erblickte man darin auch eine hohe Ansteckungsgefahr. Zahlreiche Kulturen gingen daher von einer Verunreinigung durch dieses Blut, hervorgerufene Einschränkung der männlichen Virilität, Verderbnis der Ernten, Ungeniessbarkeit von Essen et cetera aus. Ganz im Gegensatz dazu ist doch das mütterliche Blut tatsächlich der Nährstoff für das sich heranbildende Kind. Weder das Alte Testament noch die spätere religiöse Literatur kennen irgendeinen Hinweis auf eine rituelle Verwendung von Menschenblut, die man den Juden jahrhundertelang zum Vorwurf machte. Im Gegensatz dazu, dass man den Christusmördern vorwarf, Christenblut für rituelle Zwecke zu rauben, ist es doch der Ausspruch Christi persönlich: „Dies ist mein Blut, das ich für euch hingegeben habe“ (Matthäus 26.28). Millionen von Gläubigen nehmen noch heute von Brot und Wein in der Vorstellung, diese seien im Rahmen der Eucharistie zu Leib und Blut Christi gewandelt. Eine Art Vampirismus am Erlöser? „Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, der bleibt in mir und ich bleibe in ihm“ (Johannes 6,56), das im Opfertod vergossene Blut soll also das ewige Leben und Heil bewirken und Gesundheit an Leib und Seele? Dem Blut wird Lebenskraft zugesprochen – was übrigens im Rahmen vieler Kulturen und nicht nur im Aberglauben auftritt, sondern auch Einfluss auf die moderne Medizin hat: noch in der Antike dachte man, dass Menschenblut gegen Epilepsie wirke, im Mittelalter wurde gegen Gelenks- und Nervenleiden menschliches Blut eingesetzt. Weitverbreitet war die Auffassung, dass der Aussatz nur durch Menschenblut geheilt werden könne. Besonders wirksam sollte das Trinken des Blutes Hingerichteter sein. Dahingegen war man auch der verbreiteten Ansicht, dass die Ableitung von Blut, der sogenannte Aderlass, hilfreich sei, somit eine Heilmethode darstellte und durchaus als medizinische Form des Vampirismus bezeichnet wurde.55

Die Farbe des Blutes ist Rot. Diese versinnbildlicht aber nicht nur die lebensspendende Bedeutung, sondern auch weltliche Macht, welche sich in den Zeichen königlicher Souveränität äussert. Auch Richter, die das Gesetz verkörperten, trugen früher Rot, desgleichen die Scharfrichter, denen die Vollstreckung der sogenannten Blutgerichtsbarkeit zukam. Es ist aber auch die Farbe des Aufrührers und der Revolution und im Katholizismus der Kardinäle.

Blutfetischismus

Fetischismus wird als krankhaftes Übermass einer an und für sich keineswegs abnormalen Empfindung gesehen. Die Auswahl dessen, was der Fetischist zum Objekt seiner Begierde erhebt, ist nahezu unbegrenzt: Körperteile, Eigenschaften, Kleidungsstücke, aber eben auch Körpersäfte, wie etwa das Blut. Die Besonderheit bei letzterem liegt natürlich darin, dass der an sich totenbleiche Vampir das Blut zum Überleben benötigt, er dessen wie der Kranke der Bluttransfusion zu seiner Genesung bedarf. Sein Fetisch hat eine derart dominante Stellung erreicht, dass dieser auch zum Lebenselixier wird. Die schlichte Liebe zum Blut, die Haematophilie, steigert sich beim lebenden Vampir, von denen es in der Historie einige Beispiele gibt, zur Haematodipsie, einem erotischen, unstillbaren Blutdurst. Das Blut wird hier zum alleinigen Lebensinhalt. Auch wenn die Geschichten um die berüchtigte Blutgräfin Elisabeth Báthory stark übertrieben sein mögen, dürfte doch verbürgt sein, dass die zufolge Inzest an epileptischen Anfällen Leidende zwar vermutlich nicht in Mädchenblut badete, aber doch unzählige Frauen foltern und ermorden liess, was ihr den Beinamen „Blutgräfin“ einbrachte. Die Legenden nennen erschreckende Zahlen zwischen 50 und 650 Gemordeten. Angeblich soll sie die „heilende Wirkung“ des Jungfrauenblutes entdeckt haben, als sie im Zorn eine sie frisierende Dienerin kratzte, deren Blut auf ihren Handrücken tropfte und eine Verjüngung der Haut hervorrief. Es führte zu weit, hier die ekelhaften Foltermethoden der Blutgräfin aufzuführen, verbürgt ist allerdings, dass sie ihre Opfer mit Dolchen stach und auch biss, also eine eindeutig vampirhafte Gewohnheit zeigte.56 Die Gerichtsakten jener Zeit geben keinen Hinweis auf die behaupteten Blutbäder, da aber die Verbindung – Blut entspricht Leben – in den Mythen aller Völker eine bedeutende Rolle einnimmt, ist es nicht verwunderlich, dass die Historie das „Blut junger Mädchen“ mit Jugend und Schönheit in Verbindung bringt. Die tatsächlich erhobenen Vorwürfe betreffen die Mädchenmorde, daneben Schwarze Magie und Homosexualität. Hingerichtet wurden übrigens nur ihre Mittäter, sie selbst als Angehörige des Hochadels wurde lediglich auf einer ihrer Burgen gefangen gehalten. Eine Ausnahme stellt die Dame insoweit dar, also sexueller Sadismus eigentlich als eine Domäne des Mannes angesehen wird. Der Blutmythos der Báthory dürfte übrigens auch Bram Stoker und dessen Dracula- Geschichte beeinflusst haben.57 Beim echten Dracula handelt es sich um Vlad Tepes III., Woiwode der Walachei (Abbildung 9), der als einer der grausamsten Massenmörder in die Geschichte einging und offenbar aus reinem Blutdurst im grossen Stile morden liess, bis er in einer Schlacht gegen die Türken selbst getötet wurde und schliesslich durch Stokers Erzählung „wieder auferstand“.58

 

Ganz unermesslich war die Blutgier der Französischen Revolution, insbesondere von deren Hauptvertreter Maximilien de Robespierre, die sich vornehmlich gegen die Vampire in Form des Klerus und der Aristokratie, schliesslich allerdings gegen jedermann richtete. Zu den grössten Schlächtern, die sich geradezu in jeweils unermesslichen Blutrausch steigerten, gehören natürlich die Diktatoren des 20. Jahrhunderts, die von unnachahmlichem Sadismus getrieben waren, wie Stalin, oder von kruden Blutmythen, wie Hitler. Alfred Rosenberg, Chefideologe der NSDAP, bezeichnete den Nationalsozialismus in seinem „Der Mythos des 20. Jahrhunderts“ als eine Religion des Blutes. Nur dieses könne jede höhere Kultur vor dem Untergang retten. Blut bestimmt daher (nicht nur in seinen schrecklichen Auswirkungen mit zig-Millionen Toten) in jeglicher Hinsicht die Ära des Dritten Reiches. Es gibt Blutfahnen, Blutzeugen, Blutschuld, Blutgesetze auf Basis einer Vermischung von wiederbelebter germanischer Mythologie und einem weit verbreiteten Hang zum Okkultismus. 59 Nicht unerwähnt bleiben soll der schon ziemlich in Vergessenheit geratene, an Grössenwahn, Prunksucht und Persönlichkeitskult seine Vorgänger noch erheblich übertreffende rumänische Ex-Diktator Nicolae Ceaușescu, der seinen Jugendlichkeitswahn durch Infusionen von Säuglingsblut zu fördern suchte. Bezeichnend ist, dass mit Ausnahme Stalins all die Genannten eines gewaltsamen Todes starben, somit gleichsam Opfer ihres eigenen Blutrausches wurden.

 

Im Zusammenhang mit Blut gibt es eine „Erscheinung“, die schon seit dem Mittelalter als pseudowissenschaftliche Begründung jüdischer Verbohrtheit und Eigensinnigkeit dient, die Juden daran hindere, die echten Wahrheiten der Heiligen Schriften zu erkennen. Und zwar neben der wiederholt behaupteten Verwendung von christlichem Blut für magische Praktiken im Zuge von Ritualmorden (Abbildung 10) das Motiv der „jüdischen männlichen Menstruation“, welches tatsächlich im 12. und 13. Jahrhundert aufkam und rassistische Vorurteile – die man damals natürlich nicht als solche bezeichnete – befeuerte. Was ist das: Männliche Menstruation? In verschiedenen Texten vom 12. bis zum 15. Jahrhundert wird von plötzlichen und unnatürlichen Blutungen, aber in regulären Intervallen bei Männern berichtet, die sich in der Genital- oder Analregion ereignen. Ein Dominikaner, Thomas de Cantimpré berichtet vom plötzlichen Austreten von Blut aus dem Körper eines – männlichen – Juden, das nicht auf eine Verletzung zurückzuführen war. Natürlich wird dies gleich verallgemeinert für alle Juden und als eine Folge der Tötung Christi erklärt. Andere anonyme Schriften verbinden diesen „fluxus sanguinis“ jüdischer Männer mit dem Wechsel des Mondes, dabei wird natürlich auf die weibliche Monatsblutung Bezug genommen, die ja schon rein sprachlich durch das Wort mensis – Monat – seit der Antike mit dem Mondzyklus in Verbindung gebracht wird. Die tatsächliche Menstruation wird als eine der zehn Strafen Evas gesehen, viele Texte sehen den Zeitraum vor, während und nach der Blutung als unrein an, was zu Blut-Tabus in jüdischer- und christlicher Religion führt und in beiden – vielfach heute noch – als Grund dafür herangezogen wird, Frauen von höheren Positionen im Zuge der Religionsausübung auszuschliessen.60 Im Evangelium des Matthäus heisst es: „Da rief das ganze Volk: Sein Blut komme über uns und unsere Kinder!“ (Mat 27,25), was ausdrücken soll, dass die Juden die Verantwortung für den Tod Jesu übernommen hätten. Sie haben also Christi Blut vergossen, im Gegenzug dazu sollten sie selbst bluten. Blutung wird somit als beschämend und entwürdigend angesehen. Der Psalm 78:66 gibt die Philister

– als Ausfluss von G’ttes Strafe – ewiger Schande preis, wobei dies oftmals schlicht als blutende Hämorrhoiden interpretiert wird. Die sogenannte männliche Menstruation ist somit nichts anders als Ausfluss g’ttlicher Strafe als Reaktion für das Leiden Christi. Es versteht sich wohl von selbst, dass dieser monatliche Blutfluss nur durch Zufuhr von frischem Blut ausgeglichen werden kann. Dazu bedurfte es frisch gezapften christlichen Blutes, womit wir bei einer selbsterklärenden Begründung der Notwendigkeit von Ritualmorden wären.61 Zudem erklärt dieser Monatsfluss den sogenannten „foetor judaicus“, also den angeblich verbreiteten unangenehmen Geruch, ein untrügliches Anzeichen für das Dämonische im jüdischen Menschen.62

