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Erholung, Innovation, Wissenschaft

Tina WALZER

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Vor 250 Jahren, am 7. April 1766, gab der österreichische Kaiser Joseph II. die bisher als kaiserliches Jagdgebiet genutzten Donauauen vor der Stadt Wien zur allgemeinen Erholung für die Bevölkerung frei. Jüdische Künstler, Wissenschafter und Unternehmer richteten seither eine Fülle bedeutender Stätten in dem weitläufigen Areal ein. Viele der Betriebe wurden während der NS-Zeit enteignet und zerstört. An sie erinnert heute nur mehr der eine oder andere Strassenname.

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Erinnerungen an Venedig in Wien, 1890. Foto: K. Kriwanek. Wien Museum, mit freundlicher Genehmigung.

Der Begriff Prater als Bezeichnung für die Donauauen vor der Stadt Wien entwickelte sich aus der lateinischen Bezeichnung „pratum" (Wiese) und war bereits im 12. Jahrhundert gebräuchlich. Bis ins 18. Jahrhundert handelte es sich um einen weitgehend unberührten Auwald. Hier, durch die Hauptallee mit dem kaiserlichen Palais Augarten verbunden, befand sich das Jagdgebiet des kaiserlichen Hofes. Bereits Rudolf II. (1552 - 1612) hatte ein Verbot, den Prater zu betreten, verhängt. Nur der Monarch, sein Hofstaat und seine Gäste durften sich dort aufhalten. Erst der Reformkaiser Joseph II. (1741 - 1790) als Mitregent seiner Mutter Maria Theresia (1717 - 1780) öffnete das Areal im Jahr 1766 für die Bevölkerung, damit diese sich dort unterhalten könne.

Die Verfügung spricht ausdrücklich von Ballonschlagen und Kegelscheiben; Kaffeesieder und Wirtshäuser wurden ebenfalls toleriert. Es war die Geburtsstunde des Wiener Vergnügungsparks Wurstelprater.

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„Versammlung der schönen Welt bey den Kaffee-Häusern in der großen Prater Allee“, 1795. Johann Ziegler nach Laurenz Janscha. Kolorierter Kupferstich. Wien Museum, mit freundlicher Genehmigung.

Ende des 18. Jahrhunderts entstanden entlang der Hauptallee drei Kaffeehäuser, in denen so wie Ludwig van Beethoven (1814) und Josef Lanner (1824) auch Johann Strauss Sohn (1844) konzertierte - um das Publikum mit Walzermusik zu unterhalten. Daneben wurden dort Operetten, Varietés, Arabische Tänze und Gesänge aufgeführt. Die jüdischen Betreiber des Ersten Cafés wurden 1938 enteignet. Die drei Lokale bestehen heute alle nicht mehr.

Zur Weltausstellung 1873 in Wien wurden weite Teile des Praters umgebaut; berühmtestes Beispiel ist wohl die kurz vor dem 2. Weltkrieg abgebrannte Ausstellungshalle Rotunde. Dort zeigten die Familien der Brüder Salomon (1808 - 1855) und Samuel Goldschmidt (1810 - 1871) von ihnen in der Grube Dubník (Ostslowakei) geförderte Opalsteine und daraus in Wien selbst gefertigten Schmuck, den sie in der Folge an alle Königshäuser Europas verkaufen konnten. Kronprinz Rudolf trug zu seiner Hochzeit eine Opalkette aus den Händen der Firma Gebrüder Goldschmidt (heute Schatzkammer, Wien).

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Gabor Steiner (1858 - 1944 Beverly Hills), Theaterunternehmer und Initiator von „Venedig in Wien" und des Riesenrads. Quelle: wikicommons, abgerufen am 03.03.2016.

Am Beginn der Hauptallee wurde ein Schau-Aquarium errichtet. Der weltberühmte Zoologe Hans Leo Przibram (1874 - 1944 KZ Theresienstadt) und der Botaniker Wilhelm Figdor (1866 - 1938) richteten in diesem Vivarium 1903 eine experimentelle biologische Versuchsanstalt ein. Hier konnten sie international herausragende wissenschaftliche Leistungen erbringen, bis zur NS-Zeit, als die bedeutendsten Forscher gekündigt, dann vertrieben oder deportiert wurden. 1941 wurde das Vivarium geschlossen, 1945 vernichtete die SS beim Rückzug vor der Roten Armee alle Tiere sowie die wissenschaftliche und technische Einrichtung. Danach wurde das Gebäude in ein Tanzlokal umgewandelt und in den späten 1940er Jahren schliesslich abgetragen.

