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Präsidentschaftskandidatin Irmgard Griss im Interview

Tanja RAHMAN

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DAVID: Was für ein Programm haben Sie sich für Ihre Rolle als mögliche künftige österreichische Bundespräsidentin vorgenommen? Welche Vorhaben planen Sie umzusetzen?

Irmgard Griss: Ich möchte als Bundespräsidentin gleich einem Kompass eine Leitfigur sein, die mit klaren Worten die Probleme in unserem Land anspricht, eine sachliche Diskussion einfordert und für ausgewogene Lösungen eintritt. Als Bundespräsidentin will ich damit zu einem gerechten Ausgleich zwischen Arm und Reich, Jung und Alt, Männern und Frauen beitragen.

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Irmgard Griss. Foto: Jochen Prüller. Mit freundlicher Genehmigung IG für Mut und Verantwortung.

DAVID: Was möchten Sie ändern?

Irmgard Griss: Ich möchte dazu beitragen, dass Probleme ehrlich und sachlich angesprochen werden und nicht parteitaktische Spielchen im Vordergrund stehen. Nur so wird es gelingen, ausgewogene Lösungen für die vielen anstehenden Probleme zu finden.

DAVID: Wie sehen Sie die Problematik der derzeitigen Flüchtlingsströme?

Irmgard Griss: In der aktuellen Flüchtlingskrise muss es eine europäische Lösung geben. Das schliesst eine wirksame Hilfe für die Menschen in den Krisenregionen mit ein.

DAVID: Wie stehen Sie zu Rechtsradikalismus und zu Antisemitismus in Österreich, was möchten Sie dagegen unternehmen und wie sehen Sie die Rolle der Bundespräsidentin in dieser Hinsicht?
Irmgard Griss: Rechtsradikalismus und Antisemitismus haben in unserer Gesellschaft nichts verloren und ich verurteile derartige Äusserungen aufs Schärfste. Als Bundespräsidentin würde ich meine Haltung durch öffentliche Äusserungen und vor allem auch durch den Besuch von Gedenkstätten sichtbar machen.

DAVID: Wie sehen Sie die positive Entwicklung der Israelitischen Kultusgemeinde Wien in den letzten Jahren, deren Wachstum und zunehmendes Selbstbewusstsein? Werden Sie die Anliegen der österreichischen Juden unterstützen?

Irmgard Griss: Sehr positiv. Ich werde die Anliegen der österreichischen Juden ebenso unterstützen wie die anderer Bevölkerungsgruppen.

DAVID: Wie stehen Sie zur Vergangenheitsbewältigung in Österreich? Welche Rolle werden Sie als Bundespräsidentin dabei einnehmen?

Irmgard Griss: Es ist selbstverständlich, dass wir uns mit unserer Vergangenheit ehrlich und kritisch auseinandersetzen müssen. Das ist ein Prozess, für dessen Fortführung ich mich einsetzen werde.

DAVID: Wie sehen Sie den interreligiösen Dialog? Welche Rolle soll die katholische Kirche gegenüber der zunehmenden religiösen Radikalisierung in vielen Weltgegenden spielen? Welche Rolle sollen die säkularen Staaten und Regierungen dabei spielen? Welche die Nichtregierungsorganisationen?

Irmgard Griss: Gegen die zunehmende Radikalisierung vorzugehen ist eine Aufgabe, der sich alle stellen müssen. Auch jeder Einzelne.

DAVID: Wenn Sie zum Staatsoberhaupt der Republik Österreich gewählt werden, wo werden Sie wohnen? Was soll der offizielle Amtssitz der Bundespräsidentin sein? Nehmen Sie Fischers Auslegung an und bleiben Sie in Ihrer derzeitigen Wohnung, oder wird es einen repräsentativen Amtssitz geben? Wird für Sie die Frage der in der NS-Zeit enteigneten Villen dabei eine Rolle spielen?

Irmgard Griss: Ich lebe mit meiner Familie in Graz und habe seit vielen Jahren eine Wohnung in Wien, da ich immer in Wien gearbeitet habe.

Als Bundespräsidentin werde ich weiterhin meine Wohnung in Wien nutzen. Die Frage der in der NS-Zeit enteigneten Villen spielt daher in diesem Zusammenhang keine Rolle.

DAVID: Vielen Dank für das interessante Gespräch.

  

Irmgard Griss, 1946 geboren, wuchs in der Nachkriegszeit auf einem Bauernhof in der Weststeiermark auf und besuchte die Volks- und die Hauptschule in Deutschlandsberg sowie anschliessend als Fahrschülerin die Handelsschule und die Handelsakademie in Graz. Ihr Berufswunsch war es immer, Lehrerin zu werden.
1965 inskribierte sie an der Grazer Universität Staatswissenschaften und machte das Latinum. Danach wechselte sie zu Rechtswissenschaften, da es ihr als das umfassendere Studium erschien. 
Nach Abschluss des Studiums war sie Assistentin am Institut für Zivilgerichtliches Verfahren der Universität Graz. Dank eines Frank Boas-Stipendiums konnte sie 1974/75 ein Studienjahr an der Harvard Law School verbringen und das Studium mit einem Master of Laws abschliessen.
Am 17.Dezember 2015 gab Irmgard Griss, die ehemalige (2007-2011) Präsidentin des Obersten Gerichtshofs (OGH) ihre Kandidatur zur Bundespräsidentenwahl 2016 bekannt.