 

Der jüdische Körper wird als deutlich abweichend von dem des Christen geschildert, nämlich einerseits zur Wollust neigend, dabei anstössig, furchtsam, kränklich und zur Blutung neigend. Der Vergleich mit Ruhr- und Wassersucht wird ebenfalls als beschämend angesehen. Die jüdische Fleischlichkeit wird der christlichen Spiritualität – also Vergeistigung – gegenübergestellt. Die behauptete Verweiblichung ist gleich zu setzen mit Verweichlichung durch Verwischen der Grenzen zwischen männlich und weiblich, Jude und Nicht-Jude, dient somit der Ausgrenzung und zur Verstärkung gesellschaftlicher Unterdrückung und Diskriminierung. Ein weiterer Dominikaner und Bischof, Jacques de Vitry (einer der grossen mittelalterlichen Kulturhistoriker) beschreibt die männlichen Juden ebenfalls als weich und matt wie Frauen in Verbindung mit dem monatlichen Blutverlust.63 Diese männliche Monatsblutung hatte noch einen willkommenen Effekt, nämlich zur Überprüfung der Reinheit des Blutes, wie es die Doktrin „Limpieza de Sangre“ der spanischen Inquisition im 15. Jahrhundert formulierte. Schon vor der endgültigen Vertreibung im Jahr 1492 kam es unter dem Druck der sogenannten Reconquista zu Massenkonversionen und Taufen von iberischen Juden, manchmal auch Muslimen, zum Christentum. Diese Zwangsgetauften standen ohnehin von Anbeginn unter dem Generalverdacht, weiterhin ihrem Altglauben anzuhängen, also heimlich zu judaisieren, wie dies genannt wurde. Selbst ohne diesen Vorwurf konnten sie biologisch nicht den sogenannten Altchristen gleichgestellt werden, waren sie doch stets gefährdet, zu ihrem ursprünglichen Glauben zurückzukehren. Die Doktrin der Reinheit des Blutes – die sehr stark an den Rassenwahn des Zwanzigsten Jahrhunderts erinnert – sollte die christliche Bevölkerungsmehrheit davor schützen, dass Conversos sozial aufstiegen, diesen also den Zugang zu vielen Positionen verwehren. Es ist daher nicht verwunderlich, dass Blutungen, welcher Art auch immer, das heimliche Anhängen der Conversos an ihrer abgelegten Religion beweisen sollten und somit natürlich auch Eingang in zahlreiche Akten der Inquisition fanden. Diese kühne Erfindung diente also als unumstösslicher Beweis des sogenannten Judaisierens. Das so abstruse Motiv der sogenannten jüdischen männlichen Menstruation beweist somit erneut die kulturelle Wichtigkeit des Blutes.64

Vampirismusvorstellungen in antisemitischer Tradition

Die Geschichte jüdischer Vampire ist etwa so alt, wie die Geschichte des Antijudaismus in Europa. In der Naturphilosophie des Aristoteles gibt es für jede der sogenannten Kategorien auch ein Gegenstück beziehungsweise eine Umkehr ihrer selbst; ganz deutlich wird dies an seiner Schilderung des menschlichen Körpers. Der warme und relativ trockene männliche Körper sei perfekt; die innere Hitze würde zu besserer Futterverwertung und Wandlung des inneren Blutflusses in starke Muskeln, aber auch Sperma und Haar führen. Das Gegenstück zu diesem perfekten männlichen Körper sei der fehlerhafte und verdorbene weibliche Körper, der als kalt und unnatürlich feucht angesehen wurde; wegen mangelnder Hitze sei er nicht in der Lage, Nahrung vollständig zu verdauen und könne das sogenannte humorale Blut nicht verwerten. Dieses würde vielmehr im Uterus aufgestaut, wo es verdorben und vergiftet und daher einmal im Monat ausgestossen werden müsse.

 

Philosophisch – theologisch – medizinische Erklärungsversuche

Für die klassischen medizinischen Autoritäten wie Hippokrates beziehungsweise Galen war Menstruationsblut eine ganz natürliche Flüssigkeit, nicht mehr oder weniger giftig als Schleim oder Urin – eine Erkenntnis, die sich in der Folge bedauerlicherweise nicht durchsetzte, erklärte doch der theologische Schriftsteller Isidor von Sevilla im siebten Jahrhundert in seinen medizinischen Schriften, Menstruationsblut sei eine so giftige Flüssigkeit, dass sie in der Lage wäre, Spiegel zu verdunkeln und Leim aufzulösen, sogar Eisen rosten zu lassen. Diese abstrusen Ideen blieben als letztgültig bestätigt durch die zeitgenössische Medizin und, angeblich gestützt durch die Aristotelische Naturphilosophie, Gegenstand der theologischen Lehre. Der sogenannte Pseudo-Albertus (Schriften, die irrigerweise Albertus Magnus zugeordnet wurden) erklärt im 12. Jahrhundert in einer Abhandlung „De secretis mulierum“ daher in fester Überzeugung, der weibliche Körper sei nicht in der Lage, Blut in feste Muskeln zu verwandeln, weibliches Fleisch sei vielmehr lose und schwammig, eindeutig definiert durch hängende Brüste und weichen Bauch. Kalt und feucht sei der weibliche Körper, somit ein schlecht oder unförmig ausgeprägter männlicher solcher, unvollständig und stets vom Verlangen getrieben, vollständig zu werden, was aber nie gelingen könne.

 

Die Thematik der Menstruation und die damit zusammenhängenden Reinheitsgebote beschäftigten seit jeher die religiösen Autoritäten, intensiv auch jene der Kabbala. Der Zohar erklärt, dass sich einem Mann, dessen Frau Tage der Unreinheit durchlebt und er diese abwarte, übernatürliche Paare während all dieser Tage verbänden, er wäre dann sowohl männlich und auch weiblich. Sobald sie wieder rein sei, möge er sie beglücken - Freude der Mizwa ist übernatürliche Freude! Daraus folgt, beschnittene Männer haben menstruierende Frauen zu meiden, da sie ansonsten den irdischen und den jenseitigen

 

Bund verunreinigen. 65 Moses de Leon stellt den Vergleich zu den Mondphasen her, Neumond, zunehmender Mond, Vollmond und abnehmender entsprächen den Lebensphasen Geburt, spriessend, Lebensfülle und Tod. Die mittelalterliche Kultur war generell patriarchal. Die Verbindung einer misogynen Theologie – egal welcher – mit wissenschaftlichen Theorien, die weibliche Inferiorität rechtfertigen, führt zu niederschmetternden Ergebnissen. Leviticus 15,19 erklärte Menstruierende für ungeeignet zu kultischen Handlungen und untersagte den Ehemännern geschlechtliche Handlungen (20,18). Isaak der Blinde verbindet die Kabbala mit Medizin und Naturphilosophie auf Basis griechischer Wissenschaft und Philosophie. Die Dichotomie zwischen rechts und links durchzieht die kabbalistischen Lehren: links ist weiblich, unrein, übel, rechts ist männlich, rein und gut. Demgemäss kommt das unreine Blut ausschliesslich von der linken Seite. 66 Nachmanides geht noch weiter: seine Verbindung des aristotelischen Modells mit der Kabbala schafft das Bild der Menstruierenden als menschliche Verkörperung der dämonischen „anderen Seite“. Somit haben Kabbalisten des dreizehnten Jahrhunderts auf Basis dieser kruden Theorien den Beweis physischer Minderwertigkeit von Frauen generell und auch die spirituelle Minderwertigkeit jüdischer Frauen „bewiesen“.67

 

Nach der Aufhebung des kirchlichen Verbotes, Aristoteles zu lehren, bedienten sich nunmehr auch die christlichen Theologen des 13. Jahrhunderts an dessen Kategorienlehre und der daraus erwachsenen Unterscheidung zwischen dem männlichen und dem weiblichen Körper. Vorbild christlicher Perfektion war ausschliesslich dieser männlich ideale Körper, wobei eine äusserliche symmetrische Schönheit die Reinheit und ausgewogene Harmonie des Inneren widerspiegle, kurz und einfach: physisch und geistig ein würdiges Gefäss sei, um das G’ttliche zu beherbergen.68 Diesem gleichsam geheiligten männlichen Körper stand also der unfertige, verunreinigte, weibliche Körper gegenüber, der, bar jeder G’ttlichkeit, nur als Gefäss für das Böse dienen konnte. Diese haarstäubenden, aber als unleugbar angesehenen medizinisch-theologischen Theorien dienten auch den herausragenden Vertretern der Inquisition, nämlich den beiden Dominikaner-Mönchen Heinrich Kramer, besser bekannt unter der latinisierten Form Institor, und Jacob Sprenger als Grundlagen für die Verfassung eines die Geschichte wesentlichen beeinflussenden Werkes, nämlich des Malleus maleficarum, des Hexenhammers von 1486, in welchem es zu einer Verschmelzung aller unchristlichen und damit demgemäss auch unmännlichen Körper kam, nämlich jener von Hexen, Häretikern und Juden.

 

Muslimische Schriftsteller brachten medizinische Kenntnis auf Basis des von Galenus entwickelten Corpus in den Westen. Ibn-Sina (latinisiert Avicenna) erklärte typische Symptome der Melancholie als Ausfluss der "schwarzen Galle". Besonders die Dunkelheit und Trockenheit des Körpers, dessen Schlaflosigkeit und zugleich Trägheit bei Sonnenlicht, ferner die Besessenheit mit Tod, das Verlangen nach Koitus, zugleich Hinwendung zu Finsternis und Schatten, aber auch zu Mond und Friedhöfen sind beschriebene Eigenschaften, die auch in späteren historischen Werken mit jüdischen Menschen in Verbindung gebracht werden und, wie wir noch sehen werden, ganz deutlich porträtiert werden in der Gestalt des Vampires Nosferatu.