Im Frühjahr 1895 eröffnete einer der ersten Themenparks der Welt im Wiener Prater, unter dem Titel Venedig in Wien. Errichtet wurde die Wasserlandschaft mit Gondeln und venezianischen Palazzi nachempfundenen Gebäuden vom Unternehmer Gabor Steiner (1858 - 1944 Beverly Hills) in Zusammenarbeit mit dem bekannten Architekten und Zionisten Oskar Marmorek (1863 - 1909). Bereits nach wenigen Jahren liess die anfängliche Begeisterung für die exotische Anlage wieder nach; 1916 wurde Venedig in Wien demoliert. Gabor Steiner war unter anderem auch künstlerischer Leiter des Carl-Theaters, Direktor des Ronacher, eröffnete ein Kino und ein Automatenbuffet und betrieb die Errichtung eines Riesenrads in Wien. 1938 wurde er aus Wien vertrieben und floh zu seinem Sohn in die USA, wo er noch während des Krieges verstarb.

Das Wiener Riesenrad wurde 1897, gleich angrenzend an das zwei Jahre zuvor in Betrieb genommene Venedig in Wien - Areal, aufgestellt. 1919 an den Prager Kaufmann Eduard Steiner (1884 - 1944 Auschwitz) verkauft, blieb es bis zur NS-Zeit in seinem Eigentum. Eduard Steiner wurde enteignet und nach Auschwitz deportiert, wo er 1944 ermordet wurde. Seine Erben lebten in Prag und versuchten nach dem Ende des 2. Weltkrieges, das Riesenrad und seine Erträgnisse zu restituieren. Dies gelang ihnen nur zu einem Teil; die österreichischen Behörden zeigten sich wenig kooperativ, während die kommunistische Machtübernahme in der Tschechoslowakei und die damit verbundenen Freiheitsbeschränkungen verhinderten, dass die Erben ihre Interessen selbst wahrnehmen oder vor Ort eingreifen konnten.

Seit 1890 ist der Prater auch Schauplatz der traditionellen Aufmärsche der Sozialdemokratie zum Tag

der Arbeit am Ersten Mai. Die sozialdemokratische

Wiener Stadtverwaltung begann 1928 das Praterstadion zu erbauen; 1931 wurde es anlässlich der Zweiten Arbeiterolympiade eröffnet. Zur breitenwirksamen Kommunikation politischer Anliegen schien der Prater mit seinen Freizeiteinrichtungen und dem positiv besetzten Charakter eines Ortes des Wohlbefindens für weite Bevölkerungsteile einen mehr als geeigneten Rahmen zu bieten. Jene überwiegend jüdische Bevölkerung der angrenzenden Mazzes-Insel (in Wiens 2. Bezirk), die politisch mit den Zielen der Sozialdemokratie sympathisierte, bildete einen Teil des Publikums.

Die Liliput Bahn, erbaut ab 1927, stand zum Zeitpunkt der nationalsozialistischen Machtübernahme im Eigentum von sieben jüdischen Familien. Sie wurden alle enteignet und durch regimefreundliche neue Eigner ersetzt. Nach dem Krieg gelang es einem Überlebenden der Shoa, Jakob Passweg, die Anteile der sieben neuen Eigner sukzessive zu kaufen, wodurch die Liliput-Bahn 1950 wieder in jüdischen Besitz kam. Der Anteils-Eigentümer der Liliput-Bahn Samuel Deutschberger hatte bis 1938 auch Gulaschhütten besessen, die ebenfalls unter dem NS-Regime enteignet wurden.

Neben den weltbekannten Attraktionen des Wiener Praters wurden dort auch zahlreiche kleinere Betriebe ab 1938 enteignet und die Betreiber vertrieben und ermordet; darunter waren Kaisergarten und Hochschaubahn, fünf Cafés, zwei Bierstuben, ein Automatencafé, das Kristall-Kino, eine Schaubude und ein Lebensmittelgeschäft.

Jubiläumsausstellungen:

  

10. 3. - 21.8.2016: Ausstellung im Wien Museum mit dem Titel „In den Prater! Wiener Vergnügungen seit 1766". 

  

16.3. - 18.9.2016: Ausstellung „Unterhaltung zwischen Prater und Stadt. Wege ins Vergnügen" im Jüdischen Museum Wien.