Ausgabe

Jüdischer Friedhof Hohenems

Ada und Reinhard RINDERER

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Die Jahre haben trotz laufender Instandsetzungs- und Instandhaltungsmassnahmen ihre Spuren am jüdischen Friedhof in Hohenems hinterlassen. Durch die Einrichtung des Fonds zur Instandsetzung der jüdischen Friedhöfe in Österreich sowie Änderung des Nationalfondsgesetzes (NR: GP XXIV IA 1313/A AB 990 S. 83. BR: AB 8409 S. 790.) ergab sich die Möglichkeit, die dringend notwendigen Instandsetzungen zu planen.

 

Dafür wurde 2012 in Zusammenarbeite mit dem Bundesdenkmalamt der Zustand aller Bauteile erhoben. Für den Verputz und die Mauerabdeckungen mit den Ornamentsteinen der Friedhofsmauer ergab die Bewertung einen Totalschaden. Die Grabsteine in Kategorien eingeteilt:

1 - Standfest und in gutem Zustand auf mindestens 10 Jahre

2 - kleinere Restaurierungen notwendig bzw. Standfestigkeit mangelhaft

3 - Gesamtrestaurierung notwendig

3+ - Der Grabstein ist in Teilen noch erhalten, kaum mehr lesbar, eventuell noch restaurierbar

x - „Verlust".

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Zerfallende Aussenmauer. Mit freundlicher Genehmigung Rinderer Architekten.

Auf diesen Grundlagen aufbauend wurden entsprechend der detaillierten Richtlinien für die Zuerkennung von Leistungen des Fonds zur Instandsetzung der jüdischen Friedhöfe in Österreich (2012) umfangreiche Unterlagen und Dokumentationen für die anstehenden Instandsetzungsarbeiten zusammengestellt und als Gesamtprojekt im Jänner 2013 beim Nationalfond eingereicht. Ab 2014 konnten die ersten Teilprojekte umgesetzt werden.

Die Grabstellen im jüdischen Friedhof in Hohenems sowie die Einfriedungsmauer und die Eingangshalle wurden konventionell vermessen. Dabei wurden pro Grabstelle mindestens zwei Messpunkte aufgenommen, anhand derer schliesslich die Position im Lageplan gesetzt werden konnte. Die Baulichkeiten wurden linienförmig erfasst und ebenso im Lageplan dementsprechend dokumentiert. Für die Messungen wurde ein Theodolit eingesetzt. Die Genauigkeit eines gemessenen Punktes liegt im Sub-Zentimeter-Bereich und erfolgte im System der Landesvermessung. Als Ergebnis dieser Vermessung ist festzuhalten, dass vorliegende alte Unterlagen aus dem Jahr 1993 nicht stimmen. Da der jüdische Friedhof sich an einem rutschungsgefährdeten Hang befindet, dient die aktuelle Lage und Position der einzelnen Grabstellen, der Friedhofsmauer und der Eingangshalle ebenso dieser Dokumentation wie auch der „Beweissicherung" des Bestandes.

Für den Abschluss der vorgesehenen Instandsetzungsarbeiten, also voraussichtlich im Frühjahr 2017, wird als alternative Messmethode ein terrestrisches Laserscanning (TLS) ausgeführt. Der Vorteil dieser Methode liegt darin, dass sämtliche im Messbereich befindlichen Objekte flächig erfasst werden. Nach der Georeferenzierung der Einzelscans entsteht am Computer zunächst eine Punktwolke, durch welche die Natur mit einer Genauigkeit im Millimeter-Bereich abgebildet wird. Eine Weiterverarbeitung der Punktwolke ist in verschiedener Hinsicht möglich: 3D-Polyeder-Oberfläche, Schichtenmodell, Orthobilder, Ausgabe an einem 3D-Plotter u.a. Geplant ist jedenfalls die Einbindung in die Friedhofsdatenbank des Jüdischen Museums Hohenems ( http://www.jm-hohenems.at/sammlung/datenbanken/datenbank-friedhof ).

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Aussenmauer – Probefelder für die Mauersanierung. Mit freundlicher Genehmigung Rinderer Architekten.