 

In den theologischen Texten des Mittelalters war die Verbindung zwischen der schwarz-galligen Melancholie und den Juden eine Selbstverständlichkeit. Ein sogenanntes quodlibet, zu Deutsch „wie es Euch gefällt“ – also ein eher scherzhafter Text – beschreibt die Juden als melancholisch. Da sie melancholisch sind, leben sie abgeschieden an einsamen Plätzen, ziehen sich also von der Gesellschaft zurück – und gerade deshalb seien sie dann melancholisch, ein klassischer Zirkelschluss! Der kalte und unvollständige weibliche Körper des vampirischen Juden verbunden mit dessen melancholischer Natur steigern sich so zu einem obsessiven Verlangen nach Blut. Das gesamte Mittelalter hin herrschte ohnedies die Überzeugung, dass die Juden unter einem Fluch lebten wegen der ihnen angelasteten Schuld an der Kreuzigung Christi, also dem Vergiessen von dessen Blut. Die Theologen lehrten daher, dass jüdische Frauen zu wesentlich schwierigeren schmerzhaften Geburten verdammt seien, an starken Regelschmerzen und viel stärkerem Blutfluss als christliche Frauen zu leiden hätten. Jüdischen Männern hingegen sagt man den bereits oben beschrieben „fluxus sanguinis“ aus dem Rektum nach, ebenfalls in einem Monatszyklus, verbunden mit dem Vollmond und noch verstärkt am Karfreitag. Sowohl Männer als auch Frauen seien angefüllt mit giftigem Blut. Nach den Lehren des schon zitierten Pseudo-Albertus war das verunreinigte Blut dazu angetan, giftige Dämpfe abzusondern und führte zu Störungen in Lungen und Hirn. Diese wurden ausgestossen durch verseuchte Brustmilch, bösen Blick, giftigen Speichel, ja sogar durch die Ohren. Daraus schloss auch der zitierte Hexenhammer die den Hexen innenwohnende Kraft, allein durch Berührung, Blick oder Hauch vergiften und sogar töten zu können. Der solcherart in der Vorstellung existierende Jude war daher bereits Vampir, lange bevor er durch Stoker in der Literatur und, darauf basierend im Film oder später durch die NS-Propaganda so dargestellt wurde. Die unheilige Verbindung von Medizin und Naturphilosophie, von der Theologie in den Dienst der Blutbeschuldigung gestellt, erklärte, dass Juden nicht nur Christenblut zur Heiligung und für religiöse Rituale benötigten, es vielmehr sogar konsumierten, weil sie biologisch dazu gezwungen waren, und das trotz des ausdrücklichen Verbotes, Blut in jeglicher Form zu geniessen. Wohlbekannt

 

sind die verhetzenden Darstellungen von behaupteten Ritualmorden wie des William of Norwich, Simon von Trient oder Anderl von Rinn.69

 

Historische Erwähnungen dieser medizinischen oder theologischen Interpretationen gab es schon in der Antike. Bereits in Texten aus der alexandrinischen Periode wurden den Juden nicht nur Menschenopfer, sondern auch Kannibalismus unterstellt. Selbst im zweiten Jahrhundert der Zeitrechnung wird dies von Cassius Dio wiederholt. Die christliche Lehre sah von Anbeginn in jüdischen Menschen, Zauberer, Mörder, Kannibalen, Vergifter, G’ttesleugner, jedenfalls eifrige Schüler des Teufels beziehungsweise setzte diese überhaupt mit dem Teufel gleich.70 Es beginnt schon mit den Worten des Evangelisten Johannes, der in seinem Evangelium die Juden als Kinder des Teufels bezeichnet. 71 Dies zieht sich unverändert weiter durch die Schriften der sogenannten Kirchenväter - besonders ausgeprägt bei Johannes Chrysostomos in seiner ausdrücklich Adversus Judaeos (Acht Predigten gegen die Juden) getitelten Hetzschrift, welche als Höhepunkt des christlichen Antijudaismus in der Antike gilt, ferner in den Schriften des Ambrosius von Mailand und bei Aurelius Augustinus (alle Genannten wurden ganz selbstverständlich heiliggesprochen!). 72 

 

Die Bezeichnung "Vampirismus" war den Gelehrten der Antike, des Mittelalters und der frühen Neuzeit nicht bekannt und hat sich erst später entwickelt. Der Kirchenvater Papias von Hierapolis liefert in einem verlorengegangenen Fragment gleich den ersten Untoten der christlichen Literatur: Judas.73 Dieser wird wegen seines misslungenen Selbstmordes in ekelerregender Weise geschildert und mit Eigenschaften in Verbindung gebracht, welche jahrhundertelang jüdische Abartigkeit belegen sollen, Hässlichkeit, Gestank, unnatürliche Sexualität, die roten Haare kommen später noch als weiteres Attribut hinzu. Judas ist Satan – Satan ist gleichgesetzt mit Judentum in der christlichen Tradition. Judas wird zum Urvater der Vampire.74 Auch wenn der Begriff noch nicht existierte, zieht sich der Vorwurf des unstillbaren jüdischen Blutdurstes durch die gesamte Geschichte. Der Begriff erfuhr allerdings bald einen Wandel. Unabhängig davon, dass der Ritualmord-Vorwurf offenbar endlos Bestand hatte, wurde der Blutdurst bald auch mit dem Vorwurf des Wuchers gleichgesetzt. Ausgehend von dem bereits in der Bibel formulierten Wucherverbot (zum Beispiel Ex 22,25; lv 25,35-37; Ez 22,10-12) war Christen der Geldhandel als Verdienstmöglichkeit verboten, blieb somit lange Zeit den Juden vorbehalten, die damit eine unverzichtbare Funktion in der zeitgenössischen Gesellschaft erfüllten, während ihnen der Zugang zu zahllosen anderen Berufen wegen der bestehenden, ausschliesslich christlichen Bruderschaften und Handwerkszünfte verwehrt war und landwirtschaftliche Tätigkeit aufgrund des Verbotes, Landbesitz zu erwerben, ausgeschlossen war. Somit blieb nur der Handel mit Waren und Geld übrig. Ungeachtet dieses Umstandes kam ihnen im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation des Spätmittelalters aufgrund des Rechtsinstitutes der Kammerknechtschaft (auch sogenanntes Judenschutzregal) eine gewisse Sicherheit ihrer Rechtsstellung zu, die sie letztlich auch nicht vor Verfolgung schützte. Dieses ursprünglich nur königliche Vorrecht, welches bald auch auf die Landesherrschaften übertragen wurde, war mit erheblichen Abgaben an diese Schutzmächte verbunden. Daraus und aus der Tatsache intensiver Kreditnahme durch diese wegen des ständigen herrschaftlichen Geldbedarfes, sei es für Repräsentationszwecke (später auch Maitressen) oder zur Kriegsführung, ergaben sich starke finanzielle Abhängigkeiten von den bösen jüdischen Wucherern. Diese jüdischen "Profiteure" müssten wohl, so wurde behauptet, mit dämonischen Mächten im Bunde stehen, welche ihrerseits die Christenheit und deren Heiland bis aufs Blut bekämpfen würden. Die Vorwürfe des Wuchers und des Blutdurstes standen somit seit jeher in engem Zusammenhang.75 

 

Mit dem Aufkommen des Frühkapitalismus im späten 15. und frühen 16. Jahrhundert kam es zu einer Lockerung des kirchlichen Zinsverbotes, was zum Aufstieg christlicher Finanzmagnaten führte und die jüdischen Kreditverleiher immer stärker in Kreditgeschäfte mit den unteren Bevölkerungsschichten trieb, was wiederum dazu führte, dass vor allem Bettelmönche, denen doch das Geschick der kleinen Leute besonders am Herzen lag, die bösen Wucherjuden durch polemische Angriffe in ihren Predigten verfolgten. Eine besondere Steigerung erfuhr dies im Zeitalter der Reformation. Der Freiburger Jurist Ulrich Zasius erklärte, Juden würden Christen durch Wucher ausbeuten und setzte dies auch mit Blutgier und angeblichen Ritualmorden in Verbindung:

„Die Juden sind nämlich den Christen äusserst lästig (…) beuten sie mit Wucher aus, verweigern Abgaben (…) und was uns allen am erschütterndsten ist, Tag und Nacht lechzen diese blutdürstigen Blutsauger nach Christenblut“ (Ulrich Zasius, Questiones de parvulis Iudeorum Baptisandis, 1508).76

 

In der Spätantike führte Johannes Chrysostomus in seinen schon erwähnten Acht Predigten gegen die Juden eine ganze Fauna von Tieren an, mit denen er die Juden verglich: Rinder, Pferde, Schweine, Hunde, was darin gipfelte, dass er wörtlich sagte: „Der Jude ist wilder als das wildeste Tier“ und sich schliesslich weiter fragte, ob deren Begierde und Wollust nicht über die der vernunftlosen Tiere hinaus ginge, kulminierend in dem Satz: „Sie sind gefährlicher als alle Wölfe“.77 Petrus Venerabilis – Peter der Ehrwürdige (Abt des Reformklosters Cluny) – wenig überraschend ebenfalls heiliggesprochen – griff dies im 12. Jahrhundert auf und verglich die Juden erneut ganz ernsthaft mit wilden Tieren. In den im Mittelalter so beliebten Bestiarien wurden ebenfalls kühne Vergleiche angestellt, zum Beispiel mit Hyänen, die angeblich ihr Geschlecht wechselten, manchmal männlich, manchmal weiblich seien: wie die Hyäne sei der Jude, weder männlich noch weiblich. Seine nächtlichen Angewohnheiten und Blindheit bei Tage würden jenen der Eulen gleichen. Mit jener Blindheit ist ja auch die an unzähligen Kirchenportalen der Gotik figürlich dargestellte Synagoga gestraft.78 Besonders deutlich wird dann Martin Luther in seiner Hetzschrift: Von den Juden und ihren Lügen (1543), in der er die Juden beschuldigt, Brunnen zu vergiften, Kinder zu modern, Blut zu vergiessen und gleichzeitig Geld und Gut gerade jener auszusaugen, die sie doch eigentlich beschützten und beschirmten, wobei Luther dann gleich vorschlägt, die Synagogen und Schulen der Juden anzuzünden, ihre Häuser zu zerstören, ihre Bücher zu enteignen, die Lehren zu verbieten, den Wucher aufzuheben und sie zu zwingen, im Schweisse ihres Angesichts ihr Brot zu verdienen, wie dies schon Genesis 3,19 befehle.

