Claudia Zerkowitz-Beiser: Meine jüdische Familie. Ihr Leben in Graz und ihre Auslöschung.
Graz 2021, Verlag - Clio Verein f. Geschichts- & Bildungsarbeit
208 Seiten, 25,00 Euro
ISBN 978-3-902542-91-5
Das Grazer Stadtbild wäre ohne die Tätigkeiten des Stadtbaumeisters Alexander Zerkowitz (1860 Wien – 1927 Graz) und seine Familie unvorstellbar. Er war der Urgrossvater von Claudia Zerkowitz-Beiser, die mit ihrem Buch, „Meine jüdische Familie – Ihr Leben in Graz und ihre Auslöschung “, ein reich bebildertes Zeitdokument über die architektonische Stadtgeschichte von Graz vorlegt. Die Autorin hat in zeitaufwändiger Recherche in Archiven verschiedene Bauprojekte ihrem Urgrossvater zuordnen können, dabei wissend, dass es Lücken in dieser Recherche gibt, weil Eintragungen vielfach nicht auffindbar waren und auch der Verdacht aufkam, dass er aufgrund der jüdischen Glaubenszugehörigkeit unerwähnt blieb. Das bedeutendste Gebäude, das Alexander Zerkowitz geplant hat, war die imposante Zeremonienhalle am jüdischen Friedhof in Graz, die in der Pogrom-Nacht durch die Nationalsozialisten zerstört wurde.
Andere Gebäude, die von Alexander Zerkowitz errichtet wurden, waren unter anderen Häuser für den IKG Präsidenten Simon Rendi in der Innenstadt von Graz und das Kaufhaus Kastner & Öhler in der Sackstrasse. Er erbaute auch die Kaimauer entlang der Mur.
Der Bau des Margaretenbads, von den Grazern liebevoll „Margerl“ genannt, war für die Familie Zerkowitz ebenfalls ein wichtiges Projekt. Es wurde von Architekt Eugen Székely entworfen, aber erst nach dem Tod von Alexander Zerkowitz 1927 erbaut. Der Name des Bades wurde von der Familie im Gedenken an das bei ihnen beschäftige Kindermädchen gewählt. Sie ertrank, so die Familienerzählung, in der Badewanne. 1938 wurde das Bad »arisiert« und Juden der Zutritt verboten. Nach dem 2. Weltkrieg 1946 bekam die Familie Zerkowitz das Bad im Eigentum zurück und der Badebetrieb wurde wieder aufgenommen. In den 1960er Jahren wurde das Bad dann an die Stadt Graz verkauft.
Die meisten Familienmitglieder von Alexander Zerkowitz wurden von den Nationalsozialisten verfolgt, in Konzentrations- bzw. Vernichtungslager überstellt und ermordet. Nur einigen wenigen gelang die Flucht oder sie konnten in Graz als „Nichtjuden“ überleben.
Für Claudia Zerkowitz-Beiser war die Arbeit an ihrer Familiengeschichte auch der lang gehegte Wunsch hinter das Schweigen ihrer Grosseltern und Eltern zu blicken. Im Vorwort zu ihrem Buch beschreibt sie den spannenden Beginn ihrer Reise in die Vergangenheit: 1980 findet sie einen alten Koffer im Keller des Wohnhauses ihrer Eltern und beginnt durch Briefe und Fotos in die Schicksale ihrer Familienangehörigen einzutauchen. Als Psychotherapeutin erkennt sie im Prozess nach der Trauer, die Akzeptanz des Unabänderlichen, das meistens im „Ja zum Leben“ mündet. Im Vorwort zu ihrem Buch schreibt Claudia Zerkowitz-Beiser: „Ein Stück soll meine Familiengeschichte auch dazu beitragen, deutlich zu machen, dass – sobald eine Gruppe von Menschen nicht mehr als gleichwertiges, menschliches Gegenüber respektiert wird - die Geschichte sich immer wieder wiederholt und Menschen schreckliches Leid tragen und ertragen müssen.“
Viola Heilman