Techelet ist eine im Tenach (der hebräischen Bibel) vielfach erwähnte Farbbezeichnung für einen blauvioletten, (himmel-)blauen oder türkisfarbenen Farbstoff.
Zur Zeit des Tempels der Israeliten wurden mit dem aus einem Tier namens Hilazon gewonnenen Farbstoff Techelet nicht nur das liturgische Gewand des Hohepriesters (Efod), sondern auch die dazugehörenden Schnüre rund um den Brustschild gefärbt. Speziell erwähnt sind die uns hier näher interessierenden Zizijot (Schaufäden), die mit der Farbe Techelet behandelt waren. Im Buch Bamidbar (dt. In der Wüste), Numeri 15,38 steht, dass der Allmächtige mit Moses‘ Hilfe ein Gebot für die Israeliten erlassen hat: „Sprich zu den Kindern Israel und ordne ihnen an, dass sie sich Schaufäden an die Ecken ihrer Kleider machen und mit einem Techelet (himmelblauen Faden) verknüpfen.“ Nach der Zerstörung des Zweiten Tempels durch die Römer sei den Rabbinern die Identität der Farbstoffquelle verlorengegangen, weshalb die rabbinische Zizit (bei den traditionellen Gemeinden) ungefärbt naturweiss ist. Seit Jahrhunderten sind wir nicht mehr in der Lage, die Mitzwa (Gebot) von Techelet zu erfüllen, weil wir weder wissen, um welches Meereslebewesen es sich bei Hilazon handelt, noch, wie genau die Farbe hergestellt wird.
Verschiedene Möglichkeiten, Schaufäden zu knüpfen. Internetquelle: Ptil tekhelet, The common thread that unites our Jewish past, present, future. Jerusalem, 2023, bearbeitet von Roger Reiss. Mit freundlicher Genehmigung R. Reiss.
Um es gleich vorwegzunehmen: die chassidische Gruppierung Chabad-Lubavitsch geht noch einen Schritt weiter und schliesst – im Zweifelsfall – jegliche Suche nach einer Techelet-Farbengewinnung aus. Auch der Rabbiner Isaak Luria (1534–1572, Begründer der neuzeitlichen Kabbala) hatte bereits diese Ansicht vertreten. Er erklärte, Techelet könne nach der Zerstörung des Tempels nicht mehr getragen werden und werde erst mit der Ankunft des Maschiach (Messias) zurückkehren. In der heute weitverbreitenden Praxis gibt es im traditionellen Milieu einen Tallit in Form eines Schals oder den ganzen Körper bedeckenden Umhangs, der – mit einem Segensspruch – tagtäglich zum Morgengebet getragen wird. Wesentlich für den Tallit sind die Zizijot, die in Bündeln an den vier Ecken hängen. Dies sind vier lange weisse Fäden, die 39-fach geknüpft werden. Die Zahl 39 ist die Summe aus dem Zahlenwert der hebräischen Buchstaben der Worte Adonai Echad (dt. Der Allmächtige ist einzig).
In der nicht in den Tenach eingegliederten rabbinischen Tradition wird vermutet, die Farbe Techelet sei zuletzt im alten Israel aus einem im Meer lebenden Weichtier namens H.ilazon gewonnen worden. Darunter wurden verschiedene Tiere vermutet: der Gewöhnliche Tintenfisch (Sepia officinalis), eine Floss-Schnecke aus der Gattung der Veilchenschnecken (Janthina Röding 1798) sowie die Stumpfe Stachelschnecke (Hexaplex trunculus). Wissenschaftliche Studien stellten fest, dass natürlicher Purpurfarbstoff aus einem Extrakt der Hexaplex trunculus-Meeresschnecke stammt und dass man damit einen blauvioletten Gewebestoff färben kann. Laut dem Chemie-Professor Zvi Koren war die Farbe techelet ein Mitternachtsblau mit violettem Farbton: in den 1960er Jahren war ein 2.000 Jahre altes, bei Massada ausgegrabenes Gewebe chemisch analysiert worden; es war mit einem Hexaplex trunculus-Extrakt eingefärbt. In den 1980er Jahren entdeckte Otto Elsner, ein Chemiker am Shenkar College of Fibers in Israel, dass, wenn eine Lösung des Hexaplex trunculus-Farbstoffs Ultraviolettstrahlung, wie zum Beispiel Sonnenlicht, ausgesetzt wird, durchwegs dunkles Blauviolettpurpur statt Rotviolettpurpur entsteht.1 Isaac Halevi Herzog (1888–1959), der 1914 an der Universität London seine Dissertation unter dem Titel Hebrew Porphyrology verfasste, forschte über die „hypothetische Wiederentdeckung“ des techelet.2 In Herzogs Studie ist es Reb Radzyner (1839–1890), der den Hilazon als Kuttelfisch Sepia officinalis identifiziert. Angespornt von dieser angeblichen Wiederentdeckung des Farbstoffes färbte Rabbi Eliyahu Tavger Schaufäden mit dem gewonnenen Farbstoff aus dem Hexaplex trunculus. Umschart von seinen Anhängern zelebrierte Tavger im Jahr 1988 das Gebot vom Tragen eines Tallit, an dessen vier Ecken des Gebetsmantels jeweils vier lange Schaufäden hingen, wovon einer in techelet getüncht war. Vier Jahre später wurde die israelische Organisation Ptil Tekhelet gegründet, um über den Farbstoffherstellungsprozess aufzuklären und den Farbstoff – mit aller Vorsicht – allen zur Verfügung zu stellen, die ihn verwenden mochten. Gegenteiliger Meinung ist Rabbi Daniel-Osher Kleinman aus Brooklyn, der argumentiert, gemäss der talmudischen Literatur könne der Hexaplex trunculus nicht dem Hilazon entsprechen.3 Unter diesem Vorbehalt offeriert die israelische Organisation eine Auswahl von Verknotungen von Schaufäden, für die in manchen chassidischen Kreisen ein Interesse besteht. Für die traditionellen Einheitsgemeinden hingegen bleiben weisse Schaufäden weltweit bevorzugt. Fazit: Solange das israelische Oberrabbinat über die Frage der Wiedergewinnung von Techelet nicht statuiert, bleibt der jüngste Vertrieb von „himmelblauen“ Schaufäden möglich.
"Frauen der Mauer" tragen einen bunten Gebetsschal mit weissen Schaufäden.
Roger Reiss, Collage, Jerusalem, 2018.
Anmerkungen
1 Siehe wikipedia.org/wiki/Tekhelet
2 Für nähere Angaben siehe www.tekhelet.com, wo man die vollständige dreihundertseitige Dissertation des späteren aschkenasischen Oberrabbiners von Palästina und Israel Isaac Halevi Herzog abrufen kann.
3 Quelle: www.bluefringes.com