Luther bezeichnet die Juden als Fremdlinge, obwohl sie seit Jahrhunderten Mitbewohner waren, und will sie völlig ausgrenzen. Er ist somit ein Judenfeind und eindeutig als echter Antisemit auch im modernen Sinne einzustufen, bezeichnet seine Meinung allerdings bloss als „scharfe Barmherzigkeit“.79

Seit dem Mittelalter wird der jüdische Mensch, der einem Parasiten gleiche, somit als Blutsauger und Ausbeuter seines Wirts-Volkes verschrien, woran sich in der Folge in der antisemitischen Hetzpropaganda bis in die jüngste Geschichte nichts geändert hat. In der Weise hat ja auch die sogenannte Aufklärung diesbezüglich keine Verbesserung gebracht, ganz im Gegenteil: sie brandmarkte das Judentum als Inbegriff der Intoleranz. Gerade der gefeierte Kopf der Aufklärung, Voltaire, zeichnete sich diesbezüglich besonders aus, indem er die Juden in seinen Dictionnaire philosophique in einem abschliessenden zusammenfassenden Satz eines langen, diese betreffenden Eintrages beschrieb wie folgt:

„Schliesslich wird man in ihnen nur ein unwissendes und barbarisches Volk finden, das schon seit langer Zeit die schmutzigste Habsucht mit dem verabscheuungswürdigsten Aberglauben und dem unüberwindlichsten Hass gegenüber allen Völkern verbindet, die sie dulden und an denen sie sich bereichern. Jedoch soll man sie nicht verbrennen“.80 

 

Ähnlich abwertend und ausdrücklich antisemitisch äussert sich auch Immanuel Kant, der die Juden als eine Nation von Betrügern bezeichnet, durch ihren Wuchergeist geprägt, die nur die Vorteile in der Überlistung des Volkes suchten, in dem sie eigentlich Schutz fänden.81 Die Vorwürfe bleiben stets inhaltsgleich: vampirartiges Verhalten gegenüber den Wirtsvölkern. Einer, der Kapitalismus mehrfach eindeutig mit der Metapher Vampirismus gleichsetzt ist Karl Marx: der Kapitalismus lasse, vampirgleich, das Volk ausbluten – ein durchaus origineller Vergleich, um das Verhältnis zwischen Bourgeoisie und Proletariat zu illustrieren.82 Das sich ständig vermehrende, eigentlich tote Kapital sei wie der Vampir niemals satt. Der Kapitalismus sauge den arbeitenden Menschen die Lebenskraft aus, um sich selbst am Leben zu erhalten und das Kapital zu vermehren. Marx‘ Kapitalismuskritik zielt allerdings auf das parasitäre, blutsaugende System und nicht auf eine bestimmte Personengruppe; die Metapher ist rein sozialökonomisch gedacht, nicht religiös oder ethnisch gegründet, wenngleich sein Verhältnis zum Judentum keineswegs unproblematisch war. Linker Antisemitismus ist keine Erscheinung der Gegenwart: bereits der sogenannte Frühsozialismus übte sich darin, so sprach Charles Fournier von antiproduktiven, parasitären Bevölkerungsklassen, wozu nicht nur Dienstboten, Frauen und Kinder zählten sondern eben ausdrücklich auch Juden.83 Nicht anders Pierre Joseph Proudhon, der von einer parasitären Rasse spricht84 und der Anarchist Michail Bakunin, der von einem Blutegelvolk und fressenden Parasiten spricht, eine Diktion deren sich gleichlautend der rechte Antisemitismus des 19. Jahrhunderts und diesem folgend die Nazi- Propaganda besonders gern bediente.85

Vampirismus in der literarischen Tradition

Horrorgeschichten über den ersten "Dracula", also Vlad Tepes, kursierten in ganz Europa bereits unmittelbar nach dessen Tod. Dabei handelte es sich allerdings nicht um Literatur im eigentlichen Sinne, eher um vermutlich stark aufgeblasene, quasi-historische Berichte und „Schauergeschichten“, welche die immer schon bestehende Sensationslust bedienten. Dazu kam noch die Idee politischer Propaganda gegen einen verhassten Despoten, der mit Grössen wie Herodes, Nero und Diocletian quasi als Inkarnation der Tyrannei in einen Topf geworfen wurde und so zu einem echten „Medienereignis“, wenn auch nur in Buchform wurde.86 Das wahre Vampirfieber ergriff Europa bereits in der ersten Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts: Vampirgeschichten in der Belletristik gibt es zuhauf, deren bedeutendste ist wohl der Roman Dracula des irischen Schriftstellers Bram (Abraham) Stoker, erstmalig veröffentlicht 1897. Gruselgeschichten um Dämonen und Vampire erfreuten sich seit der Romantik besonderer Beliebtheit, die dem Genre der Schauerliteratur oder des Schauerromans zuzuordnen sind, englisch Gothic-Fiction oder Gothic- Novel. Die Romantik hatte eine Vorliebe für übernatürliche und dunkle Themen, auch für die Beschäftigung mit dem Bösen. Goethe, Novalis, Heine und Hoffmann streiften das Thema. Der Leibarzt Lord Gordon John Byrons, der selbst auch Schriftsteller war, John Polidori schuf mit The Vampyre die erste bedeutende Vampirerzählung der Weltliteratur (übrigens zeitgleich und im literarischen Wettstreit mit Mary Shelley’s Frankenstein, or, The modern Prometheus) im Jahr 1818. Nikolai Wassiljewitsch Gogol und Alexei Nikolajewitsch Tolstoi verfassten ebenfalls Vampirgeschichten. Bedeutend ist Joseph Sheridan Le Fanu’s 1872 veröffentlichte Erzählung Carmilla, die von einer schönen, weiblichen lesbischen Vampirfigur in der Steiermark handelt und Stoker zu seinem Roman Dracula inspiriert haben soll, den er ursprünglich auch auf einem Schloss in der Steiermark ansetzen wollte, dann aber bekanntermassen nach Transsylvanien verlegte, das somit endgültig zur Heimat alles Vampirischen wurde.

 

Unverhohlener Antisemitismus in sogenannter schöngeistiger Literatur war zu diesem Zeitpunkt kein Novum, haben doch die Romantiker auch hier einiges an Vorarbeit geleistet, so beispielsweise Jacob Grimm, Clemens Brentano und besonders intensiv Achim von Arnim in ihren Bearbeitungen des Golem-Stoffes. Auf die bereits oben genannten, durchwegs negativ hervorzuhebenden tierischen Vergleiche des Petrus Venerabilis mit aasfressenden Hundeartigen, fliegenden Beutegreifern oder giftigem Gewürm greift Heinrich Heine in seinem als Disputation bezeichneten Abschnitt der Hebräischen Melodien (das ist das dritte Buch des Romanzero) von 1851 zurück. In einer fiktiven Debatte über die "wahre Religion" lässt Heine hier Rabbi Judah Ha-Levi von Navarra mit einem Franziskaner namens Jose nach dem Vorbild der mittelalterlichen Disputationen streiten, wobei der Mönch in seiner Tirade unter anderem äussert:

 

"Judenvolk du bist ein Aas,

Worin hausen die Dämonen;

Eure Leiber sind Kasernen

Für des Teufels Legionen"

 

und etwas weiter unten dann:

 

„Judenvolk, ihr seid Hyänen,

Wölfe, Schakals, die in Gräbern Wühlen,

 um der Toten Leichnam‘ Blutfressgierig aufzustöbern.

Juden, Juden, ihr seid Säue, Paviane, Nashorntiere,

Die man nennt Rhinozerosse, Krokodile und Vampire.

Ihr seid Raben, Eulen, Uhus,

Fledermäuse, Wiedehopfe, Leichenhühner,

Basilisken, Galgenvögel, Nachtgeschöpfe,

Ihr seid Vipern und Blindschleichen Klapperschlangen,

gift’ge Kröten, Ottern, Nattern – Christus wird

Eur verfluchtes Haupt zertreten.“

 

Und in diesem Tone weiter.87 Heine musste hierzu gar nicht sonderlich kreativ sein, fasste er doch in seinem Bestiarium lediglich all jene Vergleiche zusammen, welche mittelalterliche christliche Schmähung bereits vorweggenommen hatte.88 Natürlich ist Heine kein Vertreter des Antisemitismus, aber er bringt die abwertende Ausdrucksweise, an der sich seit bald zwei Jahrtausenden nichts verändert hatte, sarkastisch auf den Punkt.

 

Dracula ist und bleibt seit seinem Erscheinen knapp vor der Wende zum zwanzigsten Jahrhundert der populärste Vampir aller Zeiten. Und dass, obwohl er von vielen Leserinnen beziehungsweise. Konsumentinnen (der auf dem Roman basierenden zahllosen filmischen Adaptionen unbeachtet) gleichsam Symbolfigur des Antisemitismus ist. Was macht es aus, dass unter allen Monstern der Geschichte ausgerechnet dieses untrennbar mit Antisemitismus verbunden ist? Die stereotype Vorstellung des neunzehnten Jahrhunderts sieht im Vampir eine weisse, männliche, aristokratische Person mit bleicher Haut und Fangzähnen, eine aussergewöhnliche Erscheinung von heimtückischer Boshaftigkeit, die das Tageslicht meidet, lediglich bei Nacht aktiv wird, ihre Nahrung darin sucht, dass sie Blut von den Lebendigen zu gewinnen trachtet, absolut unmenschlich, vielmehr in jeglicher Hinsicht monsterhaft agiert. Schon im Vorgängerwerk, nämlich in Polidoris The Vampyre, ist die Furcht das Leitmotiv, hier die Furcht der Aristokratie vor dem „Anderen“. Die britische Gesellschaft sah die jüdische Bevölkerung im Inneren und naturgemäss die aus dem Osten zuziehenden Juden als „anders“ und daher als furchterregend an.

