Unser Chanukka-Fest beginnt in aller Welt am 25. des jüdischen Monats Kislew. Dieses Datum fällt in diesem Jahr auf den 29. November. Das erste Chanukka-Licht zünden wir am Vorabend des Festes, also am Sonntag, 28. November abends an, und danach kommt jeden Tag eine neue Kerze hinzu. Chanukka dauert acht Tage lang. Dieses Fest setzt dem bestandenen Überlebenskampf des jüdischen Volkes im Altertum, im zweiten Jahrhundert v.d.Z. ein Denkmal. Die Freiheitskämpfer, die Makkabäer, führten drei Jahre lang einen Kampf gegen die hellenistischen Eroberer ihres Landes. Zu den Gegnern der Makkabäer gehörten auch jene jüdischen Einwohner Judäas, die zumeist aus wirtschaftlichem und finanziellem Interesse die Hellenisten unterstützten. Unsere Quellen berichten, dass die Rückeroberung und Restauration des Heiligtums in Jerusalem den Sieg der Makkabäer vollendete. Mit der Wiedereinweihung des Tempels, auf Hebräisch Chanukka, wurde die Souveränität des jüdischen Landes wieder hergestellt und damit auch die jüdische Lebensweise gesichert. Die historischen Ereignisse, die zur Einrichtung dieses Festes führten, fanden nach der biblischen Zeit statt. Das ist der Grund, dass an den acht Tagen von Chanukka kein Arbeitsverbot, wie sonst bei biblischen Festen üblich, angeordnet wurde. An jedem Abend finden fröhliche Zeremonien statt, im Rahmen derer Lichter in der Chanukkija, dem achtarmigen Leuchter, angezündet werden. Die Lichter sollten an unsere Fenster gestellt werden, damit sie in die Dunkelheit hinaus strahlen. Dafür gibt es auch eine allegorische Deutung: Das Licht des Wissens und des Studiums der g‘ttlichen Lehre soll die Dunkelheit des Unwissens überstrahlen, oder, anders gesagt: Das Licht des Glaubens an den einzigen G‘tt und an Seine Fürsorge möge gegen den Pessimismus leuchten.
Im Talmud, der nachbiblischen, mündlich überlieferten Literatur finden wir folgende Frage im Traktat Schabbat (21/b): „Was bedeutet Chanukka?“ Die Rabbanan, unsere Meister, lehren: Am 25. Kislew beginnen die Tage des Chanukka-Festes; es sind ihrer acht, an denen man keine öffentliche Trauerfeier abhalten, noch fasten darf, weil sie als Freudentage begangen werden sollten. Aber die Vorgeschichte des Chanukka-Festes beginnt zunächst alles andere als erfreulich. Als nämlich die Griechen im Jahre 165 v.d.Z. in den Tempel eindrangen, verunreinigten sie alles Öl, das sich zu Kultzwecken im Heiligtum befand. Nachdem die Herrscher des Hauses der Haschmonäer sich ihrer bemächtigt und sie besiegt hatten, suchte man lange und fand nur ein einziges, mit dem Siegel des Hohepriesters versehenes Krüglein mit Öl, das nur für einen Tag gereicht hätte, um die Menora, den siebenarmigen Leuchter des Tempels zu speisen. Denn für kultische Zwecke durfte man im Tempel nur Öl aus reinen, zerstossenen Oliven verwenden. Das Zeichen für die Reinheit war das priesterliche Siegel auf dem Behälter. Ein solches Öl wieder herzustellen, hätte jedoch etwa eine Woche gedauert. Aber es geschah ein Wunder, und das Öl im Krüglein reichte für acht Tage. Im folgenden Jahr bestimmten unsere Weisen, diese acht Tage „mit Lob und Dankliedern als Festtage zu feiern.“