Die historischen Unterlagen und das Grabsteinregister vom 01.05.19041 ergeben zum heutigen Bestand eine Differenz von circa 100 Gräbern. Obwohl in den vergangen Jahren vereinzelt Grablegungen stattfanden, ist davon auszugehen, dass über die Jahrhunderte Grabsteine entweder versunken oder eben „verloren gegangen" sind. Augenscheinlich sind die leeren Flächen in den ältesten Bereichen des Friedhofs. Ausserdem befinden sich nur noch wenige freie Grabplätze im bestehenden Friedhof. Um die Grabesruhe sicherzustellen, wurden die Friedhofsflächen ohne sichtbare Gräber oder Grabsteine mittels zerstörungsfreier geophysikalischer Prospektion untersucht.

„Aufgrund der anspruchsvollen topographischen Voraussetzungen, wurde eine Kombination aus Bodenradar- und Magnetometerprospektion ausgeführt. Mit dem Bodenradar können im Allgemeinen massive Steinstrukturen, wie z.B. Fundamente oder auch verkippte Grabsteine gut erfasst werden. Ebenso lassen sich zumeist auch ehemalige befestigte Wegeverläufe und unter Umständen auch verfüllte Pflanzgruben detektieren. Zudem bietet diese Methode bei günstigen geologisch-bodenkundlichen Voraussetzungen eine hohe räumliche Auflösung sowie Informationen zur Tiefenlage der Strukturen und eignet sich damit auch für kleine Untersuchungsflächen. Dagegen eignet sich die Magnetometerprospektion vor allem zur Detektion von Erdbefunden (verfüllte Gruben, Gräben). Auf diese Weise können möglicherweise Grabgruben und eventuell auch unbefestigte Wege erfasst werden. Insbesondere angesichts der relativ kleinen Messfläche, bietet die kombinierte Verfahrensweise die Möglichkeit unterschiedliche physikalische Parameter des Untergrundes zu untersuchen, um auf diese Weise umfangreichere Informationen zu den Materialeigenschaften unterirdischer Strukturen zu erhalten."2

Der Abschlussbericht der Messungen vom Sommer 2014 gibt Hinweise auf mögliche nicht mehr sichtbare Grabstellen oder Grabsteine, ehemalige Wege oder Treppen und eine ehemalige Friedhofsmauer. Punktuelle oder flächige positive oder negative Messwerte und unterschiedliche Anomalien decken sich mit bestehenden bzw. vermuteten Grabreihen. Hier kann es sich um ehemalige Grablegungen handeln. Eindeutige Erkenntnisse zur Belegungsdichte und zur Lokalisierung von nicht mehr sichtbaren Grabstellen konnten nicht gewonnen werden, jedoch wurden die möglichen Bereiche gut eingegrenzt. Auf dieser Basis müssten nun archäologische Untersuchungen in den oberen Erdschichten gemacht werden, die Klarheit über das Vorhandensein der vermuteten Gräber bringen.

Nach Dringlichkeit und in Abstimmung mit dem Bundesdenkmalamt ausgewählte Grabsteine wurden wie in den vergangen Jahren restauriert. Für jeden Grabstein wird ein Sanierungsplan mit den Anforderungen der zu verwendenden Materialien und die Art und Weise der Bearbeitung festgelegt.

Insbesondere die in der Regel monolithischen Grabsteine aus Rorschacher Sandstein besitzen kein oder nur ein unzureichendes Fundament und sind nur im Erdreich eingegraben. Sie sind daher nahezu dauerfeucht und zeigen das für Rorschacher Sandstein typische Schadensbild Schalenbildung. Diese Schalenbildung wird durch das Aufstellen der Steine „auf Spalt" (senkrechter Verlauf der Gesteinsschichten) verstärkt.

Auch die Lage des Friedhofs bzw. die geringe Sonneneinstrahlung behindert ein Austrocknen der Grabmale. Die gravierendsten Schäden treten in der Regel ca. 10 bis 20 cm oberhalb des Bodens auf. (Abschuppen, Abschalen und Brüche). Es scheint in diesem Bereich eine Austrocknungszone vorzuliegen, in der der Sandstein durch häufig wiederkehrende Quell- und Schwindprozesse dem grössten mechanischen Stress ausgesetzt ist.