 

Erstmalig in Polidoris Kurzgeschichte werden einige antisemitische Stereotypen in der Beschreibung der Hauptperson, des Lord Ruthven, verwendet. Eine Protagonistin schildert das Aussehen eines Vampirs und der Held der Geschichte muss feststellen, dass die Beschreibung exakt auf Lord Ruthven passt, er ist das personifizierte „Andere“, er ist eine Bedrohung, genau das, als welche die Juden im England der achtzehnhunderter Jahre angesehen wurden. Stoker geht in seinem Roman darüber noch weit hinaus, wenngleich die Einflüsse auf sein Werk dieselben sind wie bei Polidori als Ausdruck derselben Epoche, in welcher beide Werke geschrieben wurden. In beiden Texten ist das hervorstechende Merkmal die Gier. Solche wohnt beiden gräflichen Hauptdarstellern, Lord Ruthven und Graf Dracula, in aussergewöhnlichem Masse inne und ist seit dem Mittelalter und dem Aufkommen des Geldverleihes gegen Zinsen untrennbar mit der Vorstellung von Judentum verbunden, selbst wenn nur eine ganz kleine Schicht aus diesem der Tätigkeit des Kreditgebens tatsächlich nachging, dennoch Juden verallgemeinernd zu Sündenböcken für sämtliche wirtschaftlichen Nachteile der Bevölkerung stempelte.89

 

Ganz drastisch fällt der optische Vergleich zwischen den äusseren Erscheinungsbildern der vampirischen Hauptdarsteller und jüdischen Männern aus. Stoker portraitiert Dracula mit gekrümmter, langer Nase, buschigen Augenbrauen, spitzen, überlängten Ohren und krallenartigen, langen Fingern. Draculas physische Attribute sind stets wiederholte Stereotype für jüdische Wesensmerkmale.90 Die übliche Vorstellung entsprach vor allem Angehörigen der chassidischen Gemeinden, also Männern mit Bärten, angeblich charakteristischen Nasen, und in der Aussenwahrnehmung vornehmlich in schwarze Gewänder gekleidet. Nicht zu vergessen ist hier auch das Motiv jüdischer Angst vor dem Kruzifix, welches erfolgreich als Abwehrmittel gegen Vampire zum Einsatz kommt. Dass Jesus Christus am Kreuz gestorben sei, wurde als Beweis dafür gesehen, dass er in Wahrheit von G’tt verflucht war und somit nicht der Messias gewesen sein konnte, woraus panikartige Furcht vor dem Zeichen des Kreuzes abgeleitet wurde. Von besonderer Bedeutung ist die Blutbeschuldigung aus zahllosen Ritualmordlegenden.91 

 

Für Stoker kommt noch ein zusätzliches Argument hinzu: die Angst vor „reverse colonization“, also einer Eroberung Englands gleichsam von aussen her beziehungsweise der Rolle von Juden innerhalb der britischen Gesellschaft. Diese wurden in England im Jahre 1858 emanzipiert, was erst recht antijüdische Polemik auslöste. Die zeitgleich einsetzende Auflösung des Osmanischen Reiches beeinflusste darüber hinaus in Form der sogenannten „Eastern Question“ die britische Aussenpolitik und schürte die Angst vor Zuzug und Eroberung aus dem Osten. Die Vorstellung sieht in Draculas Liegenschaftskäufen, also Gebietserwerbungen, eine Gefährdung der britischen Integrität als Nation und gleichzeitig Gefahr für individuelle Bewohner, die deren kulturelle, politische und rassische Identitäten beeinträchtige.92 Wenn Dracula nach England komme, um hier seine „Arbeit“ fortzusetzen, so werde England in ein Land von Vampiren verwandelt. Diese Angst, die Jonathan Harker und seine Helfer im Roman teilen, entspricht jener der Briten gegenüber ihren jüdischen Mitbewohnern. Der verstärkte Nationalismus des Fin-de-Siècle hing der Idee an, der Körper der Nation werde von Vampiren und fremden Parasiten aufgesogen. 93 Der Vampir wird hier zum Sinnbild für die Angst vor einer Judaisierung Grossbritanniens.94

 

Dracula auf seinem Schloss wird schon in seiner Heimat als Aussenseiter gedeutet und von den Bewohnern der Umgebung nur mit dem Ausdruck des Entsetzens (und unter Bekreuzigung) erwähnt. In beiden Geschichten spielen unermesslicher Geldbesitz und dessen Schattenseite, die Gier, bedeutende Rollen. Dracula ist immens reich und rafft zugleich Geld und Gold an sich, von dem es so viel gibt, dass es offen herumliegt und Harker gegen einen Goldhaufen stösst. Später schneidet er Draculas Mantel auf und gleich Blut aus einer Wunde fallen Bündel von Geldnoten und ein wahrer Strom von Gold heraus. Anstelle von Blut schein somit Geld durch seine Adern zu rinnen.95

 

Draculas Reisetätigkeit wird zudem gleichgesetzt mit einer anderen antisemitischen Vorstellung, die seit dem Mittelalter in Volkssagen existiert, nämlich jener des Wanderenden Juden, auch als Ahasver bekannt. Dieser steht für eine an und für sich namenlose Figur, welche dem Erlöser auf dessen Weg nach Golgotha die Einkehr zur Rast verweigert habe, ihn verspottet habe und dafür zu ewiger Wanderschaft verdammt worden sei. Mit dem Vampir verbindet diese Figur der Umstand, dass beide nicht sterben können und somit in negativem Sinne unsterblich sind, also nicht der christlichen Erlösung teilhaftig werden. Dracula ist für Stoker also nicht nur die Personifikation des Monopolkapitalismus, sondern zugleich des Wandernden Juden als Symbol für das Ostjudentum. Harker bemerkt an Dracula ein „Leuchten des Triumphes in den Augen und ein Grinsen auf welches Judas in der Hölle stolz sein könnte“, ein Hinweis auf das klassische Christus-Mörder Motiv und Bezug zum Urvampir! Ganz bedeutend ist schliesslich der Umstand, dass Dracula auf seiner Schiffsreise von unzähligen Ratten begleitet wird. Ratten wurden durch endlose Zeiten als Überträger der Pest angesehen und haben somit in dieser Hinsicht etwas mit den Juden gemein: das Mittelalter ging davon aus, dass Juden Überträger aller Arten von Seuchen seien, selbst aufgrund ihres Paktes mit dem Teufel jedoch dagegen immun.

 

Stoker verbindet somit seinen Vampir mit zahllosen Stereotypen aus allen Phasen der Geschichte des Antisemitismus. Nicht nur, dass alles Jüdische böse sei, auch alles Böse sei generell jüdisch. 96 (Übrigens hat sich bislang kein Herausgeber je die Mühe gemacht, auf die unzähligen antisemitischen Bezugnahmen im Original oder in den unzähligen Übersetzungen hinzuweisen.) Stoker stellt auch Bezüge zu den niemals aufgeklärten Ripper-Morden her. Der nur unter dem Phantasienamen „Jack the Ripper“ bekannte Serienmörder hatte in den Jahren unmittelbar vor dem Erscheinen des Romanes fünf, möglicherweise sogar elf Frauen in bestialischer Weise ermordet. Die Tatorte lagen in und um Whitechapel, also im Londoner East End, seinerzeit ein reines Elendsviertel und bevorzugtes Wohngebiet von zahlreichen, aus dem Osten Europas zugezogenen Juden. Wenngleich die Spekulationen um die Person des Täters bis in die königliche Familie reichten, wurden doch vor allem Juden verdächtigt: das typische jüdische Proletariat Londons drängte sich geradezu auf. Schliesslich deuteten die Kombination aus pervertierter Fleischeslust – die meisten Opfer waren zumindest der Prostitution verdächtig – und „Expertise“ bei Tötung und Ausweidung der Frauen auf einen Schächter hin? Solche Taten konnten nicht von einem Briten vollbracht werden, nur von einem Angehörigen der untersten Klasse, also einem fremden, syphilitischen, verstümmelten (beschnittenen) jüdischen Schlächter. Typischerweise waren daher die allermeisten der 130 einvernommenen Verdächtigen jüdischer Abstammung. Und das gezeichnete Ripper Phantom-Fahndungsbild aus den Illustrated Police News sieht dementsprechend aus wie die böswillige Karikatur eines Ostjuden97(Abbildung 11): sie könnte ebensogut der nationalsozialistischen Presse entstammen.

Verarbeitung im Film

Einem so beliebten Thema, wie es Vampirismus ist, kommt innerhalb des enormen Spektrums des Genres Horrorfilm ein besonderer Stellenwert zu. Die früheste filmische Bearbeitung ist bislang auch die bedeutendste, vermutlich der Inbegriff aller Vampirfilme, und das, obwohl es sich dank seiner Entstehungszeit um einen in schwarz/weiss gedrehten Stummfilm handelt: Friedrich Wilhelm Murnaus Nosferatu, die Geschichte um den rattengleichen Vampir Graf Orlok.98 Ich widme dieser Verfilmung aufgrund ihrer Bedeutung in der Folge mein Hauptaugenmerk, um die Problematik der darin enthaltenen antisemitischen Narrative aufzuzeigen. Der Film basiert auf dem Roman Stokers. Da die Produktionsfirma die Rechte daran nicht erhielt, wurden die Namen geändert und der zweite Teil der Handlung nach Deutschland verlegt, wohin Orlok – in Begleitung tausender Ratten, die sich auf dem Schiff befinden – reist. Ausgangspunkt ist auch hier, wie im Originalroman, Transsylvanien. Also wie bei Stoker: von Ost nach West.

 

Eine Sinfonie des Grauens kündigt der Untertitel programmatisch an. Die berechtigte Frage ist, was unter dem Grauen gemeint ist: der nächtlich aus dem Nichts auftauchende Vampir in der Gestalt des Grafen Orlok, der jeden und jede überfallen kann, die durch die von ihm mitgeführten Ratten eingeschleppte Pestseuche, oder doch die Gefahr jüdischer Unterwanderung, die einerseits durch den vampirischen – negativen – Titelhelden, andererseits durch die Legionen von unkontrolliert einwandernden Ratten – gewollt oder nicht – assoziiert wird? Siegfried Kracauer vergleicht Nosferatu mit Attila als einer „Geissel G’ttes“ und als solche nur gleichzusetzen mit der Pest, die er verkörpert. Er reiht Nosferatu ein in die Tyrannenfilme, wie er sie nennt, gemeinsam mit Caligari und Mabuse.99 Nosferatu ist beileibe kein Propagandafilm; wohl auch nicht ungewollt. Schliesslich war der Drehbuchautor Henrik Galeen, ein aus Lemberg stammender Jude. Er war Spezialist für schaurige Stoffe, hatte 1913 an Der Student von Prag mitgewirkt und das Drehbuch für Wegeners bereits dritte Verfilmung des Golem-Stoffes 1920 verfasst: Der Golem, wie er in die Welt kam. Treibende Kraft für das Projekt war eigentlich der Mit-Produzent Albin Grau, der berichtete, dass der Film die gerade erst stattgefundenen Ereignisse und Schrecken des Ersten Weltkrieges sowie die Wirren der Nachkriegszeit reflektieren sollte. Der überdimensionierte Schatten der Vampirfigur steht über einer von dunklen Ängsten gepeinigten Gesellschaft, die anfällig ist gegenüber Gewalt und Terror. Die Pestepidemie könnte auf die gerade überstandene Pandemie der Spanischen Grippe deuten. Auffällig ist, dass die beteiligten Figuren passiv und wie erstarrt wirken, anstatt sich aktiv gegen das Verderben zu wehren.100 Manche kritische Autoren sehen in der Darstellung der angsterregenden Fremdheit des Orlok sehr wohl antisemitische Strukturen und Motive, kommt er doch wie die einwandernden Ostjuden Ende des neunzehnten Jahrhunderts aus Osteuropa, wird als Blutsauger charakterisiert und von den pestverbreitenden Ratten begleitet. 101 Nimmt man noch die Physiognomie, lange Nase, wulstige Brauen, hohe Stirn, riesige spitze Ohren, rattenartige spitze Zähne, dazu die krallenartigen Hände und die bleiche, stets in Schwarz gekleidete Gestalt, so ist die Assoziation mit den antisemitischen Stereotypen in der widerwärtigen Darstellung des blutsaugenden Juden in dem 1940 von Fritz Hippler produzierten Propagandafilm Der ewige Jude nicht weit hergeholt, beziehungsweise dem Ausstellungsposter zur gleichnamigen Ausstellung. (Abbildungen 12,13,14,15).

