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Präsidentschaftskandidat Rudolf Hundstorfer im Gespräch

Monika KACZEK

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BM a.D. Rudolf Hundstorfer (geboren am 19. September 1951 in Wien) wurde 1975 Jugendreferent der Gewerkschaft der Gemeindebediens-teten (GdG), 1983 Organisationsreferent, 1998 Vorsitzender der Landesgruppe Wien und 2001 geschäftsführender Vorsitzender der GdG. Von 2003 bis 2006 war er Vorsitzender der Fraktion Sozialdemokratischer GewerkschafterInnen (FSG). Von 1990 bis 2007 war er Mitglied des Wiener Landtages und Gemeinderat und von 1995 bis 2007 erster Vorsitzender des Wiener Gemeinderates. 2003 wurde Hundstorfer Vize-Präsident des Österreichischen Gewerkschaftsbundes (ÖGB) und übernahm vier Jahre später die Präsidentschaft. Von Dezember 2008 bis 26. Jänner 2016 war er Bundesminister für Soziales und Konsumentenschutz, seit 1. Februar 2009 auch Minister für Arbeit.

DAVID: Am 15. Jänner haben Sie Ihre Kandidatur für die Präsidentschaftswahlen 2016 bekannt gegeben. Laut Bundes-Verfassungsgesetz ist der Bundespräsident Staatsoberhaupt der Republik Österreich und zu seinen Kernkompetenzen gehört unter anderem die Möglichkeit, den Nationalrat auf Ansuchen der Regierung aufzulösen. Bei welchen politischen Konstellationen wären Sie als Präsident zu diesem Schritt bereit?

R. Hundstorfer: Diesen politischen Extremfall hat es in Österreich noch nie gegeben und ich halte auch nichts davon, theoretische Diskussionen zu führen. Ich plädiere dafür, den Wählerwillen zu respektieren. Selbstverständlich muss ein Bundespräsident danach trachten, Stillstand aufzulösen. Aber das kann man auch mit anderen Mitteln und Wegen versuchen. Eine Regierung nach Belieben zu entlassen oder nicht anzugeloben, wäre nicht nur undemokratisch, das würde direkt in eine Staatskrise führen.

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Foto: Thomas Lehmann, mit freundlicher Genehmigung Wahlbüro R. Hundstorfer.

DAVID: Auf Ihrer Homepage 1 definieren  Sie die Rolle des Bundespräsidenten als engagierter Vermittler, der offen auf alle Menschen zugeht, sie zusammenbringt und das Gemeinsame in den Vordergrund stellt. Welche Aktionen kann der Bundespräsident hier zum Beispiel setzen, um diesen offenen Dialog zu führen?

R.Hundstorfer: Ich trete für eine offene Hofburg als Ort des Dialogs ein. Dazu plane ich regelmässige Sprechstunden mit den Bürgerinnen und Bürgern, sowohl in der Hofburg als auch zumindest einmal jährlich in jedem Bundesland. Zu wichtigen Themen soll es BürgerInnenforen und Podiumsdiskussionen geben, in denen sich die Menschen mit Expertinnen und Experten austauschen können, die unterschiedliche Sichtweisen miteinander vereinen und gerade in schwierigen Situationen verbindend wirken.

DAVID: Ein wichtiges Anliegen für Sie ist ein menschlicher Umgang mit Flüchtlingen. In einem Interview stellen Sie sich gegen die von der ÖVP propagierte Obergrenze: „Sie wissen, dass wir nicht die Welt retten können. Dass wir nicht alle 60 Millionen Flüchtlinge weltweit aufnehmen können. Aber das Thema kann man nur mehrstufig lösen." 2 Welche Initiativen wären hier von Seiten der Politik wichtig?

R.Hundstorfer: Ich verstehe die Sorgen der BürgerInnen und diese müssen ernst genommen werden. Die Aufgabe des Bundespräsidenten ist es, die Menschen zusammenzubringen, das Gemeinsame zu finden und ein Auseinanderdriften der Gesellschaft zu verhindern. Wir wollen Menschen in Not nicht einfach im Regen stehen lassen. Das können wir aber nicht alleine, sondern nur gemeinsam mit anderen Ländern tun. Österreich hat sich von Beginn an für eine europäische Lösung eingesetzt. Würden alle EU-Länder so viele Flüchtlinge aufnehmen, wie es dem österreichischen Richtwert entspricht, könnte die EU rund zwei Millionen Flüchtlinge pro Jahr aufnehmen.

DAVID: Während viele Bürgerinnen und Bürger in ganz Europa sich vorbildlich in der Flüchtlingshilfe engagieren, tauchen-gerade in den sozialen Medien- immer wieder erschütternde rassistische und menschenverachtende Meldungen auf Gruppierungen, wie die AfD in Deutschland, schrecken auch vor antisemitischen Vergleichen nicht zurück, den der Zentralrat der Juden in Deutschland scharf kritisierte.3 Erklärungsmodelle für diese Gesinnung kann man finden, doch stellt sich die Frage, wie man mit diesem Gedankengut umgehen soll.

R.Hundstorfer: So ein Graben in der Gesellschaft ist schnell gebaut, aber in Wahrheit wollen wir keine neuen Gräben, sondern bestehende zuschütten und Brücken bauen. Wir sollten uns darum bemühen, dass die Gesellschaft zusammenrückt und zusammenhält. Dies ist nur durch den ständigen Dialog möglich, nicht aber durch populistische Politik. Der Populist löst keine Probleme.

DAVID: Sie stammen aus einer Arbeiterfamilie, die von den Werten der Sozialdemokratie geprägt war. Ihre Mutter engagierte sich in der Fürsorge, der Vater war Zentralbetriebsrat. Mit sieben Jahren sind Sie den Roten Falken beigetreten. Was sind für Sie die wichtigsten Aspekte und Aufgaben der Sozialdemokratie in der Gegenwart und vor allem in der Zukunft? Was möchten Sie an die Jugend weitergeben?

R.Hundstorfer: Ganz wichtig: Die Sozialdemokratie steht für Solidarität. Es geht darum, sich für andere einzusetzen. Schon im Jugendalter habe ich diesen Zusammenhalt bei den Roten Falken kennengelernt, das hat mich geprägt.

DAVID: Und zum Abschluss eine Frage zu Ihren literarischen oder sonstigen künstlerischen Vorlieben. Welche Bücher würden Sie für den sprichwörtlichen Aufenthalt auf einer einsamen Insel empfehlen?

R.Hundstorfer: Ich komme leider zurzeit nicht wirklich zum Lesen von Büchern. Wenn sich die Zeit findet, gehe ich ins Theater oder ins Konzerthaus.

DAVID: Haben Sie vielen Dank für das interessante Gespräch.

1  https://www.rudolfhundstorfer.at/amtsverstandnis/ ; 01.03.16

2   derstandard.at/2000029156443/Praesidentenwahl-Hundstorfer-will-die-Tuer-fuer-Fluechtlinge-offen-lassen : 01.03.16

3  http://www.spiegel.de/politik/deutschland/afd-zentralrat-der-juden-fuerchtet-antisemitismus-a-994223.html ; 01.03.16