Viele der vorgenannten Schadensprozesse laufen nicht erkennbar im Erdreich ab bzw. sind in der Regel durch die starke biologische Besiedlung verdeckt. Auch augenscheinlich ungefährdete Grabsteine können ohne Vorankündigung brechen.3

Zwei Grabsteine befinden sich als „Notfälle" in Restaurierung, da sie spontan umgefallen und zerbrochen sind, weitere 8 - 15 Stück pro Jahr sollen fortlaufend  in den kommenden Jahren restauriert werden.

Die westliche Friedhofsmauer mit einer Länge von ca. 45 Metern wurde vermutlich in den 1960-er Jahren neu verputzt. Das damals verwendetet zementöse Material hat eine ausgesprochen Festigkeit und Dichte. Risse und Wassereintritte in Verbindung mit Durchfeuchtung ergaben über die Jahre durch den Frost-Tau-Wechsel grossflächige Schäden über den gesamten Mauerverlauf. Das Schadensbild, die sichtbaren Verputzdicken und weitere Problempunkte zeigten ein hohes Risiko für die Instandsetzung der Friedhofsmauer. Eine Abschätzung der erforderlichen Massnahmen konnte nicht gemacht werden. Daher wurde eine Muster-Mauerinstandsetzung über zwei „Felder" festgelegt. Als der lose, aber harte alte Verputz abgeschlagen wurde, waren die Steine der oberen Mauerhälfte lose, die Mauer fiel teilweise in sich zusammen. Das Fugenmaterial war feucht und hatte keine Festigkeit. Nach kurzer Zeit der Atmungsmöglichkeit der jetzt unverputzten Natursteinmauer konnten durch die Austrocknung des Fugenmaterials zwei Besonderheiten festgestellt werden. Der untere Teil bis in eine Höhe von ca. 1,20 Metern, ein gelblicher Mörtel, erhielt durch die Trocknung seine volle Festigkeit zurück, der obere Teil musste abgetragen und neu gemauert werden. Aus dem unterschiedlichen Fugenmaterial kann auch abgeleitet werden, dass die Friedhofsmauer ursprünglich niederer war und in einer späteren Etappe erhöht wurde. Wann dies erfolgte, ist noch unklar. Nach ausreichendem Austrocknen wurde die Musterfläche mit geeignetem Material verputzt. Selbstverständlich betreffen die Instandsetzungsarbeiten auch das Mauerfundament und eine Drainage, um wiederkehrende Durchfeuchtung der Mauer zu verhindern. Die Mauerabdeckungen, wegen ihres „Bestandes" ebenso für die Schäden an der Mauer verantwortlich, sind als exakte Kopien wieder als Betonfertigteile ausgeführt.

Nach Abschluss der Muster-Mauerinstandsetzung zeigte sich die Richtigkeit für dieses „Muster", nur eine Teilfläche zu bearbeiten. Nun sind alle Fakten und notwendigen Bearbeitungen klar und dies ergibt für die restlichen Instandsetzungsarbeiten einen klar definierten Leistungsumfang und somit auch einen sicheren Kostenplan. Diese Arbeiten und die dazugehörenden Nebenleistungen werden in diesem Jahr wiederum mit Unterstützung des Nationalfonds und der anderen Projektpartner umgesetzt. Bis zur 400-Jahrfeier des jüdischen Friedhofs in Hohenems 2017 werden noch weitere notwendige Instandsetzungsarbeiten auszuführen sein. Die Eingangshalle leidet an Mauerfeuchte, die Wege und Treppen müssen benutzungssicher gemacht werden.

Der Verein zur Erhaltung des jüdischen Friedhofs in Hohenems ist sich seiner Aufgaben und Verpflichtungen zur Bewahrung des kulturellen Erbes bewusst und ermöglicht durch diese Instandsetzungsarbeiten den Erhalt des Kulturgutes. Die anfallenden Kosten werden durch den Verein selbst und die Projektpartner - den Nationalfond zur Instandsetzung jüdischer Friedhöfe in Österreich, das Land Vorarlberg, die Stadt Hohenems, das Bundesdenkmalamt sowie private Sponsoren4 - getragen. Ohne diese öffentlichen Unterstützungen könnten auch die dringendsten, absolut notwendigen Massnahmen nicht umgesetzt werden. Für den Zeitraum vom 27.07.2017 bis zum 30.07.2017 ist vom Jüdischen Museum Hohenems ein Nachkommen-Treffen Hohenemser Juden und Jüdinnen geplant, bei dem die 400-jährige Geschichte der Juden und Jüdinnen in Hohenems und somit auch das 400-jährige Bestehen des jüdischen Friedhofs in Hohenems im Zentrum stehen wird. Unter dem Thema Together For 400 Years - Let Us Look Forward As Well As Backwards! sind auch alle Arbeiten zur Instandsetzung und Instandhaltung des jüdischen Friedhofs in Hohenems zu betrachten.