 

Originell ist der kabbalistisch wirkende Geheimtext in einem Brief, den Nosferatu an seinen Vertrauensmann Knock in Deutschland schickt: dieser enthält neben Zeichen wie Malteserkreuz und Swastika auch hebräische Buchstaben und astrologische Symbole. Der Vampir ist eine magische Figur und mit Geheimwissen ausgestattet. Hier macht sich wohl der Einfluss Graus bemerkbar, der sich intensiv mit Okkultismus beschäftigte. Dieser Geheimtext bestätigt die konspirative Zusammenarbeit zwischen Orlok und seinem Repräsentanten in Deutschland, Knock, der die Strukturen von innen heraus zu untergraben scheint. Der Code verweist darauf, dass alles Geheime, Mysteriöse, Unbekannte potentiell gefährlich und bedrohlich sei. Der Hinweis auf eine innere Bedrohung dürfte den Nazis durchaus suspekt erschienen sein. Tatsächlich kommt die Bedrohung so wie die sogenannte Jüdische Gefahr von aussen, vom Osten.102

 

Bereits der literarische Antisemitismus arbeitete mit starken Wiedererkennungsanlässen und affektiven Reizkonfigurationen, die im (generell unkritischen) Massenpublikum breiten Anklang fanden. Schon in der Zeit der oben bereits erwähnten „Schwarzen Romantik“ wurden häufig schillernde Figurencharakterisierungen verwendet: durch Zuordnung bestimmter Attribute, wie hässlicher Physiognomien, Kleidung, zugehöriger Tierfiguren, von Wohnorten, mehr oder minder unheimlichen Schauplätzen und eingestreuten Symbolen, mit leicht erkennbarer Aussage, die im Text mit pseudojüdischen Figuren in Zusammenhang gebracht werden. Diese nur andeutungsweise als solche erkennbaren jüdischen Gestalten, oft orientiert an der frühneuzeitlichen Figur des „Ewigen Juden“ – Ahasver, der doch untot und rastlos, heimatlos durch die Welt umherirrt, wurden zu einem gruseligen Element. Mit derartigen Pathosformeln - ein Begriff, den der bedeutende Kunsthistoriker Aby Warburg formulierte – wurde schon zu Beginn des neunzehnten Jahrhunderts auf den weit verbreiteten Judenhass und die seit Jahrhunderten existierenden Verschwörungsmythen Bezug genommen, um damit sowohl Angst als auch Spannung im Leserinnenpublikum zu erzeugen. Allein das blosse Verdachtsmoment reichte aus, affektive Energien freizusetzen, es war somit nicht nötig, unheimliche Figuren als explizit jüdisch zu deklarieren. Aufgrund zeitgenössischen „Wissens“ und entsprechender Gefühle lag die Assoziation beim nichtjüdischen Empfängerpublikum ohnedies nahe. Angst ist eine treibende Kraft und ein medial vermittelter geschichtsmächtiger Faktor. Antisemitismus ist dabei eine eigenständige und besonders wirkmächtige Form der Angstkommunikation, ein kulturell tradiertes Vorurteilsmuster, das sich als vollkommen kritik- und revisionsresistent erwies. (Shulamit Volkov spricht von einem „kulturellen Code“, der unter anderem auch in Angst eine Mitursache hat)103.

Der Film strotzt in Wahrheit wie seine literarische Vorlage nur so vor antisemitischen Stereotypen, die hier im Sinne einer filmischen Strategie der Angsterzeugung sehr innovativ und effektvoll eingesetzt werden.104

 

Der Streifen verdankt seine fortwährende Berühmtheit wohl dem Umstand, dass er mit für seine Entstehungszeit ungewöhnlichen visuellen Effekten arbeitete: Low-Key-Stile, das ist Ausleuchtung nur einzelner Figuren und Bereiche, wodurch der übergrosse Schatten des Vampirs entsteht. Durch seine Riesenhaftigkeit scheint er die Leinwand zu verlassen und den Zuseher direkt zu bedrohen, wozu auch die Subjektivierung des Kamerablickes beiträgt. Durch Einzelbildschaltung der Kamera wird ruckhafte Bewegung wie im Zeitraffer erzeugt. Negativbilder vermitteln den Eindruck, die Kutsche fahre durch einen weissen Geisterwald. Mittels Doppelbelichtung und Überblendung lässt man den Vampir gleichsam körperlos durch geschlossene Türen gehen. Auch wenn Kracauer meint, diese Tricks seien durchschaubar und würden somit eine nachhaltige Wirkung auf den Zuschauer verhindern 105 ist das ganze Repertoire an Tricks für die Entstehungszeit neu und sollte in der Monstrosität des Dargestellten die Wirkung auf ein ohnehin durch die Zeitumstände geprägtes Publikum nicht verfehlt haben.

 

Orloks monströse Erscheinung und sein rattenartiges Gesicht erinnern an bereits damals kursierende typische antisemitische Karikaturen. (Abbildung 16,17) Für Gilman ist schon die im Profil deutlich überentwickelte Nase ein ausreichender Indikator für seine Jüdischkeit. 106 Die rattenartige Physiognomie wird noch durch die Kameraführung unterstrichen, die den Zuschauer darauf ausdrücklich hinzuweisen sucht. Die stets schwarze Bekleidung und der lange Mantel - ein Gegenstück zum Kaftan – verweisen auf die typische Erscheinung von orthodoxen Juden. Die Kopfbedeckung verweist auf jene der Hohenpriester in der Antike und entspricht auch jener, die von zeitgenössischen Kantoren getragen wird.107 Bei kritischer Betrachtung fällt – zumindest mit Ritualen Vertrauten – ein besonderer Hinweis ins Auge: der Besucher in Orloks Schloss, Hutter, verletzt seinen Daumen mit einem scharfen Messer, dieser blutet, was Orloks vampirische Lust befeuert, daran zu saugen. Der blutende, hochgerichtete Daumen soll die Assoziation mit dem Blut erfordernden Beschneidungsritual erwecken, zugleich an homosexuelle Fellatio durch Vergleich mit der metsitsah ba peh erinnern, wenn der Beschneider das Blut durch kurzes Saugen zu stillen trachtet. Das traditionelle Ritual der Beschneidung wird hier auf ganz perfide Weise mit kastrierter und verweiblichter Natur des Juden durch diese homosexuelle Implikation verunglimpft!108

 

Orlok/Nosferatu kauft eine Immobilie unmittelbar gegenüber jener Liegenschaft, auf der die nichtjüdische jungfräuliche Ellen wohnt, um diese mit seiner blutgierigen Todessexualität einerseits zu faszinieren andererseits deren Blut auszusaugen, eine Verknüpfung von dubioser Geschäftemacherei eines fremden, anonymen Immobilienhaies mit übermässiger sexueller Lust und Bedrohung des weiblichen deutschen Opfers. Bezeichnend erscheinen diese Pathosszenen mit der todbringenden Verführungskraft des Vampires gegenüber Frauen, die diesem trotz des tödlichen, zumindest jedoch verseuchenden Bisses, der sie selbst zu Vampirinnen macht, nicht widerstehen können. Dieses antisemitische Phantasma wird in der Folge von Veit Harlan in der Vergewaltigungsszene in seinem berüchtigten Propagandafilm Jud Süss in auffälliger Ähnlichkeit inszeniert. Sowohl Ellen in Nosferatu als auch Dorothea in Jud Süss „engagieren“ sich in sexueller Hinsicht mit dem Feind, der als jüdisch identifiziert wird. Bei Murnau ist der Höhepunkt erreicht, wenn der „jüdische Vampir“ als dunkler Schatten in Ellens Schlafzimmer eindringt. Seine raubtierartige Lust erscheint besonders verwerflich als sie in unschuldiges Weiss gekleidet jungfräulich erscheint. In Jud Süss wird die Vergewaltigung noch stärker als rassische Vergiftung dargestellt. In beiden Fällen enden die „Begegnungen“ mit dem Tod der Frauen.109

 

Orlok hat nicht nur Ähnlichkeit mit einer Ratte, er wird auch von unzähligen solchen begleitet. Die Verbindung des Judentums zum Schwarzen Tod ist so alt wie das Auftreten der Pest in Europa. Der Vampir entlädt seine Särge voll kontaminierter Erde aus dem Osten, ist also allein verantwortlich für die Verbreitung der Seuche unmittelbar nach seiner Ankunft. Die Nähe zur Spanische Grippe, welche in Deutschland mehr Opfer forderte als der Erste Weltkrieg, muss die Angst der Zuseherinnen noch erheblich gesteigert haben. Das Erscheinen einer Armee von Ratten, die an der Verbreitung der Seuche grössten Anteil haben, steigert dieses Narrativ ganz erheblich. Die Ratten stehen für die jüdischen Einwanderer. Der Ratten-Vergleich wird in Hipplers Der ewige Jude ganz synonym verwendet.110 Die Metapher des Vampir-Juden war also für das Publikum in der Weimarer Republik omnipräsent. Die Niederlage im Jahre 1918 wurden mit dem antisemitischen Narrativ der Dolchstosslegende in Zusammenhang gebracht, die Juden wurden als Verräter gestempelt, als Verschwörer, die hinter dem "schandhaften Vertrag von Versailles" stünden. Die Weimarer „Judenrepublik“ – in verschiedenen politischen Positionen gab es jüdische Vertreter – mit Finanzkrise und galoppierender Inflation würde dem deutschen Volk buchstäblich das Blut aussaugen. Die gar nicht so versteckten Botschaften des Filmes fielen auf fruchtbaren Boden. Die Sammlung Scharf-Gerstenberg, die zu den „Staatlichen Museen zu Berlin“ gehört, veranstaltete zum 100-Jahr Jubiläum des Erscheinens des Murnau-Filmes eine Ausstellung „Phantome der Nacht. 100 Jahre Nosferatu“. Anlässlich dieser meinte der deutsche Filmhistoriker Rolf Giesen, Murnau habe entgegen der Romanvorlage viele antisemitische Elemente gestrichen, aber dennoch seien eine Reihe von solchen übernommen worden, etwa ganz deutlich das Motiv der Ratten. Dem Film komme heute wieder besondere Aktualität zu: es gibt wieder Krieg und eine Pandemie – und die altbekannten Schuldzuweisungen und Verschwörungstheorien. Unter allen deutschen Stummfilmen sei dieser der aktuellste und unheilvollste.111 Giesen sagte in seinem Buch The Nosferatu Story, es handle sich nicht um einen explizit antisemitischen Film, aber er sei Stück eines Puzzlespiels, das ein trauriger Teil teutonischer Kultur und Xenophobie sei. Bezeichnend ist, dass Julius Streicher, der Chefherausgeber des Stürmer (der antisemitischen Hetzschrift der Nationalsozialisten) von diesem Film begeistert war, ihn zigmal ansah und bald dutzende Karikaturen mit vampirartigen Juden veröffentlichte: der Vampir als der „Andere“, undeutsche, krankheitsbehaftete Brunnenvergifter.112 (Abbildung 18)