Soweit der Bericht des Talmuds über die Gründe wie auch die Art des Begehens des Chanukka-Festes. Auffallend ist, dass diese massgebende Tradition des Talmuds weder von den Freiheitskämpfen der Makkabäer noch deren Siege erzählt, wohl aber das Ölwunder und das Singen der Loblieder, der Psalmen, in den Vordergrund stellt. Die Gnade G‘ttes sollte mit Lobliedern für den Allmächtigen gefeiert werden. Beim Lesen des talmudischen Abschnittes über die Entstehung von Chanukka fällt auf, dass die Meister des Talmuds die „Herrscher des Hauses der Haschmonäer“ übergangen haben. Warum wurden die Haschmonäer von den Rabbinen des Talmuds nicht als Helden der errungenen Freiheit des jüdischen Landes gerühmt? Man kann gleich zwei triftige Gründe als Erklärung anbieten: Erstens waren die traditionalistischen Gelehrten, die der Gruppe der Pharisäer angehörten, gegen eine Verschmelzung der Machtstellungen der weltlichen Herrscher und der Priester des Tempels. Die Pharisäer waren eine politische Schule im antiken Judentum. Sie bestanden während der Zeit des Zweiten Tempels und wurden nach dessen Zerstörung 70 n.d.Z. als treibende Kraft im rabbinischen Judentum die einzige bedeutende überlebende jüdische Strömung. Diese Schriftgelehrten waren Experten in der Halacha, in der Auslegung der Religionsgesetze, Lehrer und Prediger. Die Haschmonäer stammten aus priesterlichem Geschlecht, das nach der Macht eines Königs griff. Dies missfiel den Rabbinen, und sie bekämpften dies auch nach ihren Möglichkeiten. Zweitens: Nach den Verheissungen unserer Propheten sollten die Regierenden ausschliesslich aus dem Hause des messianischen Königs David stammen. Die Haschmonäer aber entstammten diesem Geschlecht nicht. Daher betrachteten die Pharisäer sie als Usurpatoren der Macht und Emporkömmlinge.
Die Ursprünge unseres Chanukka-Festes basieren auf keiner biblischen Grundlage. Ausserdem ist es das einzige jüdische Fest, dessen historischen Hintergrund kriegerische Ereignisse bilden. Dadurch ist es eigentlich nicht mit der Offenbarung der Tora vom Berg Sinai in Einklang zu bringen. Die heutige Lage jedoch – die Krisensituation im Nahen Osten – verleiht diesem Fest auch eine politische Aktualität. Zu Chanukka feiern wir, dass unsere Vorfahren zur Zeit des Zweiten Tempels in Jerusalem im 2. Jahrhundert vor unserer Zeit einen erfolgreichen Aufstand entfesselt haben. Ihr Gegner war ein Nachfolgestaat des Reiches von Alexander dem Grossen. Dieses gegnerische Reich wurde von den hellenisierten Seleukiden regiert. Ihr Herrscher, Antiochus Epiphanes wollte die hellenistische Lebensform und Kultur den Juden mit Gewalt aufzwingen. Dieser Herrscher meinte, dass die Juden als religiöse Nonkonformisten seinen Staat gefährden und destabilisieren könnten. Nachdem der Feind Jerusalem erobert hatte, stellte er eine Statue seines G‘ttes Zeus im Salomonischen Heiligtum auf. Ausserdem liess der fremde Herrscher im ganzen jüdischen Land, in allen Schulen das Studium der Tora verbieten. Darauf brach der offene, bewaffnete Widerstand aus. An der Spitze dieses Aufstandes standen der ältere Tempelpriester Matitjahu und seine fünf Söhne. Nach dreijährigen, harten und erbitterten Kämpfen konnte Jehuda Hamakkabi, der Sohn des Priesters, das Heiligtum wieder zurückgewinnen und feierlich einweihen. Danach stand das Heiligtum noch mehr als zweihundert Jahre, bis zum Jahr 70 nach unserer Zeit, als es von den Römern erobert und zerstört wurde.
Zum Schluss möchte ich noch einige Zeilen zum Oratorium von Händel „Judas Makkabäus“ hinzufügen. Einige Textteile des Oratoriums stammen aus dem apokryphen, nicht biblischen „Ersten Buches der Makkabäer“ rund um den jüdischen Freiheitskämpfer Judas Makkabäus.
Und seien wir ehrlich, auch nicht jeder heutige Einwohner des Heiligen Landes, der mit dem Gerstensaft in der Hand im Fussballstadion seine Lieblingsmannschaft anfeuert, weiss, dass sowohl das Bier wie auch der Name des Kickerclubs seinen Namen, „Makkabi“, diesem Freiheitskämpfer verdankt.