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Plan 1 – Plan 4: Mit freundlicher Genehmigung Rinderer Architekten.

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RINDERER ARCHITEKTEN

Ada Rinderer (geb. Schwarcz), 1965 in Israel geboren, studierte am Technion Haifa Architektur. Sie war in der Architekturabteilung der Israelischen Armee für Projektmanagement zuständig und als Mitarbeiterin bei Yasky & Associates Architects in Tel Aviv tätig.

Reinhard Rinderer, 1962 in Vorarlberg geboren, studierte Architektur an der Universität Innsbruck. Umzug nach Zürich und Mitarbeit im dortigen Architekturbüro von Ernst Gisel.

1994 gründete das Paar ein gemeinsames Architekturbüro in Dornbirn, Vorarlberg.

1          Quelle: Aron Tänzer „Die Geschichte der Juden In Hohenems", Verlagsbuchhandlung  H. Lingenhöhle & Co. Bregenz 1982 ISBN 3-85162-004-X Seite 396ff.

2          Quelle: PZP Posselt & Zickgraf Prospektionen GbR - Büro Marburg, Archäologisch-geophysikalische Prospektionen für Denkmalpflege und Forschung, 2013.

3          Quelle: Restaurierungswerkstatt Jürgens, 88138 Sigmarszell, Deutschland -  Dokumentation zu Restaurierungsarbeiten an 8 Grabsteinen auf dem Israelitischen Friedhof  in A - 6845 Hohenems 2014.

4          Zu den beigefügten Logos: Da die Autoren verpflichtet sind, den Fond zu nennen, werden auch alle anderen Projektpartner genannt. Grundlage: Auszug aus Fördervertrag des Fonds zur Instandsetzung der jüdischen Friedhöfe in Österreich (2013): § 8 Bekannt- und Sichtbarmachung der Förderung - 1) Der/Die Förderwerber/in ist verpflichtet, auf seiner/ihrer Website, bei allen im Rahmen der Projektumsetzung erstellten Publikationen sowie bei Tagungen etc. die Unterstützung durch den Fördergeber bekannt zu machen und in seinen/ihren internen Vermerken und Berichten auszuweisen. Alle Projektunterlagen und Publikationen müssen folgenden Vermerk enthalten: ,,Dieses Projekt wird durch den Fonds zur lnstandsetzung der jüdischen Friedhöfe in Österreich gefördert." 2) Alle Unterlagen, Berichte und Publikationen sind mit dem Logo des Fonds zur Instandsetzung der jüdischen Friedhöfe in Österreich zu kennzeichnen, das dieselbe Grösse und Auffälligkeit haben muss wie das Logo des Förderwerbers/der Förderwerberin. 3) Der/Die Förderwerber/in sorgt dafür, dass sämtliche vom Fördergeber geförderten Leistungen auf seiner/ihrer Website mit dem Logo des Fonds zur Instandsetzung der jüdischen Friedhöfe in Österreich gekennzeichnet werden, das dieselbe Grösse und Auffälligkeit haben muss wie das Logo des Förderwerbers/der Förderwerberin. 4) Weiters verpflichtet sich der/die Förderwerber/in, nach Massgabe der halachischen Regeln auf dem vertragsgegenständlichen Friedhof ein Schild mit dem folgenden Vermerk gut sichtbar aufzustellen bzw. anzubringen; „Die Sanierung dieses Friedhofes wird bzw. wurde durch den Fonds zur Instandsetzung der jüdischen Friedhöfe in Österreich gefördert.» Weiters muss auf besagtem Schild auch das Logo des Fonds zur Instandsetzung der jüdischen Friedhöfe in Österreich abgebildet sein.