 

Die von Kracauer kritisierte Vorhersehbarkeit und Durchschaubarkeit trifft für das nahezu Szene-für- Szene Remake Werner Herzogs mit Klaus Kinski als Vampir von 1979 eher zu. Deutlich länger in der Laufzeit und somit unendlich langsam im Fortschreiten ist die neueste Verfilmung des Stoffes von Robert Eggers aus 2024. Beiden Filmen hängt das Odium an, dass man es unterliess, die antisemitischen Stereotypen, wie Aussehen des Vampirs, Bedrohung durch Einwanderung aus dem Osten, Einschleppung der Seuche durch die Ratten, Geldgier gleichgesetzt mit Blutgier, auszuklammern! Gerade das aktuelle Remake Eggers überrascht damit, dass diese Problematik nicht völlig herausgenommen wird, im Gegenteil, die alten antisemitischen Stereotypen unreflektiert übernommen und sogar noch weiter auf die Spitze getrieben werden. Die Neuversion folgt zwar dem Murnau-Klassiker in grossen Zügen, fügt allerdings noch Elemente hinzu, um den Horror mit modernen Mitteln zu steigern. Bei Eggers gibt es unendlich mehr Ratten – ganze 5.000 wurden eingesetzt, (ich möchte nicht wissen, was mit diesen anschliessend, als sie nicht mehr gebraucht wurden, passierte) – für die von den Ratten tatsächlich bekrabbelte und besudelte Hauptdarstellerin sicher mehr als ekelhaft. Der Film arbeitet überhaupt stark mit Ekel: ständig kotzende Pestopfer, ein wiederholt ganze Blutschwälle hervorwürgender Nosferatu (eigentlich „lebt“ er doch vom Genuss des Blutes?). Der Film selbst lebt von postmodernen Gewalt-Porno-Anleihen, erregten Frauen, die sich nach Sex mit halbverrotteten Dämonen sehnen, einem grossen Bildarsenal sexualisierter Gewalt gegen Frauen. Das ist der wahre Ekel in diesem schlechten Machwerk. Ähnlich NS-Propagandafilmen wird die Knochenhand Nosferatus als riesiger Schatten dargestellt, als feindliche Bedrohung durch das die Welt zerstörende Judentum.

Dazu kommt noch die ständige inflationäre Verwendung des „Siegels Salomonis“. Dieses Symbol stammt bereits aus babylonischer Zeit, stand ursprünglich für Reinheit, Gerechtigkeit, Gnade, und im Christentum anfangs für die fünf Wunden Christi. Noch im Mittelalter galt es als ein Zeichen für Wahrheit, bevor die Inquisition das Pentagramm zum Symbol okkulter, teuflischer Praktiken ummünzte. Demgemäss fand es sich prominent auf dem Titel der berüchtigten Protokolle der Weisen von Zion als Verweis auf die jüdische Weltverschwörung wieder. Bei Eggers findet das längst negativ konnotierte antisemitische Symbol in zahlreichen Zusammenhängen vollkommen überflüssigerweise Verwendung. Der Film ist ohne Bedenken als dubioses Machwerk voll von antisemitischer Symbolik, und zudem als Ausfluss von unverhohlener Frauenfeindlichkeit zu werten.113

 

Ganz anders die erste Hollywoodproduktion unter dem Originaltitel Dracula des Regisseurs Tod Browning aus dem Jahre 1931, heute wohl nur mehr in Erinnerung wegen der Figur des aristokratischen Vampirs, dargestellt von Béla Lugosi, stets in eleganter Abendkleidung, in Frack oder Smoking und Cape. Dieser ist seither das Idealbild aller männlichen Vampire, als solches eher wiederzufinden in darauf basierenden Faschingskostümen. (Abbildung 19) Hier scheinen antisemitische Bezugnahmen fast völlig weggelassen, sieht man davon ab, dass der Graf eine Art Hausorden trägt, der von weitem, beziehungsweise. bei unscharfer Ausleuchtung, aussieht wie ein Davidstern, und dass er im Augenblick des beabsichtigten Zubeissens vor einem Kruzifix zurückschreckt, welches sein Gast trägt (Abbildung 20).

In den zahlreichen Folgen der Draculafilme aus der Hammer-Horror-Produktion werden die antisemitischen Bezüge der Romanvorlage zur Gänze weggelassen. So geht es also auch!

Viel mehr Bezüge zu den antisemitischen Stereotypen, aber im ironischen Sinne finden wir in Polanskis Horrorkomödie The Fearless Vampirekillers von 1967, die keine blosse Parodie des Horrorspektakels ist, sondern auch dazu dient, historische Ängste humorvoll zu verarbeiten (auch eigene Traumata des Regisseurs). Die jüdischen Typen werden hier als Überlebende geschildert. Dracula 2000 wiederholt alle Stereotypen – diesmal wieder im negativen Sinne: Dracula ist die Seele des Judas, der über Jahrhunderte lebte und schliesslich zu Dracula wurde. Hier wird alles an Themen ausgewalzt: Judaskuss, Judaslohn, Judas ist gleich Vampir, von der Antike bis zur Gegenwart. Bezüge, die in anderen Produktionen nur angedeutet wurden, sind hier ganz offen und unbeeindruckt ihres Gehaltes ausgebreitet.

 

Ein kurzer Exkurs zum Werwolf im Film: Dieser basiert als einziges Monster der Filmindustrie nicht auf einer Romanvorlage wie Dracula, Frankenstein, Mumie. Der Werwolf wird durch Zufall verwandelt, die Verwandlung ist unausweichlich, aber er weiss auch, dass sie geschieht. Der Autor des Drehbuches der bekanntesten Verfilmung The Wolfman, Curt Siodmak (vor allem als Regisseur bekannt) nimmt darin auf das selbst erlebte Schicksal, den Verlust von Identität und Kontrolle über das eigene Dasein durch erzwungene Emigration Bezug. Der Werwolf ist hier eine Metapher für das Andere, das Aussenseitertum, auch für die Zufälle des Schicksals. Siodmak sah sich schon in seiner Jugend in Deutschland als Jude in der Rolle des Aussenseiters, wie er in seiner Autobiographie erläutert.114

Conclusio

Wenn man somit die literarische und die filmische Tradition der Vampire verfolgt, kommt man zu dem für viele Leserinnen und Seherinnen sicherlich überraschenden Schluss, dass diese ganz überwiegend mit antisemitischen Charakteristiken verbunden sind. Vampire sind die Verkörperung – sofern der Begriff Körper in diesem Zusammenhang passend erscheint – von Angst, dem Unbekannten und Mysteriösen. Juden, insbesondere aus dem Osten, wurden als unbekannte, bedrohliche Gefahr gesehen. Der Antisemitismus hat sich somit des wohl beliebtesten aber auch mit der meisten Symbolkraft ausgestatteten Monsters bedient.  Ungeachtet ihrer eindeutig antisemitisch belasteten Vergangenheit erfreuen sich Vampire in der Unterhaltungsindustrie ungebrochener Beliebtheit. Nichts spricht gegen Vampirgeschichten generell, aber es erscheint wichtiger denn je, sich der historischen Verwendung bewusst zu sein. Es ist nicht notwendig Vampire aus der populären Kultur auszuklammern, aber wie bei allen kulturellen Phänomenen ist der Ursprung von grosser Bedeutung. Hannah Ross ist unter dieser Voraussetzung durchaus zuzustimmen: Vampire sind – jedenfalls für Anhänger des Genres (also so gar nicht für mich) - coole Monster.115

In diesem Sinn ist es unverständlich und ebenso unverantwortlich, dass eine aktuelle Ausstellung der Heidi Horten Collection in Wien unter dem Titel Experiment Expressionismus Schiele Meets Nosferatu, welche laut Eigendarstellung eine umfassende, genreübergreifende Schau zum Expressionismus sein möchte und neben bedeutenden deutschen und österreichischen Werken der Bildkunst auch das damals neue Lichtmedium, den Stummfilm (also das klassische Weimarer Kino) mit einbezieht und neben anderen auch Murnaus Nosferatu vollständig sowie auch in Ausschnitten zeigt, jeglichen Hinweis auf die inhaltliche Problematik auf den Schaubildern und im aufwändig gestalteten Katalog vermissen lässt. Es stellt sich die Frage: Ist dies ein bewusstes Verschweigen, ist es Ignoranz, oder einfach ein so grosser zeitlicher Abstand, dass die Hintergründe nicht mehr in Betracht kommen? Beschämend in jedem Fall.

