Pelli, Moshe: The Journals of the Haskalah in mid-19th Century Hehalutz and Bikurim
Monographie und kommentierter Index
Magnes University Press Jerusalem 2015,
483 Seiten, English Summary S. VII-XVI,
ISBN 978-965-493-818-1,
EBook ISBN 978-965-493-819-8
Mit dem vorliegenden Band präsentiert Moshe Pelli ein weiteres Indexbuch zu den hebräischen Zeitschriften der Haskalah. Diesmal sind es der kurzlebige Bikurim und der wesentlich länger erscheinende Hehalutz.
Naftali Keller (1835-1865), der Herausgeber des Bikurim, hatte Grosses vor, nämlich eine Zeitschrift zu schaffen, die ein Spiegelbild der Zeit sein sollte, zugleich auch Lehre für künftige Generationen. Der Jugend sollte sie ein Wegweiser zur neuen Weisheit, der Haskalah, sein, die „Hand in Hand mit der Thora geht". Die Zeitschrift sollte eine Gabe sein „für die jetzige Generation, dass sie erkennt, was die Zeit von ihr erwartet und eine Gabe für die nächste Generation, die einen Wegweiser suchen und hier auch finden wird..."
Naftali Keller, dem Pelli grosse Kompetenz, sowohl bei der Wahl der Mitarbeiter als auch bei der Auswahl der Beiträge bescheinigt, hat den ersten Band 1864 in Wien herausgegeben. Den zweiten hat er zwar vorbereitet, es war ihm aber nicht beschieden, die Herausgabe zu erleben. So blieb es bei zwei Ausgaben 1864 und 1865.
Anders der Hehalutz. Jehoschua Heschel Schorr (1818-1895), der die Redaktion der Zeitschrift übernommen hatte, nachdem I. Erter während der Vorbereitung der ersten Ausgabe verstorben war. Er hat von 1852 bis 1889 insgesamt 13 Bände herausgegeben, die letzten zwei übrigens in Wien. Schorr war radikal. Pelli zeigt in seiner Monographie zu welchen extremen Ansichten Schorr fähig war. Adolf Jellinek kritisiert in Bikurim den Pilpul, die Art Talmud zu lernen. Schorr dagegen kritisiert den Talmud und tut ihn ab als ein Werk, das Gültigkeit für die Zeit seiner Entstehung hatte, jedoch nicht für die gegenwärtige. Er wagte sich sogar noch weiter und forderte „Korrekturen" in der Thora. Kein Wunder, dass Schorr praktisch nur in „seiner" Zeitschrift, im Halutz, seine Artikel veröffentlichen konnte. Gesinnungsgenossen, die zu den ersten Heften Beiträge verfasst hatten, verliessen den Hehalutz. Ab dem 7. Heft hat Schorr alle Artikel selber geschrieben. Pelli schlüsselt genau auf, was unter Schorrs Namen erschienen ist und wie die anderen Artikel gezeichnet wurden.
Schorr kritisierte nicht nur Mischna und Talmud, auch die Verfasser kamen bei ihm schlecht davon, besonders Rab. Jehuda haNassi (Mischna). Aber auch kontemporäre Grössen wie Rapaport - um nur einen zu nennen - sind seiner spitzen Feder nicht entgangen.
Ein ganzes Kapitel (10, S.197-207) widmet Pelli den Reaktionen der Maskilim auf Schorrs Artikel. Er zitiert Luzzatto, der sich von Schorr abgewendet hatte und seine geforderten Änderungen in der Thora scharf kritisierte. Edelmann, Fränkel, Kirchheim u.a. werden auch zitiert. Schorr reagierte auf seine Kritiker im 4. Heft mit einer beissenden Satire, die er „Hinter den Kulissen" betitelte.
Pelli bringt auch Reaktionen der Orthodoxen - ein "Kritisches Schreiben zu Hehalutz 2" aus 1855, das handgeschrieben ist und anscheinend Schorr persönlich übermittelt wurde. Ein weiteres Schreiben, das Buch Haholez - in Anspielung auf den Halutz - wurde schon nach dem Erscheinen des ersten Halutz 1852 verfasst, jedoch erst 1861 veröffentlicht. Der Autor, Mosche Arje Leib Harmelin, setzte sich mit allen Behauptungen Schorrs auseinander und widerlegte sie. Pelli meint, dass dieses Buch eher an die Orthodoxen gerichtet war. Die grosse „Gelehrsamkeit" Schorrs und seiner Haluzim soll man nicht allzu ernst nehmen, meinte Harmelin. Jeder, der sich genügend Zeit nähme, könne seine Behauptungen durch Zitate untermauern, auch wenn diese zuweilen aus dem Zusammenhang gerissen würden.
Pelli analysiert in seiner Monographie, wie schon in den früheren Indexbüchern, Band für Band des Hehalutz. Da aber Jehoschua Heschel Schorr einerseits ein brillanter Satiriker und ein profunder Kenner der Schriften, andererseits, ob seiner Ansichten - gelinde gesagt - äusserst umstritten war, widmet Pelli diesem Aspekt ein weiteres umfassendes Kapitel. Nicht nur Schorrs Ansichten, die Reaktionen darauf und seine Repliken, werden, wie schon erwähnt, zusammengefasst, sondern auch sein Einfluss auf spätere Maskilim. Abschliessend führt der Verfasser aus, welchen Stellenwert Schorr nach Ansicht von Wissenschaftlern des 20.Jh. in der Hebräischen Publizistik einnimmt.
Ein interessantes Buch über eine gelehrte, wenn auch äusserst umstrittene und schillernde Persönlichkeit.