 

Abschliessende Gedanken

Es ist zu befürchten, dass die unreflektierte Weitergabe antisemitischen Gedankengutes insbesondere im Medium Film, das ein extrem weit gestreutes Publikum auf internationaler Ebene erreicht, sogar gefährlicher ist als marktschreierische Propaganda. Letztere wird doch meist als aufdringlich empfunden und daher wohl bewusst von einem ohnehin diesbezüglich interessierten Adressatenkreis konsumiert. Relativ harmlose Unterhaltungskultur, als welche das Medium Film angesehen wird, richtet sich an viel breitere Massen und generiert – je nach Unterschieden der Genres – verschiedenste Emotionen, von Romantik bis zu Horrorgefühlen. Wie schon früher ausgeführt, werden allzu oft unterschwellige Botschaften

 

transportiert, die im Zusammenhang gar nicht direkt als solche wahrgenommen werden, sich aber dennoch beim Zuseher durch Assoziationen mit früher aufgenommenen Informationen einprägen, obwohl der Betrachter darauf gar kein besonderes Augenmerk legt, da seine Intention bei Konsumation des Filmes auf etwas ganz anderes gerichtet ist, nämlich beim Horrorfilm schlicht auf das Moment des Schauderns, also eine eigentlich als negativ empfundene Gemütserregung, die aber durchaus gewünscht und erwartet wird. In diesem Zusammenhang ist es besonders bedenklich, wenn versteckte Botschaften, seien diese frauenfeindlich, rassistisch, antisemitisch verdeckt unter Gewaltausübung mehr oder minder subtil transportiert werden, oftmals weil von Seiten der Produktion die Bedenklichkeit des Inhaltes und die Möglichkeit einer unbeabsichtigten Einflussnahme nicht einmal in Erwägung gezogen oder aus purer Ahnungslosigkeit gar nicht erkannt werden. Zum Schluss doch noch eine versöhnliche Seite: Lilith, Urmutter aller Vampire und Ausgangspunkt unserer vampirischen Betrachtung hat in neuerer Zeit einen enormen Wandel durchgemacht. Es gibt zeitgenössische Midraschim, welche die Geschichte weiterschreiben. Lilith und Eva beginnen sich anzufreunden116, beziehungsweise den ursprünglichen Schöpfungsplan zu überdenken, um eine Aussöhnung herbeizuführen117. In diesen modernen, feministischen Geschichten steht nicht die Sexualität der Lilith im Vordergrund, sondern ihr „Ungehorsam“ als Ausdruck von Unabhängigkeit und Stärke 118, womit sie zum Vorbild und zur Leitfigur feministischer Bewegungen besonders in den U.S.A. wird. Sie gilt als Namensgeberin für feministische Kunst- und Kulturprojekte, für Frauenmagazine, Blogs und ein Musikfestival ausschliesslich für Künstlerinnen und als Vorbild für die Namensgebung. Somit hat die Erfinderin allen Übels doch ihre guten Seiten!

 

Anmerkungen

1 Böcher in Theologische Realenzyklopädie, Artikel Dämonen, 2010, S 2-5.

2 Trachtenberg 2023, S 45.

3 Thoma 2006, S 33.

4 Hillers 2007, S 574.

5 Lanczkowski in Theologische Realenzyklpädie, Artikel Geister, 2010, S 1-7.

6 Stemberger in Theologische Realenzyklopädie, Artikel Dämonen, 2010, S 2.

7 Davidowicz 2009, S 24.

8 Böcher in Theologische Realenzyklopädie, Artikel Dämonen, 2010, S 5-7.

9 Stemberger in Theologische Realenzyklopädie, Artikel Dämonen,2010, S 3.

10 Scholem 202016, S 202.

11 Böcher in Theologische Realenzyklopädie, Artikel Dämonen, 2010, S 2-13.

12 Stuckrat 2004, S 62-64.

13 Trattner 2014, S 5-6.

14 Trattner 2014, S 8-9.

15 Jesaja 34,14, S 1072.

16 Trattner 2014, S 12-13.

17 Luther 1974, S 12-14.

18 Zunz 1977, Jesaia 34,14.

19 Buber-Rosenzeig 1985, Jeshajahu 34:14.

20 Trattner 2014, S 17-18.

21 Pielow 2001, S 41.

22 Davidowicz 2012, S 80.

23 Hurwitz 1980, S 68-69.

24 Davidowicz 2012, S 80.

25 Börner-Klein 2007, S 74-75.

26 Davidowicz 2012, S 81.

27 Grözinger 2005 Band 2, S 168.

28 Grözinger 2005 Band 2, S 176.

29 Davidowicz 2012, S 82.

30 Sohar 2012, S 77.

31 Treuherz 2002, S 191.

32 Scholem 2020, S 203-204.

33 Stuckrat 2004, S 85.

34 Stuckrat 2004, S 88.

35 Trattner 2014, S 20.

36 Pielov 2001, S 178.

37 Levack 1995, S 53-54.

38 Offenbarung des Johannes 20,8, S 1805.

39 Bildhauer 2020, S 194 und 195.

40 Borrmann 1998, S 29 ff.

41 Borrmann 1998, S 35.

42 Ashgate 2014, S 577-586.

43 Zunz 1977, Gen 49,23.

44 Geller 2019, S 251 und 252.

45 Lemke 2019, S 202-205.

46 Geller 2019, S 253.

47 Borrmann 1998, S 9.

48 Borrmann 1998, S 11-13.

49 Buber-Rosenzeig 1954, S 511.

50 Borrmann 1998, S 16-18.

51 Goethe 1996, Vers 1740, S 58.

52 Borrmann 1998, S 193 f.

53 Weissmann 2010, S 5.

54 Weissmann 2010, S 6.

55 Borrmann 1998, S 195-196.

56 Santos, Cristina in Ashgate 2014, Article Bathory, Countess, S 32-34.

57 Borrmann 1998, S 211 und 212.

58 Borrmann 1998, S 162.

59 Borrmann 1998, S 213-215.

60 Mayerhofer 2021, S 139.

61 Trachtenberg 1983, S 50.

62 Trachtenberg 1983, S 48.

63 Mayerhofer 2021, S 140-145.

64 Mayerhofer 2021, S 151-154.

65 Koren 2011, S 70 und 71.

66 Koren 2011, S 99.

67 Koren 2011, S 98.

68 Gardenour 2011, S 54 und 55.

69 Gardenour 2011, S 58-60.

70 Trachtenberg 1983, S 159 ff.

71 Johannes 18:37 Einheitsübersetzung.

72 Chrysostomus 1955.

73 Papias 1998, S 61.

74 Davidovicz 2019, S 305.

75 Kaufmann 2014, S 19.

76 Heil 2006, S 308.

77 Geller 2018, S 31.

78 Geller 2018, S 33.

79 Brumlik 2020, S 34.

80 Schäfer 2020, S 189.

81 Kant 1912, S 119.

82 Morissette 2013, S 638.

83 Benz 2009, S 658.

84 Benz 2009, S 657.

85 Schmitz-Behring 2007, S 461.

86 Butler 2013, S 108 und 109.

87 Heine 2006, S 576.

88 Geller 2018, S 30.

89 Ross 2024, S 5.

90 Robinson 2011, S 63.

91 Ross 2024, S 6,7.

92 Ross 2024, S 9.

93 Sherazee 2018, S 3.

94 Davison 2004, S 105 ff.

95 Sherazee 2018, S 6.

96 Sherazee 2018, S 4.

97 Gilman 1991, S 101 und 102.

98 Butler 2010, S 156.

99 Kracauer 202111, S 86.

100Gehler 1990, S 46.

101 Kaes 1993, S 52.

102 Harrabin 2023, S 292.

103 Volkov 20002, S 24.

104 Süselbeck 2025, S 1 und 2.

105 Kracauer 202111, S 86.

106 Gilman 1991, S 169-193.

107 Gelbin 2019, S 127.

108 Gelbin 2019, S 127.

109 Harrabin 2023, S 293 und 294.

110 Harrabin 2023, S 291.

111 Giesen 2022, S 2-4.

112 Giesen 2019, S 109 und 110.

113 Süselbeck 2025, S 6-8.

114 Siodmak 2001, S 54.

115 Ross 2024, S 22.

116 Plaskow 2005, S 23-32.

117 Wallach-Fallers 2000, S 33.

118 Trattner 2014, S 33.

 

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Filme

Nosferatu

Eine Symphonie des Grauens

Regie: Friedrich Wilhelm Murnau

Deutschland 1922

Prana – Film GmbH

 

Dracula

Regie: Tod Browning

USA 1931

Universal Pictures

 

Jud Süss

Regie: Veit Harlan

Deutschland 1940

Terra Film

 

Der Ewige Jude

Regie: Fritz Hippler

Deutschland 1940

DFG

 

The Wolfman

Regie: George Waggner

USA 1941

Universal Pictures

 

 

The Fearless Vampire Killers

Regie: Roman Polanski

USA 1967

Metro-Goldwyn-Mayer

 

 

Nosferatu – Phantom der Nacht

Regie: Werner Herzog

Deutschland 1979

 

20th Century Fox

 

Dracula 2000

Regie: Patrick Lussier

USA 2000

Miramax Films

 

Nosferatu – Der Untote

Regie: Robert

Eggers Deutschland 2024

Universal Pictures Germany GmbH

 

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Nosferatu – Eine Symphonie des Grauens, Film, 1922: Quelle: https://www.space- figuren.de/images/product_images/popup_images/28391_4.jpg          60

Abbildung 2: Zauberschale, unpubliziert (P.Vindob. Aram. O. 8), Ägypten; Datierung unbekannt, ÖNB Papyrussammlung, Aram. O. 00008.

Abbildung 3: Black Koltuv, Barbara, Das Geheimnis Lilith, Diverse Amulette zum Schutz gegen Lilith, 1986, S 127-128.  

Abbildung 4: Burney-Relief, Terrakotta, Sumer, ca. 1950 v.d.Z., British Museum, London.        

Abbildung 5: Vukosavovic (2010), Drei Engel: Senoi, Sansenoi und Samangelof, zum Schutz für Neugeborene und ihre Mütter mit Beschwörung gegen Lilith, Geburtsamulett, Algerien 1900.   

Abbildung 6: Lady Lilith, von Dante Gabriel Rossetti, 1866 – 1873, Ölgemälde.           

Abbildung 7: Ebstorf mappa mundi, 13. Jahrhundert, Reproduktion von Ernst Sommerbrodt, Die Ebstorfer Weltkarte.       

Abbildung 8: Gog und Magog als unreine Kannibalenvölker, Ausschnitt aus der Ebstorfmappe.  

Abbildung 9: Gemälde, Porträt, Vlad III. Dracula, Vlad Tepesch, Woiwode, 2. Hälfte 16. Jahrhundert     

Abbildung 10: Die Ritualmordlegende in der faschistischen Propaganda, Quelle: https://www.lpb- mv.de/fileadmin/processed/a/1/csm_Martyrium_des_Simon_von_Trent Darstellung_aus_der_Nuer nberger_Weltchronik_von_Hartmann_Schedel_1493_Mokosch_02_b834ce48f6.jpg (abgerufen 19.06.2025) Abbildung 11: Gilman, Sander, The Jew's Body, S 115.         

Abbildung 12: Grau, Albin, Plakatentwurf zu Nosferatu von Friedrich Wilhelm, Murnau für das Gleisdreieck von Berlin, 1922.      

Abbildung 13: Grau, Albin, Plakatentwurf zu Nosferatu von Friedrich Wilhelm, Murnau für das Gleisdreieck von Berlin, 1922.      

Abbildung 14: Grau, Albin, Plakatentwurf zu Nosferatu von Friedrich Wilhelm, Murnau für das Gleisdreieck von Berlin, 1922.       

Abbildung 15: Der ewige Jude, Plakat zur Wanderausstellung von Nationalsozialisten ab November 1937 veranstaltet.